
Viel mehr Rampenlicht kann es kaum geben. „Der Aufsichtsrat der FC Bayern München AG ist einvernehmlich der Meinung, dass Uli Hoeneß das Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden trotz der Eröffnung des Hauptverfahrens weiter ausüben soll.“ Spätestens seit dieser Ehrenerklärung für den Steuerflüchtling und Ex-Fußballer Hoeneß ist das Thema Aufsichtsrat auch auf dem Boulevard angekommen.
Das Beispiel Hoeneß zeigt, dass vor allem die Kontrolleure bekannter Unternehmen heute viel stärker unter Beobachtung stehen als früher. Und das dürfte weiter zunehmen, sollte die große Koalition beschließen, dass in Zukunft 30 Prozent aller Aufsichtsratsposten mit Frauen besetzt werden müssen. „Allein die Diskussion über die Einführung einer Frauenquote hat zu mehr Vielfalt in den Aufsichtsräten und zu einem höheren Anteil weiblicher Mitglieder in den Kontrollgremien geführt“, sagt Peter Ruhwedel, Wirtschaftsprofessor und Experte für Unternehmensverfassung an der FOM Hochschule in Duisburg. In den Dax-Unternehmen ist der Frauenanteil im Vergleich zum Vorjahr von 19 auf 22 Prozent gestiegen, in den MDax-Unternehmen von 14 auf 17 Prozent.
Wie die Leistung der Aufsichtsräte gemessen wird
Die Untersuchungsergebnisse basieren auf einer Analyse der öffentlich verfügbaren Informationen zur Besetzung und Arbeitsweise der Dax-30- und der MDax-Aufsichtsräte. Ausgewertet wurden Internet-Homepages der Unternehmen, Geschäfts- und Corporate-Governance-Berichte, Berichte des Aufsichtsrats sowie Informationen zu Hauptversammlungen des Geschäftsjahrs 2012 oder 2011/12.
Der Aufsichtsrats-Score ergibt sich durch die Bewertung in vier Kategorien.
Die Arbeitsweise der Kontrolleure hat mit einem Anteil von 40 Prozent das höchste Gewicht in der Gesamtbeurteilung. Bewertet wurden unter anderem die Zahl der Sitzungen mit und ohne Vorstand sowie Zahl, inhaltliche Ausrichtung und Häufigkeit von Ausschusssitzungen. Bonuspunkte brachten vorbildliche Sonderregelungen in der Geschäftsordnung, etwa die Bildung von Ressorts innerhalb des Gremiums, die temporäre Bildung von Sonderausschüssen zur Lösung aktueller Probleme oder die Durchführung von Strategieworkshops.
Die Transparenz hat ein Gewicht von 30 Prozent. Überprüft wurde etwa die Aussagekraft des Aufsichtsratsberichts, welche konkreten Ziele der Berufung bestimmter Aufsichtsratsmitglieder zugrunde lagen und welche Anforderungen diese erfüllen müssen.
Die Eignung der Mitglieder geht mit 15 Prozent in die Gesamtnote ein, wichtigstes Kriterium ist die Unabhängigkeit der Kontrolleure. Punktabzüge gab es für Mandatshäufungen und bei möglichen Interessenkollisionen, etwa wenn die Aufsichtsräte vorher dem Vorstand angehört haben oder wenn überproportional viele Vertreter von Großaktionären das Unternehmen kontrollieren.
Die Vielfalt bei der Besetzung der Gremien hat ebenfalls ein Gewicht von 15 Prozent. Pluspunkte gab es für ausländische Aufsichtsratsmitglieder, für Frauen oder eine breite Altersstreuung.
Die geplante Quote hätte für einige Kontrollgremien dramatische Konsequenzen: Beim Autozulieferer Continental etwa sitzt bislang nur eine Frau im 20 Köpfe zählenden Aufsichtsrat, mit Quote müssten auf einen Schlag sechs Männer durch Frauen ersetzt werden. Ähnlich die Situation bei HeidelbergCement. Unter den zwölf Aufsehern ist nur eine Frau, bei Neuwahlen müssten drei Männer ausscheiden, obwohl das Potenzial geeigneter Frauen begrenzt ist. Die Einführung einer gesetzlichen Frauenquote hält Ruhwedel darum für falsch: „Es ist weder sinnvoll noch realistisch, erfahrene Aufsichtsräte abzuberufen, um sie durch weibliche Mitglieder zu ersetzen, ein geplanter Übergangsprozess ist besser als kurzfristiger Aktionismus.“
Zumal sich die Kontrollgremien auch ohne Geschlechtertransformation durchaus sehen lassen können, wenn auch mit einigen Unterschieden. „Die Qualität der Aufsichtsräte in zahlreichen Dax-Unternehmen ist hoch, bei vielen MDax-Unternehmen besteht jedoch weiterhin ein zum Teil beträchtlicher Nachholbedarf“, sagt Ruhwedel, Autor der Studie „Aufsichtsrats-Score“ zur Qualität der Aufsichtsräte in Dax- und MDax-Unternehmen. Der Wissenschaftler hat die Studie zum dritten Mal durchgeführt, die Ergebnisse liegen der WirtschaftsWoche exklusiv vor.
