Londoner Börsenchef Rolet "Sieht aus, als sei meine Pensionierung verschoben“

Die London Stock Exchange (LSE) bereitet sich auf ihre Zukunft ohne die Deutsche Börse vor, obwohl sie offiziell weiter an der Megafusion festhält. Die Kosten für die Vorbereitung auf die deutsch-britische Hochzeit kamen der LSE teuer zu stehen, sie drückten den Vorsteuergewinn.

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Xavier-Rolet Quelle: REUTERS

Zum ersten Mal, seit die Londoner Börse am vergangenen Sonntag um kurz vor Mitternacht den Stecker zog und mit einer scharf formulierten Ad-hoc-Meldung die vor einem Jahr angekündigten Fusionsabsichten zwischen der Deutschen Börse und der London Stock Exchange (LSE) de facto zu Fall brachte, äußerte sich deren Chef Xavier Rolet offiziell zu den dramatischen Ereignissen der vergangenen Tage. Er machte dabei klar, dass der Streit um die Sitzfrage der neuen Megabörse den Deal gekillt haben dürfte. Denn auf die Frage der WirtschaftsWoche, ob es hier Flexibilität gebe, betonte er, sowohl die Sitzfrage als auch die Festlegung, dass der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Börse auch Chef der fusionierten Börsenbetreiber werden solle, seien Teil der festgeschriebenen Rahmenvereinbarungen für den Zusammenschluss: „Keine dieser Bedingungen kann geändert werden“.

Ein Prestigeprojekt droht zu scheitern: Auch im dritten Anlauf sieht es nicht gut aus für die geplante Fusion der Börsen in Frankfurt und London. Wieder einmal könnten zu hohe Hürden aus Brüssel den Ausschlag geben.

Zugleich kritisierte Rolet mit einem indirekten Seitenhieb auf die hessische Landesregierung im Zusammenhang mit der geplanten Megafusion Argumente, die von nationalen Überlegungen getrieben seien. Der Brexit-Volksentscheid der Briten im Juni 2016 hatte in Hessen eine heftige Diskussion um den Standort der künftigen Dachgesellschaft TopCo ausgelöst; auch nach Ansicht der Finanzaufsicht Bafin wäre es unmöglich, den Sitz der neuen Megabörse in einem Land zu verankern, das bald nicht mehr Teil der Europäischen Union sein wird. In jüngster Zeit hatte selbst in Großbritannien der politische Widerstand gegen die Fusion zugenommen, da die britischen Euroskeptiker fürchteten, die britische Traditionsbörse könnte von Frankfurt dominiert werden.

Bis zur Entscheidung der EU-Kommission, die bis 3. April erwartet wird, hält die LSE offiziell an der geplanten Börsenhochzeit fest: „Wir arbeiten weiter hart am Zusammenschluss“, sagt das Management. Allerdings hatte die LSE sich geweigert, die kurzfristig erhobenen Forderungen der EU-Wettbewerbshüter zu erfüllen und ihre Mehrheitsbeteiligung an der italienischen Tochter MTS zu verkaufen. Diese Vorgabe der EU sei „unverhältnismäßig“, so die LSE am Sonntag.

Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter steht vor einem Trümmerhaufen: Die Londoner Börse hat offenbar die Lust an dem Zusammenschluss verloren, der Deal ist so gut wie geplatzt. Zeit für einen Neuanfang. 
von Annina Reimann

Gleichzeitig erklärte sie, damit sei die Zustimmung der EU zu dem geplanten Deal „sehr unwahrscheinlich“ geworden – eine Formulierung, die Rolet am heutigen Freitag ausdrücklich nicht zurücknehmen wollte.

Unbehagen hatten bei der LSE auch die laufenden Ermittlungen gegen Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter wegen angeblichen Insiderhandels ausgelöst. Auf Frage der WirtschaftsWoche, ob Kengeter unter diesen Umständen überhaupt als Chef der geplanten Megabörse in Frage komme, antwortet Rolet ausweichend: „Ich kann das wirklich nicht kommentieren“. Im Gegensatz dazu hatten Aufsichtsrat und Vorstand der Deutschen Börse Kengeter kürzlich das Vertrauen ausgesprochen. Rolet, der eigentlich nach der Börsenhochzeit zurücktreten wollte, bleibt offenbar weiter an der Spitze der LSE. „Sieht so aus, als sei meine Pensionierung verschoben worden“, erklärte er lakonisch.

Im vergangenen Jahr hatte die LSE einen um sechs Prozent höheren Betriebsgewinn von 426,1 Millionen Pfund erzielt, doch die Kosten für die Vorbereitung der deutsch-britischen Megahochzeit haben Spuren in der LSE-Bilanz hinterlassen: Der konsolidierte Vorsteuergewinn ging 2016 auf 193 Millionen Pfund zurück, nachdem er im Vorjahr noch 357 Millionen Pfund betragen hatte. Die Börse begründete das mit den Fusionskosten und höheren Steuerzahlungen. Zur Entschädigung bietet die LSE ihren Aktionären allerdings für das Gesamtjahr eine um 20 Prozent höhere Dividende von 43,2 Pence an – eine Maßnahme, die sie mit einem guten Ausblick auf die künftigen Geschäfte der Gruppe begründete.

Die LSE-Gruppe erzielte insgesamt ein Umsatzplus von 14 Prozent auf 1,5 Milliarden Pfund und entsprach damit den Erwartungen der Analysten, die mit 1,56 Milliarden gerechnet hatten. „Alle Sparten haben zum Wachstum beigetragen“, sagte Rolet. Der Konzern bleibe in sämtlichen Geschäftsbereichen gut aufgestellt. Im Hinblick auf die Zukunft ohne die Deutsche Börse erklärte er, einen Plan B,C,D oder E gebe es nicht – die LSE werde mit ihrer bisherigen Strategie fortfahren.

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