Und Minirenditen belasten auch andere Anlageklassen. Lebensversicherer legen einen Gutteil der Kundengelder in Staatspapiere an; sie werden Schwierigkeiten bekommen, die Garantiezinsen zu zahlen. Andere Vorsorgeprodukte sind ebenfalls betroffen. „Die Renditen von Riester-Renten sind fast ebenso niedrig wie die von Bundesanleihen“, sagt Jochen Felsenheimer, Geschäftsführer der Fondsgesellschaft Xaia.
Auch Unternehmensanleihen bringen nur noch mikroskopisch kleine Renditen. Daimler, BMW und Volkswagen etwa müssen derzeit für ihre Anleihen lediglich rund zwei Prozent Zinsen bieten.
Der Niedrigzins-Trend könnte sehr lange anhalten. „Wir sehen viele Parallelen zu Japan. Dort sind die Renditen von Staatsanleihen bereits seit 20 Jahren extrem niedrig“, sagt Felsenheimer.
Zu der Misere beigetragen haben ganz wesentlich die Gesetzgeber, die die Finanzmärkte sicherer machen wollen. Im Visier haben die Regulatoren vor allem CDS und andere Derivate, die als Brandbeschleuniger der globalen Finanzkrise wirkten. Mit CDS (Credit Default Swaps) sichern Investoren gegen Zahlung einer Prämie ihre Kreditpapiere vor Pleiten ab. Die europäische EMIR-Richtlinie („European Market Infrastructure Regulation) soll die Geschäfte mit den brisanten Finanzprodukten in Europa entschärfen. Der Handel mit bestimmten standardisierten Derivaten soll künftig über Clearinghäuser abgewickelt werden, etwa die Deutsche-Börse-Tochter Eurex Clearing, die Londoner LCH Clearnet oder, als weltweite Marktführer, mehrere Töchter der US-Börse ICE.
Neues Clearinghaus
Bisher findet der Derivatehandel überwiegend unmittelbar zwischen den Banken und anderen Marktteilnehmern statt. Die neue Regulierung schaltet ein Clearinghaus dazwischen. Es soll einspringen, wenn einer der Geschäftspartner ausfällt. Muss etwa der Käufer eines CDS die damit erworbene Kreditversicherung in Anspruch nehmen, zahlt die Clearingstelle, falls der Verkäufer in der Zwischenzeit Bankrott gemacht hat. Damit soll ein neuer Fall Lehman verhindert werden, der 2008 die globale Finanzkrise auslöste. Die New Yorker Investmentbank hatte eine riesige Menge an hochriskanten Schuldverschreibungen (CDO) begeben, die viele Investoren wiederum mit CDS des amerikanischen Versicherungskonzerns AIG abgesichert hatten. Nachdem Lehman Insolvenz angemeldet hatte, geriet auch AIG ins Trudeln und musste von der US-Regierung gerettet werden.
Hätte es damals bereits eine Regulierung wie EMIR gegeben, hätte ein Clearinghaus die Schäden abgedeckt, die AIG durch den Lehman-Bankrott entstanden waren. In den USA ist das obligatorische Clearing nach der Verabschiedung des Dodd-Frank-Gesetzes mittlerweile angelaufen. In Europa wird es noch geraume Zeit dauern, bis der Derivatehandel komplett über Clearinghäuser abgewickelt wird. Als Erstes wird das verpflichtende Clearing voraussichtlich Anfang 2014 für CDS und Zins-Swaps eingeführt, später sollen Währungs-Swaps und andere, noch komplexere Derivate folgen.
Damit die Clearinghäuser für die Geschäfte ihrer Marktteilnehmer garantieren können, müssen diese ihnen Sicherheiten stellen, sogenannte Margins. Die Clearinghäuser füllen mit diesen Geldern einen Topf, auf den sie bei einer Pleite schnell zurückgreifen können. In ihm dürfen sich nur Vermögenswerte befinden, die sich im Notfall rasch versilbern lassen.