Kryptowährungen Warum der Bitcoinpreis so stark schwankt

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Die Schwankungen auf dem Markt der Kryptowährungen sind extrem hoch. Welche verschiedenen Faktoren für die Preisschwankungen es gibt und was sie für Anleger bedeuten. Ein Gastbeitrag.

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Moritz Schildt (55) ist Gründer der coinIX GmbH & Co. KGaA mit Sitz in Hamburg. Vorher war er Strategieberater und Vorstand (CFO und CEO) in verschiedenen Finanzunternehmen. 2009 gründete er zunächst die nordIX AG, einen spezialisierten Asset Manager für festverzinsliche Anlagen und Derivate. 2017 folgte die Gründung der coinIX GmbH & Co. KGaA, eine Beteiligungsgesellschaft, die in digitale Assets und Blockchain-Projekte investiert. Schildt beschäftigt sich seit 2013 mit digitalen Währungen und der Blockchain und ist Mitgründer und Vorstandsmitglied des Hanseatic Blockchain Institute (HBI), eines Vereins, der die Bekanntheit der Blockchain-Technologie fördern und bekannter machen will.

Ende des Jahres 2020 konnten sich Krypto-Investoren über ein Weihnachtsgeschenk der besonderen Art freuen: Mit einem Kurs von mehr als 23.000 US-Dollar erreichte der Bitcoin ein neues Allzeithoch und nicht wenige Anleger haben die Gelegenheit genutzt, um Kursgewinne zu realisieren.

Heute wissen wir: Es wäre besser gewesen, noch etwas zu warten, denn innerhalb von weniger als sechs Monaten stieg der Bitcoin-Preis in noch ungeahntere Höhen und knackte bei über 63.500 US-Dollar den nächsten Rekord. Zuletzt stürzte der Kurs zeitweise sogar wieder unter die Marke von 30.000 US-Dollar – und stieg danach wieder deutlich an. Kein Wunder, dass diese hohen Kursschwankungen viele Investoren abschrecken.

Nun ist die Volatilität einer der wichtigsten Indikatoren für das Risiko einer Anlage. Eine hohe Volatilität steht gemeinhin für stark schwankende und damit vermeintlich auch unsichere Anlageformen. Andererseits liegt in der Volatilität des Krypto-Marktes auch eine große Chance, nämlich die Chance auf hohe Gewinne. Die deutliche höhere Volatilität der Kryptowährungen gegenüber traditionellen Kapitalanlagen hat mehrere Gründe, die letztlich auf den Besonderheiten der Krypto-Märkte beruhen und durchaus auch den Reiz eines Investments in digitale Assets ausmachen.

Wer die Schwankungen der Krypto-Märkte betrachtet, erkennt schnell, dass Kurssprünge von zehn Prozent und mehr am Tag sowohl beim Bitcoin als auch in anderen Kryptowährungen keineswegs ungewöhnlich sind. Dies gilt allerdings sowohl für Kurssteigerungen als auch für Kursverluste: Mit der Volatilität steigt das Risiko, aber eben auch die Chance.

Ein Verlust von fast 50 Prozent innerhalb weniger Tage, wie ihn der Bitcoin kürzlich erleben musste, klingt zunächst nach einem herben Rückschlag. Ein Investor, der sich kurz zuvor allerdings über eine Verzehnfachung seines Investments – also einen Kursanstieg von 1000 Prozent freuen durfte – steht auch einer Halbierung des Wertes relativ gelassen gegenüber.

Gerade der langfristig orientierte Investor findet in Kryptowährungen eine Anlagemöglichkeit, die zwar hohe Kursrisiken und zudem noch eine Vielzahl anderer Risiken birgt, aber gleichzeitig auch das Potenzial einer deutlichen Vervielfachung des Investments bieten kann. Da hilft es, die Gründe für die hohen Schwankungen zu verstehen.

