Das Börsenjahr lief in Deutschland bisher trotz rekordniedriger Zinsen mäßig. Im Frühjahr lasteten diffuse Konjunkturängste auf den Kursen und im Sommer brachte die EU-Austritts-Entscheidung der Briten zwar effektiv keine herben Kursverluste, aber jede Menge Schwankungen über Anleger. Seit Jahresbeginn liegt der Dax knapp drei Prozent im Minus, der kleine Bruder MDax magere zweieinhalb im Plus. Ausreißer nach oben sind die Ausnahme; nur eine von sechs Aktien auf dem deutschen Kurszettel mit wenigstens 50 Millionen Euro Börsenwert gewann seit dem 1. Januar mehr als zwanzig Prozent.
Eine davon ist die Lotto24 AG. Die Hamburger vermitteln online Lottospieler an die staatlichen Lotteriegesellschaften und kassieren dafür Provisionen.
Das Prinzip funktioniert so: Der Spieler gibt seinen Tippschein bei Lotto24 ab und zahlt seinen Einsatz. Lotto24 zwackt eine Gebühr ab und leitet den Einsatz weiter an eine der 16 staatlichen Lotteriegesellschaften. Die richten die Lotterie aus und zahlen dem Spieler im Erfolgsfall auch seinen Gewinn aus. Eine Million Kunden spielen nach Unternehmensangaben inzwischen über die Website von Lotto24. Den jüngsten größeren Gewinn strich im Juli ein 54-Jähriger aus Baden-Württemberg ein. Er gewann knapp eine Million Euro.
Auch für Anleger war Lotto24 zuletzt ein Glücksfall, seit Anfang 2015 hat sich der Kurs verdoppelt und markierte Ende Juli ein vorläufiges Allzeithoch in der vierjährigen Börsengeschichte. Doch operativ läuft längst noch nicht alles so glatt wie an der Börse. Im vergangenen Jahr machte das Unternehmen wegen hoher Marketingkosten nahezu so viel Verlust wie Umsatz. In den vergangenen drei Jahren mussten sich die Hamburger daher dreimal über die Ausgabe von neuen Aktien Geld beschaffen.
Auch in diesem Jahr werden unter dem Strich wohl erneut Verluste stehen. Nochmal die Investoren anzapfen will Chefin Petra von Strombeck deshalb aber nicht, wie sie im Interview mit unserer Redaktion verrät. Außerdem erzählt sie, wie sie der Konkurrenz aus dem Ausland begegnen will und wieso Online-Lotto trotz strikter staatlicher Regulierung für Anleger ein interessanter Markt sein soll.
Online-Käufer von Sportwetten und Lottospielen
Für die Inanspruchnahmen von Dienstleistungen sind Online-Plattformen gefragt wie nie. Dieser Trend macht auch bei Wetten keinen Halt. 2013 haben 2,01 Millionen Menschen Sportwetten über das Internet abgeschlossen oder online Lotto gespielt.
Quelle: IfD Allensbach
Die Tendenz ist steigend. Ein Jahr später (2014) haben bereits 2,5 Millionen User ihr Glück online versucht.
Im vergangenen Jahr haben sogar noch mehr Menschen online Lotto gespielt oder Sportwetten abgeschlossen - nämlich 3,06 Millionen in ganz Deutschland.
WirtschaftsWoche: Frau von Strombeck, Ihr Unternehmen vermittelt online Tippscheine für ein gut 60 Jahre altes Spiel, das sich seit Jahrzehnten nicht verändert. Der Lotto-Markt wächst kaum und ist stark reguliert. Nicht unbedingt ein attraktives Umfeld für Anleger. Warum soll ich trotzdem bei Lotto24 investieren?
Petra von Strombeck: Der Lotto-Markt ist sieben Milliarden Euro groß. Er stagniert zwar, das ist richtig. Aber der Online-Anteil am großen Kuchen wächst rasant, denn bis 2012 war das Online-Lottospiel hierzulande komplett verboten. Dank dieser Aufholjagd sind wir in Deutschland inzwischen mit weitem Abstand Marktführer.
