Kryptowährungen und Sanktionen Schaffen reiche Russen ihr Geld über Kryptobörsen ins Ausland?

Werden Kryptowährung tatsächlich von Russen benutzt, um Sanktionen zu umgehen? Quelle: imago images

Die Chefin der Europäischen Zentralbank warnt, dass Anleger und Unternehmen aus Russland mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin Sanktionen umgehen könnten. Doch ganz so einfach ist es nicht.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Aus dem Mund von Christine Lagarde klingt die Sache eindeutig. Kryptowährungen würden „sicherlich“ dazu genutzt, „zu versuchen, Sanktionen zu umgehen“, sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) am Dienstag bei einer Konferenz der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ). Zugleich warnt Lagarde Kryptobörsen und -unternehmen davor, dass sie Beihilfe zur Flucht vor Sanktionen leisten könnten, wenn sie sich nicht an die aktuellen Beschränkungen hielten.

Beobachtet die Zentralbank tatsächlich, dass Sanktionen verstärkt mit Kryptowährungen wie dem Bitcoin umgangen werden? Worauf beruft sich Lagarde bei ihren Aussagen? Auf Nachfrage will die EZB nicht genau sagen, inwiefern die Frankfurter Notenbanker kritische Transaktionen beobachten. Nur so viel: Die Aussage Lagardes beruhe unter anderem auf einem „Bloomberg“-Bericht. Diesem zufolge habe der Kryptoanalysedienst Elliptic eine Wallet (zur Aufbewahrung von Kryptowährungen) mit signifikanten Kryptobeständen identifiziert, die mit sanktionierten Russen in Verbindung gebracht wird. Zudem verweist die EZB darauf, dass der Handel mit Kryptowährungen wie Bitcoin oder dem Stablecoin Tether in Rubel seit der Invasion Russlands deutlich gestiegen ist.

Sprechen eine geheimnisvolle Wallet und das gestiegene Handelsvolumen schon dafür, dass Kryptowährungen dazu genutzt werden, Sanktionen zu umgehen? Oder schiebt Lagarde entsprechende Sorgen lediglich vor, um Bitcoin und Co. langfristig strenger regulieren zu können, wie einige Branchenbeobachter argwöhnen?

Krypto-Wallets: Nicht anonym, eher pseudonym

Grundsätzlich sind Kryptowährungen deutlich anonymer als ein Bankkonto. Das Kryptoportemonnaie, die Wallet, ist statt mit einem konkreten Namen mit einer Adresse bestehend aus Zahlen und Buchstaben verknüpft. Die Personen hinter Zahlungen mit Bitcoin oder anderen Kryptowährungen können also deutlich schwerer identifiziert werden. Auch jede Transaktion wird mit einer langen Ziffernfolge versehen, dem sogenannten Hash. Gleichzeitig wird jede Transaktion dezentral, für jeden zugänglich, in der Blockchain, auf der die digitalen Coins basieren, gespeichert. Die Transaktionen selbst sind also transparent.

Lesen Sie auch: Wie Spezialermittler die Identitäten hinter Zahlungen in Kryptowährungen ermitteln wollen

Die meisten Kryptowährungen gelten heute nicht als anonym, sondern lediglich als pseudonym. Mittlerweile gibt es zahlreiche Analysetools, die Wallets, welche mit illegalen Aktivitäten in Verbindung gebracht werden, ausfindig machen. Diese werden dann markiert, so dass ihre Nutzer etwa an regulierten Börsen keine Geschäfte mehr machen können. Dass dieses Vorgehen auch im Zusammenhang mit Sanktionen funktioniert, zeigt das genannte Beispiel von Elliptic. 

Auch der US-Analysedienst Chainalysis ist auf solche Netzwerkanalysen spezialisiert und erklärt auf Anfrage, es werde mit der Zeit möglich, ein immer komplexeres Bild über die Kryptoaktivitäten der sanktionierten Anleger und Unternehmen zu erstellen. Sollte also beispielsweise einer der sanktionierten Oligarchen versuchen, sein Vermögen in Form von Bitcoin außer Landes zu schaffen, würde das in der Blockchain vermutlich auffallen.

Zudem setzen auch die eigentlich auf freiheitliche, dezentrale Finanzmärkte bedachten Kryptounternehmen die Sanktionen um – zumindest die regulierten unter ihnen. So hat etwa die Kryptobörse Coinbase schon Anfang März rund 25.000 Wallets geblockt, die mit russischen Anlegern oder Unternehmen in Verbindung standen und deren Aktivitäten Coinbase für illegal hält. Die Adressen der geblockten Wallets habe Coinbase an die Behörden weitergeleitet, teilt das Unternehmen mit.

Auch andere Kryptobörsen wie Kraken oder Binance akzeptieren Inhaber von Karten sanktionierter russischer Banken nicht mehr als Kunden. Chainalysis hat ein Tool entwickelt, mit dem Kryptounternehmen automatisch prüfen können, ob Nutzer gegen Sanktionen verstoßen. Schon jetzt haben sich laut Unternehmensangaben rund 690 Nutzer dafür registriert.

Noch weiter geht der Kryptohandelsplatz Bitpanda. Während sich die anderen Kryptobörsen an die offiziellen Sanktionslisten halten, haben die Österreicher den Handel für alle russischen Nutzer eingestellt.

Schlupflöcher gibt es trotzdem. Zum Beispiel existieren zahlreiche kleinere (Offshore-)Kryptohandelsplätze, die nicht reguliert sind. Wer also dort einen Account eröffnen will, muss sich eben nicht per Ausweisdokument identifizieren und eine gültige Adresse angeben, sondern braucht im Zweifel lediglich eine E-Mail-Adresse. Wer diese nutzt, kann dort möglicherweise mit Hilfe von Bitcoin oder anderen Kryptowährungen Sanktionen umgehen. Was spricht dafür, dass das tatsächlich passiert? Und was dagegen?

Dafür spricht zunächst, dass der Bitcoin-Handel in Rubel seit Beginn des Krieges deutlich zugelegt hat. Daten der Börse Binance und des Analysedienstes Tradingview zeigen, dass das tägliche Handelsvolumen Ende Februar und Anfang März teilweise mehr als sechsmal so hoch lag wie vor Kriegsbeginn. Ähnliches zeigen Daten zum Handel mit dem Stablecoin Tether.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%