Moritz Schildt (55) ist Gründer der coinIX GmbH & Co. KGaA mit Sitz in Hamburg. Quelle: PR

24/7-Handel ohne Regeln

Eine nicht zu vernachlässigende Besonderheit der Kryptomärkte besteht darin, dass es weltweit hunderte Handelsplätze gibt, die sieben Tage die Woche rund um die Uhr den Handel mit den digitalen Währungen ermöglichen. Diese Handelsplätze unterliegen oft keiner staatlichen Regulierung, es bestehen also weder Vorschriften für die Preisfeststellung, noch besteht die Möglichkeit einer Aussetzung des Handels. Somit kann zu Zeiten geringer Handelsaktivität, beispielsweise an einem Sonn- oder Feiertag, schon bei relativ geringen Umsätzen eine erhebliche Kursverwerfung entstehen.

Jeder kann hebeln

Ein weiterer wichtiger Aspekt der Krypto-Handelsplätze besteht darin, dass es für Investoren an den Krypto-Märkten sehr einfach ist, gehebelte Investitionen zu tätigen, also mit einem relativ geringen Kapitaleinsatz große Positionen einzugehen und so das Potenzial für Gewinne und Verluste deutlich zu erhöhen. Wenn aber viele Investoren über gehebelte Positionen in einem Markt investiert sind, potenziert sich die Intensität von Kursentwicklungen. Setzt ein Investor nämlich mit einem Hebel auf steigende Kurse, so ist er auch bei fallenden Kursen entsprechend gehebelt. Ein relativ geringer Kursrückgang kann also erhebliche Verluste auslösen und zum Zwangsverkauf einer Position führen, die dann zusätzlichen Verkaufsdruck erzeugen kann.

Der Markt ist jung und unerfahren

Der Krypto-Markt ist noch sehr jung. Satoshi Nakamoto, der anonyme Erschaffer des Bitcoin, startete die erste Kryptowährung am 9. Januar 2009. Somit ist der Bitcoin gerade einmal zwölf Jahre alt, viele andere digitale Währungen sind sogar noch deutlich jünger. Und genau hier finden wir einen Grund für die Volatilität des Krypto-Marktes: dieser ist erst im Entstehen.

Auf den traditionellen Wertpapiermärkten werden die Aktivitäten von erfahrenen Banken und institutionellen Investoren beherrscht, die größere Transaktionen marktschonend begleiten, als Market-Maker oder Liquidity-Provider Kurse stellen und so zu einer gewissen Vorhersehbarkeit von Kursentwicklungen beitragen. An den Krypto-Märkten fehlt dieses „Establishment“ weitgehend.

Jeden Tag kommen neue, unerfahrene Anleger hinzu. Diese lassen sich leicht durch einzelne Nachrichten, oft in irrationaler Weise, zu Kauf oder Verkauf von Kryptowährungen verleiten - auch verunsichert durch die hohe Volatilität, die sich dadurch aber nur weiter verstärkt.

Zusätzlich werden die größten Krypto-Bestände anstelle rational handelnder institutioneller Anleger sogenannten Walen zugeordnet. Das sind in vielen Fällen Krypto-Investoren der ersten Stunde, deren Bitcoin-Bestände heute mehrere Milliarden US-Dollar wert sind und deren Investitionsverhalten nicht zwangsläufig von rationalen Beweggründen bestimmt wird.

Auch die sich laufend ändernden rechtlichen Rahmenbedingungen für Kryptowährungen sind ein ständiger Quell für Unsicherheit und damit ein Auslöser von Kursschwankungen. Mal ist es ein im Raum stehendes Verbot von Krypto-Geschäften in China oder der Türkei, dann wieder gibt es Länder wie El Salvador, die den „First-Mover-Vorteil“ für sich beanspruchen und Bitcoin über Nacht zur offiziellen Währung machen.

