Kryptowährungen Kostenlose Steuererklärung? Das fragwürdige Angebot der Kryptobörse Crypto.com

Die Kryptobörse Crypto.com hat Lizenzprobleme in Deutschland. Quelle: REUTERS

Die Kryptobörse Crypto.com wirbt mit einer kostenlosen Steuererklärung um Nutzer. Dabei darf die Plattform in Deutschland nicht mal um Kunden werben. Die Börse hat schlicht keine Lizenz.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Schon fast heroisch stapft Hollywood-Schauspieler Matt Damon durch einen sterilen, weißen Raum und berichtet von großen menschlichen Errungenschaften. Ein Bergsteiger wird eingeblendet, der während eines Schneesturms den Gipfel zu erklimmen versucht. Ein Pilot, der auf einem der ersten Flugzeuge vom Boden abhebt. Und eine Astronautencrew, die sich bereit macht für eine Weltraummission. „Fortune favours the brave“, sagt er in dem Trailer. Zu Deutsch: Den Mutigen hilft das Glück.

Damit wirbt Damon nicht etwa für den nächsten Kino-Blockbuster, sondern für die Kryptobörse Crypto.com. Mehr als zehn Millionen Nutzer zählt die Plattform inzwischen. 250 Kryptowährungen können sie dort kaufen, neben Bitcoin und Ether auch den eigenen Coin Cronos (CRO), und mit NFTs handeln.

Der Deal mit Matt Damon ist nicht die einzige Werbemaßnahme. Das Unternehmen nimmt derzeit viel Geld in die Hand, um auf sich aufmerksam zu machen. 700 Millionen Dollar zahlte Crypto.com jüngst allein für die Namensrechte des ehemaligen Staples-Centers in Los Angeles – eine Multifunktionsarena, die nun Crypto.com Arena heißt. Insgesamt soll das Unternehmen für Werbekampagnen rund eine Milliarde Dollar ausgegeben haben. Offiziell bestätigt Crypto.com die Zahl jedoch nicht.

Jetzt will Crypto.com mit einem speziellen Angebot noch mehr Kunden anziehen. Nutzer von Crypto.com können dort ihre Krypto-Steuererklärung erstellen lassen, und zwar kostenlos, so das Versprechen. „Erledigen Sie Ihre Krypto-Steuern in Sekundenschnelle und ohne Kosten“, wirbt Crypto.com um Anleger von Bitcoin und Co. aus der ganzen Welt. Das gilt nicht nur für Kryptowährungen, die Nutzer über die Plattform Crypto.com gekauft haben. Nutzer können auch ihre Daten von externen Kryptobörsen wie Kraken oder Binance in das Tool integrieren.

BaFin ermittelt gegen Crypto.com

Nur: Crypto.com hat überhaupt keine Lizenz, um in Deutschland, um Kunden zu werben. Zwar hat die Kryptobörse mit Sitz in Singapur eine Lizenz auf der EU-Insel Malta. Doch um in Deutschland für Kryptoprodukte werben zu dürfen, braucht es zusätzlich eine hiesige Lizenz.

Schon im Februar war bekanntgeworden, dass die Finanzaufsicht BaFin den Fall prüft. Auch die österreichische Aufsicht FMA hat Untersuchungen aufgenommen. Die BaFin bestätigte gegenüber der WirtschaftsWoche, dass die Ermittlungen weiterhin laufen. In Deutschland darf Crypto.com schlicht keine Werbung machen. Crypto.com äußert sich auf Anfrage dazu nicht öffentlich.

Mit dem neuen Angebot einer kostenfreien Steuererklärung könnte Crypto.com nun versuchen, ein Schlupfloch im Lizenzdickicht zu finden. Die Kryptobörse könnte argumentieren, schließlich nicht aktiv um deutsche Kunden zu werben, sondern sie nur anzunehmen. Laut Insidern aus der Kryptobranche probieren es derzeit einige Kryptobörsen mit dieser Masche. Crypto.com äußert sich dazu nicht.

Die Krypto-Börse aber scheint das Problem erkannt zu haben. Auf der Webseite ist eine Stellenanzeige zu lesen: Crypto.com sucht für Deutschland einen „Director of Compliance & MLRO“. Einer der Hauptaufgaben ist laut Jobprofil: Hilfestellung bei der Beantragung von Lizenzen.