Mikroskopische Probleme und viele Möglichkeiten
Als Lotto-Vermittler ist Lotto24 von staatlichen Genehmigungen abhängig. Ihre aktuelle Genehmigung für die Vermittlung von Glücksspielen läuft bis zum kommenden Jahr. Wie können sich Investoren sicher sein, dass Sie wieder eine erhalten?
Wir sind mit den Behörden in gutem Kontakt, halten uns an alle Regeln und gehen daher fest davon aus, dass wir wieder eine Genehmigung erhalten werden. Ab Ende des Jahres werden wir uns intensiv um eine Verlängerung der aktuellen bemühen und dann am Ball bleiben bis 2017.
Zwischen 2009 und 2012 war das Vermitteln von Online-Glücksspiel in Deutschland komplett verboten. Was, wenn so ein Verbot wiederkommt?
Die Wahrscheinlichkeit, dass es wieder ein Komplett-Verbot gibt wie damals, ist mikroskopisch gering. Dem ganzen Markt wurde die Geschäftsgrundlage entzogen, Unternehmen und Arbeitsplätze sind ins Ausland abgewandert, der Lottomarkt ist um ein bis zwei Milliarden Euro geschrumpft. Das ist ja Geld, das zum großen Teil in öffentlichen Kassen fehlte. Insofern hat der Gesetzgeber keinen Anreiz, den Fehler von damals zu wiederholen. Damit würde er sich letztendlich nur selbst schaden.
Sie vermitteln online Lottoscheine, aber auf das Endprodukt – nämlich die Lotterie - haben Sie keinen Einfluss. Das liegt in den Händen der staatlichen Lotteriegesellschaft. Ein Nachteil?
Man kann den Spieß auch herumdrehen: Wir verkaufen ein Produkt, das jeder kennt, was ja auch ein Riesenvorteil ist. Vom Wettbewerb abheben können wir uns übrigens auch – etwa durch eine hohe Nutzerfreundlichkeit, einen schnellen und freundlichen Kundenservice oder abwechslungsreiche Spiel-Varianten. Bei uns können Sie zum Beispiel ganz einfach in Gruppen spielen und so Ihre Gewinnchancen erhöhen.
Auch Webseiten im Ausland bieten Spiele auf die deutsche Lottoziehung an und können Sie bei den Preisen unterbieten. Wie begegnen Sie dieser Konkurrenz?
Die Scheingebühren sind bei allen Anbietern ähnlich hoch. Wir orientieren uns am Durchschnitt der Scheingebühren der 16 deutschen Landeslotteriegesellschaften. Ob sie über ausländische Anbieter spielen oder über uns macht also für den Spieler keinen erheblichen Preisunterschied. Aber sie haben bei ausländischen Anbietern, sogenannten Zweitlotterien, keine Gewinnsicherheit. Dort wird ja nur so getan, als spielten die Spieler in der deutschen Lotterie, obgleich sie tatsächlich nur auf deren Ausgang wetten. In Wahrheit haften die Wettanbieter selbst für die Ausschüttung und nicht die deutsche Lotteriegesellschaft. Dieses Risiko haben Spieler bei uns nicht, weil wir nur Spiele der Lotteriegesellschaft vermitteln.
Nummer eins sein und bleiben
Aktuell haben Sie mehr als eine Million registrierte Kunden. Wie groß ist der adressierbare Markt für Sie?
Wir gehen davon aus, dass jeder zweite erwachsene Deutsche wenigstens einmal im Jahr Lotto spielt. Das sind ungefähr 33 Millionen Menschen. Andere Branchen wie Musikstreaming oder auch Bankdienstleistungen zeigen, dass langfristig etwa die Hälfte des Geschäfts online abgewickelt wird. Auch beim Lotto ist das möglich, das zeigt etwa das Beispiel Finnland. Für uns bedeutet das also 16,5 Millionen potenzielle Kunden.
Sind für Sie auch andere Geschäftsbereiche als Lotto denkbar? Im Februar hat der EuGH private Sportwetten in Deutschland für legal erklärt.
