Kurspflege und Dividende Was aggressive Investoren den Aktionären bringen

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Hedgefonds gegen Clariant: Aufgepumpt, abgestoßen

Auch wenn er kein Experte für Unternehmensstrategie ist: Für Aktivisten ist Icahn ein Idol. Wer ein paar Jahre für ihn gearbeitet hat, kann dann seinen eigenen Fonds aufmachen. Leute, die ihm Geld geben, findet er. Keith Meister hat das 2011 so gemacht. Sein Geschäft bei Icahn gelernt, dann den aktivistischen Hedgefonds Corvex Management gegründet. Großspekulant George Soros leistete damals 250 Millionen Dollar Anschubfinanzierung.

Im Juni 2017 zieht Meister gegen das Management des Schweizer Spezialchemikers Clariant zu Felde. Er verbündet sich mit dem US-Hedgefonds 40 North, einem Anlagevehikel des privaten Bauzulieferers Standard Industries, zur oppositionellen Aktionärsgruppe White Tale. Die baut ihre Beteiligung an Clariant systematisch aus, von anfangs 7,2 Prozent auf 24,99 Prozent. Hauptziel: Die geplante Fusion von Clariant mit dem texanischen Chemiekonzern Huntsman soll verhindert werden.

Die von Clariant-Chef Hariolf Kottmann mit Huntsman ausgehandelten Konditionen des Deals hätten die Clariant-Aktionäre übervorteilt, die Schweizer also unter Wert verkauft, argumentierte White Tale. Die Produktlinien von Clariant und Huntsman überschneiden sich zwar kaum. Dennoch stellte Kottmann Einsparungen von 400 Millionen Dollar pro Jahr in Aussicht, um den Anteilseignern den Deal schmackhaft zu machen. Der Zusammenschluss hätte zudem strategisch keinen Sinn ergeben und der eigentlichen Strategie widersprochen, als reiner Spezialchemiekonzern am Markt aufzutreten. Investor White Tale, der anschließend noch drei von zehn Sitzen im Verwaltungsrat einforderte und auf den Verkauf der umsatzstärksten Sparte Plastics & Coatings drängte, hatte den wunden Punkt getroffen – und nebenbei die Clariant-Aktie wachgeküsst aus ihrem Dornröschenschlaf.

Der aktivistische Investor White Tale hatte seine Position im Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant im vergangenen Jahr aufgebaut und unter anderem die geplante Milliarden-Fusion mit dem US-Rivalen Huntsman vereitelt. (Zum Vergrößern bitte anklicken)

Die Saudis angelockt

Der währte schon lang. In der Spitze, Ende der Neunzigerjahre, hatte die Aktie einmal über 80 Franken gekostet. Nach der geplatzten Börsenblase zur Jahrtausendwende und der anschließenden Rezession stürzte der Kurs ab auf unter 20 Franken. Dort verharrte er fast 15 Jahre. Erst der Einstieg von White Tale schob die Aktie über diesen historischen Widerstand. Die Hedgefonds siegten. Im Oktober 2017 wurde die 20 Milliarden Dollar schwere Fusion abgeblasen.

Denkbar, dass die aktivistischen Aktionäre aus New York schon zum Zeitpunkt ihres Einstiegs ahnten, dass es weitere Interessenten für eine Übernahme von Clariant gab. Darauf deutet jetzt einiges hin. Denn White Tale gab seine Clariant-Aktien in der vergangenen Woche weiter, an die Saudi Basic Industries Corporation (Sabic). Über den Preis schweigen sich die Beteiligten aus. Sabic ist mit rund 32 Milliarden Dollar Umsatz weltweit das viertgrößte Chemieunternehmen und will das Geschäft mit Spezialchemikalien ausbauen. „Wir sehen große Chancen in der Spezialchemie“, sagt Sabic-Chef Yousef Al-Benyan, der mit Clariant bereits im Joint Venture Scientific Design zusammenarbeitet.

Kursverluste als Kaufchance

Auf den Ausstieg von White Tale reagierte die Clariant-Aktie mit deutlichen Abschlägen. Die Aussicht auf eine Komplettübernahme sei geschwunden, hieß es an der Börse. Der Rücksetzer dürfte sich in der Rückschau aber als gute Einstiegsgelegenheit erweisen. Denn eigentlich sei es jetzt noch wahrscheinlicher, dass es binnen zwei Jahren zu einer Übernahme oder Aufspaltung von Clariant kommt, sagt Markus Mayer, Branchenanalyst bei der Baader Bank. Sabic sei nicht dafür bekannt, sich mit Minderheitsanteilen zufriedenzugeben. Mayer geht davon aus, dass die Saudis zuerst das 14-Prozent-Paket, das die ehemaligen Eigentümerfamilien von Süd-Chemie an Clariant halten, kaufen. Die Schweizer hatten das deutsche Spezialchemieunternehmen 2011 übernommen.

Das Clariant-Management will in den nächsten Wochen gemeinsam mit Sabic „die neue Situation erörtern und mögliche Wege zur Wertgenerierung ausloten“. Das hören Aktionäre gern. Anleger sollten bei Clariant am Ball bleiben.

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