WirtschaftsWoche: Herr Bofinger, Sie gelten als Kritiker von Kryptowährungen wie dem Bitcoin. Hat Sie der vergangene Crash, in dem der Bitcoin rund die Hälfte an Wert eingebüßt hat und jetzt nur noch etwas mehr als 20.000 Dollar kostet, gefreut?
Peter Bofinger: Zumindest fühle ich mich da bestätigt. Der Bitcoin hat ja in der aktuellen wirtschaftlichen Krise eindeutig nicht die Vorteile gebracht, die seine Verfechter ihm immer unterstellt haben.
Sie meinen den Schutz vor Inflation aufgrund der natürlichen Knappheit des Bitcoin?
Richtig. Spannenderweise hat er gerade im Umfeld mit hohen Inflationsraten von mehr als neun Prozent noch mehr an Wert verloren als die staatlichen Fiatwährungen wie der Euro oder der Dollar. Das ist also völlig daneben gegangen.
Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Der Bitcoin ist ein reines Luftprodukt – mal mit mehr, mal mit weniger Luft. Aber reale Substanz ist da nicht dahinter. Kryptowährungen sind das einzige private Asset, dessen Inhaber keinen Anspruch auf irgendetwas hat. Warum sollte uns etwas, das keinen inneren Wert hat, gegen Inflation absichern.
Zur Person
Peter Bofinger ist deutscher Ökonom und lehrt Volkswirtschaft an der Universität Würzburg. Von 2004 bis 2019 gehörte er zum Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Wirtschaftsweise").
Zuletzt bestand eine starke Korrelation zwischen Tech-Aktien und Kryptowährungen. Sprich, alle Assetklassen, die sehr von den niedrigen Zinsen profitiert haben, haben nun im Zuge der Zinswende kräftig verloren.
Es ist tatsächlich spannend, dass die Korrelation zu einigen Aktienindizes so stark ist. Das zeigt, dass Kryptowährungen zur Diversifizierung im Portfolio überhaupt nicht taugen.
Dafür gilt der Bitcoin, zumindest in einer rein privaten Wallet, als sicher. Gerade das dezentrale ist es ja, was viele an Kryptowährungen schätzen.
Warum soll etwas dezentral organisiert werden, wenn es zentral gut funktioniert? Ich habe kein Problem damit, mit Visa oder PayPal zu bezahlen. Diese Systeme können in gleicher Zeit fast 400mal Transaktionen abwickeln als Bitcoin. Mit der CO2-Emission einer Bitcoin-Transaktion können fast 1,9 Millionen Visa-Transaktionen durchgeführt werden.
Krypto-ABC: Die wichtigsten Begriffe verständlich erklärt
Der Fokus am Kryptomarkt liegt klar auf dem Bitcoin. Unter Altcoins versteht man Kryptowährungen, die nach der ältesten Digitalwährung erfunden wurden und eine Alternative zum Bitcoin darstellen. Beispiele dafür sind Ethereum, Cardano oder Solana.
Der Bitcoin ist nicht nur die dem Volumen nach größte, sondern auch die älteste Kryptowährung der Welt. Schon im Oktober 2008 skizzierte Satoshi Nakamoto, das Pseudonym des Bitcoin-Erfinders, in einem Whitepaper mit dem Titel „A Peer-to-Peer Electronic Cash System“, wie so eine virtuelle Währung aussehen könnte. Kurz darauf, im Januar 2009, wurden die ersten Bitcoin geschürft. Weil Nakamoto unter einem Pseudonym agierte, ist bis heute unklar, wer genau den Bitcoin ins Leben gerufen hat.
Transaktionen von Kryptowährungen werden auf der Blockchain dokumentiert. Die Blockchain ist eine öffentliche, dezentrale Datenbank. Die Informationen werden nicht auf einem einzelnen Server, sondern auf vielen tausenden Rechnern gespeichert. „Chain“ kommt aus dem Englischen und bedeutet „Kette“.
Jede Transaktion wird in einem Block gespeichert und an eine Kette der bereits vorhandenen Datensätze angehängt. Deshalb wird die Blockchain auch digitales Kassenbuch genannt. Die gespeicherten Daten können im Nachgang nicht mehr oder nur mit Zustimmung des Netzwerkes geändert werden. So soll ein fälschungssicheres Protokoll entstehen.
Ether ist hinter dem Bitcoin die zweitgrößte Kryptowährung und basiert auf der Ethereum-Blockchain. Im Vergleich zur Bitcoin-Blockchain gilt diese als moderner und leistungsfähiger und soll in Kürze auf das energiesparendere Proof-of-Stake-Verfahren umgestellt werden. Auch Smart Contracts können über Ethereum gehandelt werden. Beliebt ist die Kryptowährung auch, weil NFTs (non fungible Token) oft auf Ethereum basieren und deshalb mit Ether bezahlt werden.
Mining ist das Erzeugen (Schürfen) neuer Coins. Bei diesem Prozess stellen Miner im Fall des Bitcoin die Rechenleistung ihrer Computer zur Verfügung, um komplexe mathematische Aufgaben zu lösen. So werden Transaktionen verifiziert und auf der Blockchain gespeichert. Die Miner werden fürs Bereitstellen der Rechenleistung mit neu generierten Bitcoin belohnt.
