Kryptowährung Wie China den Bitcoin zerstören könnte

Die Volksrepublik ist Bitcoin-Land: Nirgendwo ist die Nachfrage nach der Kryptowährung so groß. Doch jetzt droht ein Streit zwischen den beiden wichtigsten Gruppen der Bitcoin-Banche die Währung zum Scheitern zu bringen.

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Bitcoin: Wie China die Kryptowährung zerstören könnte Quelle: Stephan Scheuer

Dalian Bruce Xie hat seine wuscheligen schwarzen Haare zur Seite gekämmt. Sein blaues Poloshirt spannt sich stramm über seinen mächtigen Bierbauch. Er strahlt die Ruhe eines Mannes aus, der schon alles gesehen hat. Aber wenn er einmal anfängt zu reden, dann kann ihn nichts mehr stoppen. „Der Markt für Bitcoin entwickelt sich gut“, sagt Xie. Er ist Geschäftsmann. Doch in seiner Branche geht es nicht um Produkte, die man anfassen kann, sondern um die digitale Währung Bitcoin.

Der Unternehmer handelt nicht mit Bitcoins – er stellt sie her. Über ganz China verteilt lässt er tausende Computer Tag und Nacht komplizierte Rechenaufgaben lösen. So hält er die hinter der Digitalwährung stehende Datenbank am Laufen – und wird mit Bitcoins belohnt. „Es gibt viele Produkte, deren Qualität sich unterscheidet, je nachdem, ob sie in Japan oder den USA hergestellt werden. Bei Bitcoin ist das nicht so. Ihre Qualität ist immer gleich“, sagt Xie. Deshalb biete China so gute Chancen. Die Computer für die Serverfarmen ließen sich günstig kaufen, und Strom sei nicht teuer.

Xie ist ein Schatzsucher. Seine kostbarsten Fundstücke sind Orte, die hervorragende Bedingungen für seine Serverfarmen bieten. In der Inneren Mongolei betreibt er eine Mine. Tausende Rechner stehen in einem Fabrikgelände in der Nähe der Stadt Ordos. Sie sollte einst eine Wüstenmetropole werden, doch die Pläne gingen nicht auf. Deshalb produzieren die Kraftwerke in der Region viel mehr Strom, als gebraucht wird. Xies Computer sind dankbare Abnehmer für den Billigstrom.

Dazu hilft dem Unternehmer das Klima. Die Wüste Gobi ist im Winter bitterkalt. Dadurch müssen die Klimaanlagen kaum arbeiten, um die Computer nicht zu heiß werden zu lassen. Doch im Sommer wird es in der Wüste mehr als 40 Grad heiß. Dann lässt Xie die Computer mit Lastwagen in die tibetische Hochebene transportieren. Dort, auf rund 3000 Metern Höhe, ist es auch im Sommer kalt. Und Wasserkraftwerke liefern günstigen Strom.

Die Bitcoins sind eine beispiellose Erfolgsgeschichte für China. In Europa und Nordamerika wollten Unternehmen mit Bitcoin reich werden und investierten in hochgerüstete Serveranlagen. Doch am Ende setzen sich Armeen von Billigcomputern in der Volkrepublik gegen die Hochleistungsrechner durch. China vereint heute laut Hochrechnungen mehr Minenleistung als der Rest der Welt zusammen.

Doch die Geschichte hat einen Haken: Das Bitcoin-System stößt an seine Grenzen. Das Netzwerk lässt nur wenige Transaktionen pro Sekunde zu. Zum Vergleich: Visa bringt es auf 24.000 Stück pro Sekunde. Der Aufstieg zur globalen Währung kann so nicht gelingen. Im vergangenen Jahr gab es immer wieder Verzögerungen, Überweisungen wurden nur sehr langsam oder gar nicht ausgeführt.

Eine Reform des Programmcodes soll das System wieder beschleunigen. Doch der Streit darüber, wie dieses Update genau aussehen soll, zieht sich schon seit zwei Jahren hin. Zwei große Lager mit vielen Splittergruppen stehen sich gegenüber. Auf der einen Seite positionieren sich die Entwickler, die das System vorgeben. Auf der anderen Seite stehen die Minenbetreiber, die das System anwenden. Die Konstellation ist also ähnlich wie beim Computer und seinem Betriebssystem. Nur wenn die Kombination stimmt, kann der Rechner richtig arbeiten.

Anfang 2016 hatten sich Minenbetreiber und Entwickler in Hongkong auf einen Kompromiss geeinigt. Der fiel wenig später jedoch wieder auseinander. Jetzt wird ein neuer Anlauf genommen. Die Entwickler wollen das System schneller machen und haben eine Änderung des Protokolls namens SegWit vorgeschlagen. Den Minenbetreibern geht es darum, ihre Einnahmen zu sichern. Deshalb wollen sie, dass die Blockgröße der Blockchain von einem auf zwei Megabyte erhöht wird und haben dafür ein erweitertes Update namens SegWit2x vorgeschlagen.

