Hedgefondsmanager klingt verwegen. Für seine Visitenkarte wählt der 30-jährige Ufuk Boydak deshalb lieber die Bezeichnung „Vorstand“. In der Funktion steuert er von Frankfurt aus für die Vermögensverwaltung Loys 280 Millionen Euro nach Art eines Hedgefonds.
Hedgefonds können in Erwartung fallender Kurse auch Aktien verkaufen, die sie sich geliehen haben. „Short“ gehen, nennen Börsianer das. Ein traditioneller Fondsmanager kann hingegen nur „long“ sein, also Aktien kaufen und auf steigende Kurse bauen. Manche greifen sich für ihre „Shorts“ Aktien heraus, die sie für heillos überteuert halten, und hoffen, dass der Markt das auch irgendwann erkennt. Boydak ist beim Loys Global L/S in 90 ausgewählten Aktien long und sichert dieses Depot durch Termingeschäfte (Futures) ab: Er schließt Geschäfte ab, mit denen er später zu jetzt festgelegten Konditionen einen Aktienindex kaufen oder verkaufen kann. Hat Boydak sich ein Verkaufsrecht zum fixen Preis gesichert, wird dieses wertvoller, wenn der Aktienmarkt sinkt. Mit dem Ertrag aus solchen Geschäften kann er bestenfalls die Verluste mit Long-Positionen auffangen. „Der Fonds soll dem Anleger bei moderaten Kursbewegungen etwa drei bis fünf Prozent Rendite bringen“, sagt Boydak.
Mit einem solchen Anspruch werben immer mehr Produkte, die sich Long-Short- oder auch Absolute-Return-Fonds nennen. Aber kann es funktionieren, gleichzeitig Gaspedal und Bremse zu treten? Das Aktienrisiko also ausgerechnet mit Aktienstrategien zu verringern?
Die kurze Antwort: Es kann funktionieren. Die Strategie ist seit Jahrzehnten erprobt. Die längere Antwort: Es funktioniert längst nicht immer. Dieses Jahr etwa liefen die in Deutschland angebotenen Fonds mies. Von 163 Long-Short-Fonds für europäische Aktien haben nach Zahlen des Datendienstleisters Morningstar nur elf in den ersten sechs Monaten ein Plus erzielt.
„Extrem frustrierend“ nannte der renommierte Fondsmanager Nicolas Walewski von Alken Asset Management die Lage jüngst in einer Telefonkonferenz. Seine Stimme klang brüchig. Der von ihm geführte Absolute-Return-Fonds hat dieses Jahr 18 Prozent verloren – ein Fiasko.
Dabei gab es genug Kursbewegung für gewiefte Strategien: Im Dax steht Adidas 40 Prozent über dem Jahresstart, während die Deutsche Bank 45 Prozent verloren hat. Doch nur wenige Fondsmanager haben profitiert. Zwar haben Long-Short-Fonds im Schnitt weniger verloren als klassische Europa-Aktienfonds. Bei denen liegen von 637 Portfolios nur fünf im Plus. Gemessen am Versprechen, unter allen Marktbedingungen Geld zu verdienen, haben sie dennoch enttäuscht. Das hätte ein weniger ausgefeiltes Portfolio aus 50 Prozent Aktien global und 50 Prozent Euro-Anleihen mit zwei Prozent plus dieses Jahr besser gemacht.
Hohe Kosten, wenig Leistung
Das Werbeversprechen einer marktunabhängigen Rendite könnten Long-Short-Fonds nur in normalen Zeiten erfüllen, wenn Kurse sich auf Basis von Geschäftszahlen wie Umsatz und Gewinn bewegten, sagt Karl-Heinz Thielmann, Chef der Beratung Long-Term-Investing-Research. „Drehen die Märkte aber komplett durch, wie zuletzt beim Brexit-Event oder etwa Anfang des Jahres, bekommen Long-Short-Fonds Probleme.“
Tatsächlich traf der erste Schock manchen Fonds dieses Jahr schon im Januar. „Der Markt ging wahllos nach unten, selbst die Aktien guter und günstig bewerteter Unternehmen wurden massiv verkauft. Dann zog der gesamte Markt nach oben“, sagt Dachfondsmanager Eckhard Sauren. In der Zickzackphase haben Fonds auf der Long- sowie auf der Short-Seite Geld versenkt. Von einem Manager hörte Sauren, dass die Gewinnschätzungen bei den Unternehmen, bei denen er auf fallende Kurse gesetzt hatte, im ersten Quartal um 13 Prozent schlechter ausgefallen seien. Dessen Skepsis war also berechtigt. Einziges Problem: Ihre Aktienkurse waren trotzdem um 15 Prozent gestiegen. „Die letzten Monate waren für die Fonds schwierig, weil sich zum Beispiel Aktien im Energiebereich trotz schwacher Fundamentaldaten stark erholt haben“, sagt Stephen Julen, Dachfondsmanager bei Credit Suisse in Zürich. Auch in guten Börsenjahren – etwa bis 2015, getrieben durch die expansive Geldpolitik – sind die Fonds die Verlierer, weil ihre Short-Positionen dann bremsen (siehe Chart).