Wir beleuchten jedes Segment einzeln, auch Sportwetten. Aber dieser Markt ist mit riesigen Anbietern besetzt, die Margen sind wegen des hohen Wettbewerbsdrucks klein. Außerdem schauen wir auch darauf, wo sich Synergien mit unserem bestehenden Lottogeschäft ergeben. Bei Sportwetten gibt es geringe Synergien, zumal wir die Produkte nicht auf der gleichen Website anbieten dürften wie unsere Lottoprodukte. Dass wir uns dort engagieren, ist deshalb auf absehbare Zeit eher unwahrscheinlich.
Lotto am Mittwoch: Wie häufig die Deutschen auf das Glücksspiel setzen
In einer stichprobenartigen Umfrage wurden 2015 insgesamt 23.090 Personen ab 14 Jahren gefragt, wie oft sie Lotto am Mittwoch spielen. Die Ergebnisse im Überblick.
Quelle: IFAK; Ipsos; GfK Media and Communication;
0,83 Millionen Personen machten keine Angabe zu ihrem Spielverhalten.
1,18 Millionen Deutsche setzen lediglich einmal in einem halben Jahr auf das Glücksspiel.
1,8 Millionen Menschen versuchen immerhin einmal alle drei Monate ihr Glück bei der Lotto-Ziehung am Mittwoch.
Etwas häufiger - nämlich einmal im Monat - spielen 2,01 Millionen Deutsche Lotto am Mittwoch.
Auch wenn nicht jede Woche: 2,22 Millionen Personen spielten im vergangenen Jahr mindestens zwei Mal pro Monat Lotto am Mittwoch.
Deutlich mehr Umfrageteilnehmer gaben an, nur "selten" Lotto am Mittwoch zu spielen. Laut Hochrechnung war das im Jahr 2015 bei 4,92 Millionen Deutschen der Fall.
Im vergangenen Jahr spielten hochgerechnet 6,44 Millionen Menschen wöchentlich Lotto am Mittwoch.
Die große Mehrheit der Deutschen (49,85 Millionen) hat 2015 ganz auf das Glücksspiel verzichtet und spielte - nach eigenen Angaben - nie.
Apropos absehbare Zeit: Im Oktober 2015 sagten Sie, in absehbarer Zeit profitabel sein zu wollen. Wie sieht es da aus?
Wir könnten schon jetzt profitabel sein, wenn wir die Marketingkosten drastisch senken würden. Aktuell wollen wir uns aber im wachsenden Online-Lotteriemarkt auch auf unser Wachstum konzentrieren. Schließlich ist es wie in allen eCommerce-Märkten sehr wichtig, die Nummer eins zu sein und zu bleiben.
Aktuell verbrennt Lotto24 Geld, 2015 stand bei 13,5 Millionen Euro Umsatz 10,8 Millionen Nettoverlust. In den vergangenen drei Jahren haben Sie jeweils neue Aktien ausgegeben, um sich frisches Kapital zu beschaffen. Müssen Aktionäre mit weiteren Kapitalerhöhungen rechnen?
Grundsätzlich wollen wir ohne weitere Kapitalmaßnahme auskommen. Aber: Komplett ausschließen will ich das auch nicht. Stellen Sie sich vor, es gäbe bald eine Rekord-Jackpot-Serie, mit der Möglichkeit, sehr viele günstige neue Kunden zu gewinnen. Wenn große Jackpots ausgespielt werden, steigt das Interesse an Lotto. In einer solchen Situation möchte ich auch finanziell dazu in der Lage sein, die Opportunität zu nutzen, das Marketing auszubauen und möglichst viele Spieler von uns zu überzeugen. Insofern bleiben wir flexibel.
Angenommen, Sie erhöhen noch einmal das Kapital. Sind dann Privatanleger wieder außen vor wie bei den letzten Malen?
Bei den vergangenen Kapitalerhöhungen war es für uns vorteilhaft, die Aktien bestehenden Großinvestoren anzubieten. Wir haben so einen Aufschlag auf den letzten Aktienkurs bekommen und uns den Aufwand für einen Wertpapierprospekt gespart. Aber nochmal: Aktuell haben wir keine Kapitalerhöhung geplant.