Gerade jetzt dürften viele Kryptoanleger das Thema Steuererklärung im Blick haben. Bis zum 31. Juli müssen Pflicht-Steuererklärungen, die ohne Steuerberater erstellt worden sind, fürs Jahr 2021 bei den Finanzämtern eingegangen sein – voraussichtlich wird die Frist wegen der Pandemie noch auf Ende September verschoben. In Deutschland müssen Anleger Gewinne aus dem Handel mit Kryptowährungen versteuern, wenn sie die Freigrenze von 600 Euro überschreiten und die Kryptowerte kürzer als ein Jahr gehalten haben.

Kritik von der Konkurrenz

Für Florian Wimmer, Gründer und Geschäftsführer des Krypto-Steuer-Unternehmens Blockpit, ist fraglich, wie gut das Angebot überhaupt ist. Sein Unternehmen erstellt Steuererklärungen für Krypto-Anleger. Wimmer weiß daher aus eigener Praxis: „Jedes Land hat seine eigene komplexe Steuerregulatorik für Kryptowährungen. Anleger sollten sich nicht darauf verlassen, dass ein US-basiertes Angebot den Ansprüchen europäischer Finanzämter genügt“, so Wimmer. Auch zur Qualität seines Angebots sagt Crypto.com auf Anfrage nichts.

Wenn eine unregulierte Börse mit Sitz in Singapur kostenfreie Krypto-Steuererklärungen anbietet, sollten sich Nutzer immer fragen, was deren Motivation ist. Für Crypto.com könnte dies nämlich nicht nur die eigene Bekanntheit steigern. Weil auch Nutzer von Konkurrenten wie beispielsweise Binance oder Kraken das Angebot wahrnehmen können, bekommt Crypto.com Daten externer Anbieter. Crypto.com könnte dann nachvollziehen, wer wie viel in welche Kryptowährung investiert. Ein großer Vorteil fürs eigene Geschäft. Daten sind schließlich die Währung des 21. Jahrhunderts.

Andere Kryptobörsen kritisieren das Geschäftsgebaren von Crypto.com. Eric Demuth, Gründer und Chef des Wiener Krypto-Start-ups Bitpanda, sagt beispielsweise: „Während europäische Anbieter sich stark bemühen, den Anforderungen der Regulatoren nachzukommen, umgeht Crypto.com diese einfach.“ Er sieht die BaFin klar in der Verantwortung zu handeln: „Die europäischen Finanzaufsichtsbehörden müssen endlich tätig werden, diesen illegalen Aktivitäten einen Riegel vorzuschieben. Crypto.com in Europa ist das perfekte Beispiel, wie der europäische Finanzmarkt ausgedribbelt wird.“

Flugzeugbauer Lilium Senkrechter Blindflug

Ein Finanzbericht gewährt Einblick ins Zahlenwerk des Elektro-Senkrechtstarters Lilium. Dort wie bei der Konkurrenz türmen sich die Verluste. Hinzu kommt ein Eingeständnis über Mängel in der Finanzkontrolle.

Geldanlage Neuer Dax-Rekord: Wie Sie sich jetzt gegen Kursrücksetzer absichern

An den Börsen läuft es fast schon unheimlich gut. Der Dax knackt Rekord um Rekord. Zeit für eine Absicherung – ohne Kurschancen zu kappen.

Netzbetreiber Vodafone droht bei den Kabelkunden ein Desaster

Vodafones Misere hält an. Jetzt soll es ein neuer Deutschlandchef richten. Dabei ist klar: Erst mal wird die Lage noch komplizierter.

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Reichweite ist Crypto.com jedenfalls gewiss – vor allem wegen der Werbekampagne mit Matt Damon. Die US-Cartoon-Serie „South Park“ nutzte den Werbespot neulich, um sich über Kryptowährungen lustig zu machen. Einer der Protagonisten rezitierte den von Damon gesprochenen Slogan. Ein Klassenkamerad erwidert: „Mein Vater sagte, er habe auf Matt Damon gehört und sein ganzes Geld verloren.“

Lesen Sie auch: So baut man ein solides Anlageportfolio auf

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%