Kriminelle Börsendeals Illegaler Insiderhandel bei jeder vierten Fusion

Wissenschaftler aus den USA und Kanada haben den Börsenhandel vor Fusionen und Übernahmen untersucht. Das Ergebnis übertrifft die schlimmsten Befürchtungen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Der frühere Goldman-Sachs-Topmanager Rajat Gupta nach seiner Verurteilung zu zwei Jahren Haft wegen Insider-Handels. Mitte Juni 2014 tritt er seine Haftstrafe an. Quelle: REUTERS

Insider-Handel an der Börse ist strafbar. An diesem Mittwoch tritt zum Beispiel Rajat Gupta, ehemals Top-Manager der US-Investmentbank Goldman Sachs, eine zweijährige Haftstrafe in einem Gefängnis in Massachusetts an - wegen Insider-Handels.

Dort trifft er auf seinen kriminellen Geschäftspartner Raj Rajaratnam. Der Hedgefonds-Milliardär wurde 2012 zu elf Jahren Haft verurteilt. Die New Yorker Staatsanwaltschaft hatte nachgewiesen, dass Rajaratnam gezielt Insider-Wissen von Gupta für gewinnträchtige Börsengeschäfte genutzt hatte. Gupta musste fast 14 Millionen Dollar Strafe zahlen. Derzeit steht auch Rajaratnams Bruder Rengan wegen Insider-Handels vor Gericht.

Einer Studie amerikanischer Wissenschaftler zufolge sind derart prominente Fälle aber nur die Spitze des Eisberges. Schlimmer noch: Die Forscher sind davon überzeugt, dass Insider-Handel im Vorfeld von Fusionen oder Übernahmen zwischen börsennotierten Unternehmen geradezu allgegenwärtig ist. In einem Viertel der untersuchten Fälle fanden sie klare Indizien für Insider-Transaktionen in den 30 Tagen vor der öffentlichen Bekanntgabe - und zwar mit Hilfe von Aktienoptionen.

Bank of America muss 17 Milliarden Dollar Strafe zahlen
Bank of AmericaWankende Großbanken brachten das Weltfinanzsystem 2008 an den Rand des Zusammenbruchs. Dubiose Hypotheken-Deals hatten den Weg dafür bereitet. Doch die Vergangenheit holt die Geldhäuser ein - der Bank of America (BoA) droht nun gar die höchste Strafe aller Zeiten. Dem „Wall Street Journal“ zufolge steht das Finanzinstitut kurz vor einem Vergleich mit dem US-Justizministerium über knapp 17 Milliarden US-Dollar (rund zwölf Milliarden Euro), davon neun Milliarden Dollar in bar. Das wäre der höchste jemals bezahlte Betrag in einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung zwischen der US-Regierung und einem Unternehmen. Bereits im März musste BoA 9,5 Milliarden Dollar nach einer Klage der Aufsichtsbehörde Federal Housing Finance Agency zahlen. Die US-Behörden sind bei der Bestrafung von Großbanken nicht eben zimperlich - zumindest, wenn es um Geldstrafen geht. Welche Banken ebenfalls Rekordgeldbußen zahlen mussten, erfahren sie auf den folgenden Seiten. Quelle: REUTERS
Goldman SachsDie US-Großbank hat die Finanzkrise trotz viel Kritik an ihren Geschäftsmethoden vergleichsweise gut überstanden. Ende August 2014 handelte das Geldhaus mit den US-Aufsichtsbehörden und den Immobilienfinanzierern Fannie Mae und Freddie Mac, die im Zuge der Immobilien- und Finanzkrise von der US-Regierung mit insgesamt 187 Milliarden Dollar gerettet werden mussten, einen Vergleich aus. 2005 und 2007 hatte Goldman Sachs den beiden Gesellschaften zusammengeschnürte minderwertige Immobilienkredite verkauft. Laut Einigung muss Goldman diese Papiere für 3,15 Milliarden Dollar zurückkaufen. Damit zahlt die Bank 1,2 Milliarden Dollar mehr, als die Kreditportfolios derzeit wert sind. Quelle: REUTERS
CitigroupDie Citigroup leistet für fragwürdige Hypothekengeschäfte eine sieben Milliarden Dollar schwere Abbitte. Nach Ansicht der US-Justiz hatte die Bank den Käufern verschwiegen, wie schlecht es um die in verbrieften Wertpapieren enthaltenen Hauskredite gestanden habe. Wie die US-Großbank mitteilte, zahlt sie 4,5 Milliarden Dollar an US-Behörden und gewährt zudem Finanzierungshilfen und -erleichterungen für Hausbauer im Wert von 2,5 Milliarden Dollar. Der Vergleich verhagelt der Citigroup das zweite Quartal. In dem Zeitraum verbucht die Bank eine Vorsteuerbelastung von 3,8 Milliarden Dollar. Mit dem Vergleich hätten sich alle anhängigen zivilrechtlichen Hypothekenermittlungen erledigt, erklärte Bankchef Michael Corbat. Der Vergleich erlaube der Bank, sich „auf die Zukunft zu fokussieren, nicht auf die Vergangenheit“. Quelle: dpa
CommerzbankWie die "New York Times" berichtet, droht der Commerzbank wegen mutmaßlicher Verstöße gegen US-Sanktionen eine Geldstrafe von mindestens 500 Millionen Dollar (370 Millionen Euro). Die Commerzbank hatte bereits eingeräumt, dass sie wegen ihrer Geschäfte mit Ländern wie dem Iran im Visier der US-Behörden steht. Wann die Verhandlungen mit den US-Behörden abgeschlossen sein werden, ist noch unklar. Quelle: dpa
Die französische Großbank BNP Paribas steht wegen Sanktionsbruch und Geldwäschevorwürfen im Fokus der US- Justizbehörden. Laut einem Bericht des Wall Street Journal drohen der Bank Bußgelder bis zu einer Höhe von zehn Milliarden Dollar. Die Bank soll Wirtschaftssanktionen gegen den Iran, Sudan, Kuba und andere Länder umgangen haben. Es wäre die zweithöchste Strafe, die je gegen eine Großbank verhängt wurde, die Höchststrafe wegen Geldwäsche lag bislang bei 1,9 Milliarden Dollar. Nachfolgend eine Reihe von Banken, die für verschiedene Vergehen schon Milliarden an Geldbußen zahlen mussten. Quelle: REUTERS
Gegen die britische Großbank Barclays verhängte die britische Finanzaufsicht die erste Geldstrafe wegen Manipulation des Goldpreises. Barclay zahlt 26 Millionen Pfund, überführte Barclays-Händler muss 96.000 Pfund Strafe zahlen und erhielt Berufsverbot. Wegen der Manipulation des Interbankenzinssatzes Libor musste Barclays bereits im Sommer 2012 stolze 290 Millionen Pfund zahlen, umgerechnet 350 Millionen Euro. Der damalige Barclays-Chef Bob Diamond nahm kurz danach seinen Hut. Quelle: REUTERS
Die größte Schweizer Bank UBS zahlt rund 1,4 Milliarden Franken (1,16 Milliarden Euro) und damit die zweithöchste Geldstrafe, zu der eine Schweizer Bank jemals verdonnert wurde. Die UBS hatte zudem im Jahr 2009 wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung von US-Bürgern der Zahlung von 780 Millionen Dollar zugestimmt, dabei aber keine Schuld zugegeben. In Deutschland soll die UBS wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung 200 Millionen Euro Strafe zahlen. Ende 2012 musste die UBS wegen des sogenannten Zockerskandals eine Strafe von 36,7 Millionen Euro zahlen und erhebliche Kontrollauflagen erfüllen. Die Bank wird damit für "System-und Kontrollfehler" bestraft. Zugleich wurden der UBS durch die Schweizer Finanzmarktbehörde FINMA scharfe Kontrollen im Investmentbanking auferlegt. Ohne diese Mängel wären die betrügerischen Transaktionen des Händlers Kweku Adoboli früher entdeckt worden. Quelle: REUTERS

