Kursrutsch im Leitindex Das sind die Gründe für den Dax-Kursrutsch

Erneut verliert der Dax am Freitag mehr als ein Prozent an Wert. Quelle: dpa

Mehr als 500 Punkte hat der Deutsche Aktienindex in nur zwei Tagen verloren. Ist die mehrjährige Rally damit zu Ende?

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Das Ausmaß und die Schnelligkeit, mit der die Frankfurter Benchmark in den vergangenen Tag in die Tiefe rauschte, dürfte auch professionelle Marktbeobachter überrascht haben.

Der Dax gab am Donnerstag nach einem zwischenzeitlich Hoch bei 13.300 Zählern um 1,5 Prozent nach und fiel unter die Marke von 13.000 Punkten. Der Rutsch ging am heutigen Freitag weiter: Der deutsche Leitindex fiel zwischenzeitlich unter 12.800 Zähler, bevor er sich knapp oberhalb der Marke stabilisierte. Experten sehen für das Minus mehrere Gründe für das Minus.

1. Starker Euro

Zum einen den starken Euro, der als Belastung für die exportstarken Dax-Konzerne gilt. Die europäische Gemeinschaftswährung ist am heutigen Freitag zwischenzeitlich wieder über die Marke von 1,25 US-Dollar gestiegen – und damit in der Nähe seines Mehrjahreshochs.

Der Euro hat in einem Jahr um 15 Prozent zugelegt. Das verteuert deutsche Software, Maschinen und Autos in den USA und macht sie weniger wettbewerbsfähig. Obendrein verringern sich die im Dollar-Raum erzielten Erträge, sobald die Unternehmen sie in Euro umrechnen. Sollte der Euro auf dem aktuellen Niveau verharren, dann errechnen sich laut Commerzbank für die Dax-Konzerne im laufenden Jahr bei einem prognostizierten Ebitda-Gesamtgewinn von 200 Milliarden Euro Einbußen zwischen zehn und 20 Milliarden Euro.

2. Anleihen als Alternative

Die andere Belastung für den Aktienmarkt entwickelt sich in den USA: Die Renditen von US-Staatspapieren notieren nach einem rasanten Anstieg bereits auf einem Drei-Jahres-Hoch. Bei einer Laufzeit von zehn Jahren können Anleger so mittlerweile 2,8 Prozent jährlich erzielen. Auch deutsche Anleiherenditen ziehen an. Die Papiere mit einer Laufzeit von fünf Jahren schafften in dieser Woche seit Jahren erstmalig den Sprung auf eine Rendite von mehr als null Prozent.

Die entscheidende Frage lautet: Wie stark können die Anleihezinsen klettern, bevor Zweifel auftreten, dass die weltweite Verschuldung untragbar werden könnte? Außerdem: Wenn jemand drei Prozent Rendite am Anleihemarkt erzielen kann – warum soll er dann noch Aktien kaufen? Schließlich gelten Aktien, vor allem US-Papiere, bereits als extrem teuer und damit risikoreich. Das drückt auf die Aktienkurse in den USA und Europa.

3. Neuer Chef der mächtigsten Notenbank

Hinzu kommt der Wechsel an der Spitze der US-Notenbank von Janet Yellen zu Jerome Powell. Der Amerikaner wird am 21. März erstmalig die geldpolitische Sitzung leitet – und vermutlich aufgrund der verbesserten Konjunktur- und Inflationsaussichten in den USA den Leitzins weiter anheben.

„Tatsächlich fördern Spekulationen über die zukünftige Ausrichtung der Geldpolitik mit möglichen Eintrübungen am Anleihemarkt eine erhöhte Schwankungsbreite an den Aktienmärkten“, erläutert Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank. Für ihn sind die Märkte nun aus ihrem „Dornröschenschlaf“ aufgewacht. Doch das sieht er positiv: „Konsolidierungen sind prinzipiell als gesund zu betrachten“. Schließlich wird sich seiner Ansicht nach der neue US-Notenbankchef Powell im Zweifel dann doch für den Aktienmarkt entscheiden.

4. Kratzen an der 200-Tage-Linie

Aus charttechnischer Sicht rückt nach dem Kurssturz innerhalb von zwei Tagen nun die 200-Tagelinie beim Dax in den Fokus. Die liegt bei 12.750 Punkten – und damit nicht mehr so weit vom aktuellen Kurs entfernt. Vor allem langfristige Investoren orientieren sich an dieser Kurve, die aus den Kursen der vergangenen 200 Handelstagen gebildet wird. Fällt der Index unter diese Marke, ist das als Warnsignal zu verstehen. Technische Analysten leiten ihre Prognosen im Gegensatz zu den Fundamentalanalysten nicht aus Entwicklungen der Konjunktur und Unternehmen ab, sondern orientieren sich an Kurscharts, Stimmungen und Trends.