Strategien für eine verrückte Anlagewelt
Treue Fans kümmert das kaum. Sauren steht stoisch zu den Managern, die er in seinen Dachfonds einsetzt: „Ich zweifle nicht an der Kompetenz der Manager und an ihren analytischen Fähigkeiten, vielmehr sehe ich, dass die Märkte derzeit wenig von fundamentalen Aspekten bestimmt werden.“
So geht es vielen. Deshalb bleiben Hedgefonds auch in Depots von Superreichen ein wichtiger Baustein. HQ Trust, der Vermögensmanager der Nachfahren vom Industriellen Harald Quandt, investiert zum Beispiel noch immer ein Fünftel in Hedgefondsstrategien.
Andere Großanleger, wie Universitäten und Stiftungen, sind angesichts der mageren Erträge aber ausgestiegen. Zu viele der Fonds seien „One-hit-wonders“ gewesen, die nach ein paar Erfolgsjahren in der Versenkung verschwunden sind, sagt Thielmann. Er hält Hedgefonds im Massengeschäft für gescheitert. „Es hat sich ein groteskes Missverhältnis zwischen der Leistung der Manager und ihrer Bezahlung entwickelt.“
Long-Short-Varianten für Privatanleger kosten häufig über zwei Prozent jährlich, dazu kommen üppige erfolgsabhängige Gebühren in guten Jahren. Die so eingestrichenen Honorare rücken die Manager in späteren schlechten Jahren natürlich nicht raus.
Erfolgreiche Portfolios sind durch hohe Mindestanlagesummen Großanlegern vorbehalten. Fonds, die seit Jahren gut laufen, wie der Ennismore European Smaller Companies, der Blackrock European Absolute Return oder Nordea Stable Equity Long-Short, sind für Neuanleger geschlossen, damit die Strategie nicht unter einem zu hohen Fondsvolumen leidet.
Privatanleger könnten das Kapitel Hedgefonds damit eigentlich abhaken, gäbe es nicht ein Szenario, in dem die Fonds wieder auferstehen könnten: die Zinswende. Ähnlich wie 1996, 1999, 2009 und 2013 sollten die Hedgefonds im Umfeld steigender Zinsen ihre Stärken ausspielen können, hoffen viele.
Derzeit beliebte Mischfonds hingegen, in die Privatanleger Milliarden investiert haben, könnten dann unter die Räder kommen. „Drehen die Zinsen, bieten Mischfonds doppeltes Risiko, weil man mit gleichzeitig fallenden Aktien- und Anleihekursen rechnen muss“, meint Boydak. Schon jetzt haben sie Probleme, weil mager rentierende Zinsinvestments keinen Puffer bieten, mit dem Aktienverluste aufgefangen werden könnten.
Völlig ausgeschlossen ist eine Zinswende nicht. Zinsoptimisten gehen davon aus, dass steigende Rohstoffpreise erst die Inflation treiben, die dann zu höheren Zinsen führen würde. Noch ist davon wenig zu sehen. Die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen sinken weiter.
Anleger, die sich trotzdem mit einem Long-Short-Fonds wappnen wollen, sollten sich an bewährte Manager halten: John Bennett (Henderson, siehe Tabelle), Graham Clapp (Pensato) oder James Clunie (Jupiter) etwa. Auch Boydak ist schon seit sieben Jahren im Geschäft. Er arbeitet zusammen mit Christoph Bruns, der in den Neunzigern bei Union Investment globale Milliardenvermögen managte. Boydak hat sein Aktiendepot derzeit zu 70 Prozent abgesichert.
Selbst ohne Zinswende könnte das zum Vorteil werden, wenn sich die Kursverluste nach dem Brexit-Votum zum echten Crash auswachsen sollten. Henderson-Manager Bennett sieht Europas Aktienmärkte „auf Niveaus, die nur gerechtfertigt sind, wenn es nicht zu einer Rezession oder weiteren Turbulenzen kommen wird“. Long-Short-Manager werden sich so schnell nicht unterkriegen lassen.