Empirisch eindeutig

"Der von uns vorgestellte statistische Beweis passt genau zu informationsgetriebenen Handelsstrategien, und er ist zu deutlich, um als zufällige Spekulation verworfen zu werden", sagte Patrick Augustin von der kanadischen McGill-Universität. Ein Zufall sei unwahrscheinlicher als ein Lotteriegewinn. Im Durchschnitt hatten die "Schurkengeschäfte" ein Volumen von 1,6 Millionen Dollar.

Die Forscher untersuchten für den Zeitraum von 1996 bis 2012 den Handel mit Aktienoptionen. Insgesamt analysierten sie dabei Börsenwetten auf steigende oder fallende Kurse bei mehr als 1800 angekündigten Fusionen und Übernahmen. Neugierig hatten sie Berichte von zahlreichen Insider-Geschäften im Vorfeld der Übernahme des Ketchup-Hersteller Heinz durch Starinvestor Warren Buffett und die Beteiligungsgesellschaft 3G Capital gemacht, zitiert die New York Times den beteiligten Forscher Augustin.

Damals flogen zwei brasilianische Brüder auf, die Insider-Wissen für Optionsgeschäfte über ein Schweizer Goldman-Sachs-Depotkonto nutzten. Das Konto gehörte einer Firma im Steuerparadies Cayman Islands. Beide wurden zu einer Geldbuße von fünf Millionen Dollar verurteilt.

Große Deals besonders häufig betroffen

Aus der Studie geht auch hervor, dass Insider-Geschäfte häufiger auftreten, wenn das Zielunternehmen einer Übernahme Bargeld erhält. Die Wissenschaftler vermuten, dass eine Bezahlung mit Aktien solche Wetten erschwert. Zudem trete Insider-Handel vermehrt bei großen Übernahmen und bei Aktien mit großen Handelsvolumina auf.

Fazit: Je größer die zu erwartende Kursbewegung und je besser die Möglichkeiten, die illegalen Transaktionen zu verschleiern, umso wahrscheinlicher seien Insider-Geschäfte. Erstaunlicherweise gäbe es jedoch keine statistischen Anzeichen für mehr Insider-Handel, wenn die Zahl der involvierten Berater, Juristen und Banker größer sei.

Eine weitere bittere Erkenntnis der Studie: Die Börsenaufsicht hängt mit der Verfolgung solcher Straftaten und der Ermittlung bei verdächtigen Transaktionen gnadenlos hinterher. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC führte bei nicht einmal fünf Prozent der ausgewerteten Fusionen einen Prozess wegen Insider-Handels. Zudem dauerte es durchschnittlich zwei Jahre bis zum Beginn der Strafverfolgung.

Außerdem stellten die Wissenschaftler bei der Behörde eine Fokussierung auf tatsächlich abgeschlossene Übernahmen und Zusammenschlüsse mit ausländischer Beteiligung sowie prominente Unternehmen fest. Auf nach der Ankündigung geplatzte oder rein amerikanische Zusammenschlüsse würden nicht einmal fünf Prozent der Ermittlungen entfallen. Zudem beschränkten sich die Ermittlungen meist auf den Aktienhandel, der Optionshandel hingegen bliebe außen vor. Die amerikanische Börsenaufsicht SEC wollte die Studie zunächst nicht kommentieren.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%