Bei einigen anderen Kryptowährungen basiert das Mining dagegen nicht auf Rechenleistung, sondern auf den Anteilen der Netzwerk-Teilnehmer an der jeweiligen Kryptowährung (siehe Proof of Stake). In diesem Fall wird das Mining deshalb auch oft als Staking bezeichnet. Auch dafür bekommen Teilnehmer eine Prämie, also quasi eine Art Verzinsung für ihren Anteil.
Minten bezeichnet das Erstellen eines NFTs (non fungible Token). Mit dem „Prägen“ des Bildes ist in diesem Fall das Hochladen in die Blockchain gemeint.
Die Abkürzung NFT steht für non-fungible Token, also nicht austauschbare Wertmarken. NFTs sind virtuelle Güter, die über die Blockchain gehandelt werden. Oft sind es etwa digitale Bilder oder Sammelkarten. Jeder NFT ist einzigartig. Wer einen kauft, wird in der Blockchain als Eigentümer registriert und kann so beispielsweise ein Echtheitszertifikat für ein virtuelles Bild oder ein digitales Kunstwerk vorweisen.
Mit dem Proof-of-Work-Verfahren werden neue Münzen einiger Kryptowährungen wie dem Bitcoin geschaffen. Dafür stellen die Miner die Rechenleistung des Systems zur Verfügung, um komplexe Aufgaben zu lösen. Wer es zuerst schafft, die Aufgabe zu lösen, darf den Block an die Blockchain anhängen und erhält eine Belohnung in Form digitaler Münzen. Der Proof-of-Work-Ansatz gilt als besonders energieintensiv.
Einige Blockchains basieren auf dem Proof of Stake-Verfahren. Anders als bei Proof of Work werden dabei fürs Mining keine umfangreiche Hardware und große Mengen an Rechenleistung benötigt. Proof of Stake gilt daher als wesentlich energieschonender.
Statt dessen dürfen diejenigen Transaktionen und neue Coins freigeben, die einen besonders hohen Anteil an einer Kryptowährung halten. Sie werden dann Validatoren genannt. Der Prozess beruht auf einem Konsensmechanismus. Je höher der Preis, desto höher die Anzahl der Coins, um am Prozess teilzunehmen.
Smart Contracts sind virtuelle Verträge, die über die Blockchain getauscht werden. Diese treten unter bestimmten zuvor festgelegten Bedingungen selbstständig in Kraft. Insbesondere Banken und andere Finanzinstitute sehen in Smart Contracts einen großen Nutzen. Sie könnten zum Beispiel beim Börsenhandel Intermediäre – also zwischengeschaltete Stellen wie Wertpapierbroker– überflüssig machen.
Die Wallet ist eine Art digitale Geldbörse für Kryptowährungen. Sie ermöglicht es Nutzern, Kryptoguthaben zu kaufen und zu verschicken. Es gibt mehrere Arten von Wallets. Die Hardware-Wallet ist quasi ein USB-Stick, auf dem das Kryptovermögen und die Zugänge eines Nutzers gespeichert sind. Eine Paper-Wallet wird auf Papier ausgedruckt.
Dafür wird ein QR-Code generiert, den man einscannen muss, um Transaktionen zu tätigen. Eine Software-Wallet kommt ohne externe Geräte oder Papierausdrucke aus. Hier werden die Daten in einem Computerprogramm gespeichert. Nutzer dürfen ihre Zugangsdaten nicht vergessen: Sonst bliebe ihnen der Zugriff auf ihr Kryptovermögen verwehrt.
Dieses Krypto-ABC entstammt dem großen Krypto-1x1 der WirtschaftsWoche: Das vollständige Dossier finden Sie hier zum Download
Kryptowährungen sind besonders in Entwicklungsländern beliebt. Können sie dort Menschen einen Zugang zum Finanzsystem verschaffen?
Auch dort gibt es meiner Meinung nach deutlich bessere Lösungen. Das in Afrika sehr weit verbreitete Zahlungssystem MPesa beispielsweise, weil es statt auf einer Internet- auf einer Telefonverbindung beruht, die jeder hat. Deshalb taugt das dort viel besser.
Gilt das für alle Kryptowährungen? Oder gibt es auch da sinnvolle Alternativen?
Grundsätzlich ist der Marktanteil von Bitcoin ja gesunken. Das zeigt schon, dass es Alternativen gibt. So haben die Stablecoins, deren Wert an den Dollar gebunden ist, seit 2020 eine stark steigende Nachfrage erfahren.
Diese Stablecoins werden vorrangig für Tauschgeschäfte in andere Kryptowährungen genutzt.
Der Kryptomarkt ist ja ein Wettbewerbssystem. In der sich schnell wandelnden digitalen Welt ist es hoch wahrscheinlich, dass früher oder später Kryptowährungen erfunden werden, die besser sind als die heute verfügbaren. Es kann also auch in Zukunft noch Kryptowährungen geben, der Bitcoin muss es aber nicht zwingend sein. Deshalb finde ich auch die Analogie zum Gold nicht angebracht. Das gibt es tatsächlich nur einmal als chemisches Element und das kommt auch kein neues dazu.
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