Daten-Overflow ohne Fundamentaldaten

Anders als bei Aktien oder Anleihen kann der vermeintlich richtige Preis von Kryptowährungen in der Regel nicht aus Fundamentaldaten hergeleitet werden. Während die Gewinn-Erwartungen einer Aktiengesellschaft oder der Verschuldungsgrad eines Anleihe-Emittenten als Basis für die Preisermittlung herangezogen werden können, ist der Krypto-Investor auf andere Informationen angewiesen.



Anstelle von Unternehmensdaten bietet der Krypto-Markt allerdings eine Vielzahl anderer Erkenntnisquellen, denn die Blockchain ermöglicht den Zugriff auf sämtliche weltweit durchgeführte Transaktionen. Dadurch stehen uns unglaublich viele Informationen zur Verfügung, da die Blockchain nicht nur Käufe und Verkäufe, sondern jeden Transfer von Coins von einer auf eine andere Wallet aufzeichnet und für jedermann einsehbar speichert.

Viele Investoren verwenden diese sogenannten on-chain-Informationen, etwa die Anzahl aktiver Bitcoin-Adressen, für eigene Analysen und als Grundlage für Kauf- oder Verkaufsentscheidungen. Allerdings fehlt es auch hier an einheitlichen Standards. Zudem spielen viele weitere Faktoren eine Rolle. Ob also ein starker Zuwachs der aktiven Adressen tatsächlich einen Kursanstieg erwarten lässt oder ob stattdessen ein Kursrückgang bevorsteht, ist unklar und führt zu erhöhter Volatilität.

Aber die On-Chain-Metriken verraten uns noch viel mehr, und zwar unter anderem, wie es um die Miner Aktivität steht, sprich wie viele Coins gerade produziert werden, welche OTC-Käufe getätigt wurden (OTC steht für Over the Counter und bedeutet übersetzt „über den Tresen“), die Höhe der Gebühren, die Exchange Aktivitäten, Derivate, Institutionen, Distributionen, Exchanges, Long/Short Term Aktivitäten, Marktindikatoren, Network Statistiken, Preise, Supply, Transaktionen, Volumen und vieles mehr.

Rendite und Risiko abwägen

Wer letztlich ermitteln will, ob die Risiken der Krypto-Märkte einem Investment entgegenstehen, sollte daher nicht nur auf die Volatilität, sondern besser auf die sogenannte Sharpe Ratio blicken, mit der die risikoadjustierte Rendite von Kapitalanlagen errechnet wird. Hierbei geht es also um die Mehrrendite, die eine Anlage für das zusätzliche Risiko bietet – und je höher die Sharpe Ratio, desto höher die risikobereinigten Renditechancen.

Ermittelt man die Sharpe Ratio für ein Bitcoin-Investment mit einer Haltedauer von vier Jahren, so ergibt sich eine hervorragende Überrendite pro Risikoeinheit, die seit 2014 regelmäßig den Wert von mehr als zwei erreicht und kontinuierlich deutlich höhere Werte aufweist als etwa Gold, der Aktien- oder auch der Immobilienmarkt.

Die hohe Share-Ratio ist letztlich der wesentliche Grund, dass eine Beimischung von Bitcoin oder anderen virtuellen Währungen zu einem bestehenden Portfolio trotz der hohen Volatilität grundsätzlich zu einer Risikooptimierung und Ertragssteigerung des Portfolios beiträgt.

Fazit

Die Welt hat es in Bezug auf Krypto mit einer gänzlich neuen Investmentklasse zu tun. Dass die Kursschwankungen auf den Kryptomärkten deutlich stärker ausfallen, als wir das vom traditionellen Wertpapiermarkt gewohnt sind, hat seine guten Gründe. Gleichwohl sollte die höhere Volatilität nicht als Absage an Krypto-Investments missverstanden werden, sondern gerade Appetit darauf machen, durch eine langfristig ausgerichtete und möglichst auch breit diversifizierte Beimischung das Risiko-Renditeprofil bestehender traditioneller Portfolios zu optimieren.

Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst am 14.07.2021. Wir haben ihn aktualisiert und neu publiziert.

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