Ende Juli kommt es zum Showdown. Dann läuft die Frist für die Umstellung ab. Bekommt der aktuell diskutierte Kompromissvorschlag (das sogenannte „Bitcoin Improvement Proposal“ BIP 91) keine Zustimmung durch 80 Prozent der Bitcoin-Gemeinde, droht am 1. August eine Spaltung des Systems.

Haben die Minenbetreiber in dem Streit die Zukunft des Bitcoins riskiert? Ganz so einfach ist es nicht, sagt Leonhard Weese, Präsident der Hongkonger Bitcoin-Vereinigung. „Am wahrscheinlichsten finde ich, dass es um Egos geht“, spekuliert Weese. „Ich habe es persönlich oft mitbekommen, wie Entwickler aus den USA und Europa Minenbetreiber aus China herablassend behandelt haben.“ Für sie seien die chinesischen Unternehmer Leute, die Elektrizität klauten und einfache Technik zusammensteckten. Doch das ließen sich die chinesischen Unternehmer nicht mehr gefallen.


Das Ansehen des Bitcoins leidet

Beim Thema Bitcoin-Reform gerät Bruce Xie in Rage: „Wir Minenbetreiber blockieren gar nichts. Uns geht es doch darum, das Geschäft zu erweitern. Wir wollen so schnell wie möglich skalieren“, sagt er. „Die Entwickler haben Schuld. Sie blockieren jetzt.“ Wer recht hat, ist Frage des Standpunkts. Klar ist nur: Es geht nicht vor, und es geht nicht zurück.

Gerät der Bitcoin damit in eine Sackgasse? Sam Lee ist zum Weltwirtschaftsforum in das nordostchinesische Dalian gereist, um für seine Firma Blockchain Global zu werben. Das Unternehmen soll Bindeglied werden zwischen Minenbetreibern und jedem Erdbürger, der die hinter Bitcoin stehende Technik der sogenannten Blockchain nutzen will.

Die Blockchain-Technologie ist die Basis für das Bitcoin-System. Es handelt sich dabei um eine verteilte Datenbank, in der alle Transaktionen vielfach und damit fälschungssicher gespeichert werden.

Der entscheidende Trick liegt darin, dass die Rechenoperationen, die zur Produktion eines Bitcoins nötig sind, von jedem Computer auf der Welt durchgeführt werden können, also auch vom heimischen PC. Das macht das System so sicher. Eine Manipulation der Datenbank fiele sofort auf, da sie von den Kopien im globalen Netzwerk abweichen würde. Das Prinzip gilt als so vielversprechend, dass nicht nur in der Finanzindustrie, sondern sogar in hochsensiblen Bereichen wie dem Gesundheitswesen damit experimentiert wird.

Auf diese neuen Anwendungsmöglichkeiten baut Lee seine Firma auf. Doch auf die Frage nach der Zukunft des Bitcoins reagiert der Gründer vorsichtig. „Das ist ein weites Feld“, sagt er und legt eine lange Denkpause ein. Dann sagt er schließlich: „Minenbetreiber sind innerhalb der Wertschöpfungskette diejenigen, die besonders auf das Geld achten müssen.“ Ihnen gehe es nicht um ideologische Vorstellungen, einer von der Kontrolle von Zentralbanken und Staaten losgelösten Währung. Ihnen gehe es um das Geschäft. „Das ist auch nicht verwerflich“, sagt Lee.

Reformen brauchten Zeit. Aber in der Zwischenzeit leide das Ansehen des Bitcoins. „Der Marktanteil geht zurück. Das haben wir im vergangen Jahr gesehen“, sagt Lee. Alternative Digitalwährungen wie Ethereum bekommen immer mehr Zulauf.

Scheitert der Bitcoin am Konflikt zwischen reformfreudigen Entwicklern und unbeweglichen Minenbetreibern? Lee legt wieder eine lange Pause ein. Dann sagt er: „Der Erfolg oder das Scheitern von Bitcoin hat nichts mit dem Erfolg oder dem Scheitern der Blockchain zu tun.“ Es sei die Technik hinter der Währung, die die größten Chancen biete: transparente, verlässliche, kostengünstige Lösungen für viele Branchen.

Das klingt wie ein Abgesang auf den heutigen Bitcoin. Lee widerspricht dem nicht, sondern sagt nur: „Bitcoin hat einen besonderen Platz im unserem Herzen. Das gilt für alle in der Industrie.“

Die Serie

Banken zittern, Spekulanten jubeln: Aber was steckt wirklich hinter Bitcoin, Ethereum und Co.? In einer Serie behandeln wir die Welt der Digitalwährungen. Bisher erschienen:

(Fortsetzung folgt)

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