Was Anlegern 2018 die Partylaune verderben könnte
Aggressive Zinserhöhungen der US-NotenbankenWegen des kräftigen US-Wachstums könnte die US-Notenbank die Zinsen schneller anheben als gedacht. Analysten rechnen bislang meist damit, dass die Fed den Schlüsselsatz 2018 wie von ihr signalisiert drei Mal anhebt. Eine aggressivere Straffung der Geldpolitik würde die Renditen der Staatsanleihen nach oben treiben, sagt Portfolio-Manager Paul Nolte vom Vermögensverwalter Kingsview. Dadurch würden Bonds zu einer ernstzunehmenden Anlage-Alternative zu Aktien. Quelle: REUTERS
Anstieg der InflationAls möglichen Auslöser für eine raschere Straffung der Geldpolitik sehen Experten einen kräftigen Anstieg der Inflation. "Dies könnte für die Aktien- und Anleihemärkte zu einem Wendepunkt werden", betonen die Analysten der Bank of America Merrill Lynch. In Europa könnte die anziehende Teuerung die Diskussion um einen raschen Ausstieg der Europäischen Zentralbank (EZB) aus ihrem Anleihe-Ankaufprogramm befeuern. Quelle: dapd
WahlenDie für März erwartete Parlamentswahl in Italien ist für Raphael Chemla, Leiter Finanz- und Hochzinsanleihen beim Vermögensverwalter Edmond de Rothschild, das größte politische Risiko in Europa. Ein Sieg der europakritischen Fünf-Sterne-Bewegung würde Anleger nervös machen. In den USA werden im Herbst Teile des Kongresses neu gewählt. "Sollten die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus, im Senat oder in beiden Kammern verlieren, wäre das ein großer Belastungsfaktor für die Märkte", warnt John Praveen, Chef-Anleger des Vermögensberaters Prudential. Denn damit werde es für US-Präsident Donald Trump schwerer, seine Wahlversprechen umzusetzen. Quelle: dpa
Politische SpannungenWiederaufflammende Spannungen zwischen den USA und Nordkorea sowie im Nahen Osten sind nach Ansicht von Keith Leiner, Chef-Analyst des Vermögensverwalters SunTrust, ebenfalls große politische Risikofaktoren für die Aktienmärkte. "Außerdem schwingt das Pendel weltweit in Richtung Populismus und Nationalismus." Quelle: dpa
Überzogene BewertungenViele Firmen erhoffen sich zwar durch die jüngst beschlossenen US-Steuersenkungen zusätzliche Gewinne im kommenden Jahr. Einige Experten bezweifeln jedoch, dass der Anstieg ausreicht, um die bereits hohen Aktienbewertungen zu rechtfertigen. Im US-Index S&P 500 liegt das durchschnittliche Kurs/Gewinn-Verhältnis (KGV) bei 18,5. Das bedeutet, dass der Aktienkurs den Gewinn je Aktie um das 18,5-fache übertrifft. Das ist der höchste Wert seit 2002. Im Dax liegt das KGV mit 16,2 ebenfalls über dem langjährigen Mittel von rund 15. Das Risikobarometer der Citigroup signalisiere eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit eines Rückgangs der Aktienkurse 2018, sagt Tobias Levkovich, Chef-Anlagestratege für die USA bei der Großbank. Quelle: AP
Turbulenzen bei Bitcoin & Co.Die große Unbekannte für die Aktienmärkte ist die Entwicklung des Bitcoin. Der Kurs der Cyber-Devise stieg bis Mitte Dezember 2017 auf fast 20.000 Dollar. Diese Aufwärtsdynamik verpuffte jedoch im neuen Jahr, der Bitcoin fiel wieder auf rund 7000 Dollar. Mitte Februar notierte die Kryptowährung wieder um die 10.000 Dollar. Die Schwankungen spiegeln wider, dass große Unsicherheit unter den Anlegern herrscht und immer mehr professionelle Anleger auf dem engen Markt mitmischen, die ihr Portfolio jenseits des Aktienmarktes breiter aufstellen wollen. Quelle: REUTERS

Ausblick dennoch vorsichtig positiv

Grundsätzlich ist der Aktienmarkt für die meisten Experten aber dennoch in solider Verfassung. Sie stützen ihre positive Einschätzung unter anderem darauf, dass die europäischen Unternehmen am Anfang der Berichtssaison stehen und über ihr vergangenes Geschäftsjahr berichten.

„Wir erwarten keinen größeren Einbruch an dieser Stelle, da der solide weltweite Konjunkturaufschwung weiterhin unterstützend wirkt“, meinen beispielsweise die Analysten der Weberbank. „Daher trübt auch das aktuelle Durchschnaufen an den europäischen Märkten die guten Aussichten nicht. Im Gegenteil, es sollte für strategische Käufe genutzt werden.“

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