Gesamtnote befriedigend | |||||
Wie Dax-Aufsichtsräte beurteilt werden, was sie verdienen und wie sich der Börsenwert im Geschäftsjahr 2012 entwickelt hat | |||||
Mit- glieder | Durch- schnitts- vergütung (in Euro pro Kopf) | Gesamtpkt. Ver- änderung zum Vorjahr | Vor- sitzender des Auf- sichtsrats | Börsen- entwicklung (in Prozent) | |
Allianz | 12 | 174.058 | 85,5 ↑ | Helmut Perlet | 30,9 |
DeutscheBörse | 18 | 117.083 | 77,8 → | Joachim Faber | 6,7 |
SAP | 16 | 186.331 | 75,5 ↓ | Hasso Plattner | 45,7 |
DeutscheBank | 20 | 116.750 | 72,9 ↑ | Paul Achleitner | 8,5 |
Daimler | 20 | 150.000 | 71,8 ↑ | Manfred Bischoff | 16,8 |
Siemens | 20 | 222.361 | 71,1 ↓ | Gerhard Cromme | 9 |
Munich Re | 20 | 111.200 | 68,9 ↑ | Hans-Jürgen Schinzler | 39 |
E.On | 12 | 245.833 | 67,7 ↑ | Werner Wenning | -19,1 |
Commerzbank | 20 | 81.975 | 65,6 ↓ | Klaus-Peter Müller | 6,6 |
ThyssenKrupp | 20 | 74.749 | 65,4 ↓ | Gerhard Cromme | -4,1 |
DeutscheTelekom | 20 | 100.713 | 63,5 ↓ | Ulrich Lehner | -6,3 |
Bayer | 20 | 148.450 | 63,3 ↑ | Manfred Schneider/ Werner Wenning** | 41,5 |
Infineon | 12 | 100.125 | 60,2 ↑ | Wolfgang Mayrhuber | 1,1 |
Beiersdorf | 12 | 116.075 | 60,1 ↓ | Reinhard Pöllath | 39,9 |
Volkswagen | 20 | 438.876 | 58,8 ↑ | Ferdinand Piëch | 43,7 |
Adidas | 12 | 76.667 | 58,1 ↑ | Igor Landau | 30,9 |
RWE | 20 | 124.050 | 57,1 ↑ | Manfred Schneider | 9,2 |
DeutschePost | 20 | 73.075 | 56,1 ↓ | Wulf von Schimmelmann | 36,9 |
BMW | 20 | 223.800 | 55,1 ↓ | Joachim Milberg | 37,2 |
K+S | 16 | 126.016 | 53,9 ↑ | Ralf Bethke | -2,1 |
Lanxess | 12 | 157.042 | 51,1* | Rolf Stomberg | 60,9 |
DeutscheLufthansa | 20 | 131.250 | 47,6 ↑ | Jürgen Weber | 49,2 |
Continental | 20 | 156.800 | 46,91* | Wolfgang Reitzle | 73,5 |
BASF | 12 | 249.375 | 45,8 ↑ | Eggert Voscherau | 29 |
Linde | 12 | 189.498 | 42,7 ↓ | Manfred Schneider | 12,9 |
HeidelbergCement | 12 | 65.915 | 40,8 ↓ | Fritz-Jürgen Heckmann | 35,9 |
*im Vorjahr nicht im Dax; **Wechsel Oktober 2012 | |||||
Quelle: Peter Ruhwedel, Hochschule für Oekonomie und Management, Geschäftsjahr 2012 bzw. 2011/12. Bei der Gesamtbeurteilung (maximal 100 Punkte) wurden die Arbeitsweise mit 40 Prozent, die Transparenz mit 30 Prozent und Eignung und Vielfalt mit jeweils 15 Prozent berücksichtigt. Fresenius Medical Care, Fresenius SE, Henkel und Merck wurden aufgrund abweichender Rechtsform nicht beurteilt |