Märkte nach dem Brexit Noch keine Schnäppchenkurse im Dax

Auf welchen Niveaus die 30 Papiere im deutschen Elite-Index wirklich billig wären.

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Händler an der Börse in Frankfurt Quelle: REUTERS

Zwischenzeitlich fast 30 Prozent unter ihrem Hoch vom April 2015 und ebenso viel unter dem Hoch vom März 2000 lagen die Kurse des Deutschen Aktienindex am Freitag nach dem Brexit. Zumindest dann, wenn man den Dax als reinen Kursindex betrachtet, ohne reinvestierte Dividenden. Diese Betrachtung gibt eigentlich einen besseren Aufschluss und zeigt, dass sich gerade für Langfristanleger Gelegenheiten bieten dürften, wenn die Kurse noch weiter rutschen sollten. Doch wie und wann auch immer der Dax sein Tief findet, sind nicht alle 30 Dax-Werte gleichzeitig auf dem tiefsten Punkt.

Anleger müssen auf die Einzelwerte schauen. Denn unabhängig vom Indexstand werden die einzelnen Dax-Titel auf individuellen Kursniveaus langfristig sehr attraktiv. Wir loten für Sie aus, bei welchen Kursen einzelne Dax-Papiere zu Schnäppchenpreisen zu haben wären und welche Dax-Aktien vor allem konservative Anleger lieber komplett meiden sollten:

Adidas: Die Aktie ist nach der jüngsten Rally deutlich zu teuer. Zudem könnte es sein, dass sich angesichts der zahllosen Skandale in den Kernsportarten Verbraucher auch mit Neukäufen von Trikots, Schlägern und Schuhen zurückhalten. Erst zwischen 60 und 65 Euro wirklich übermäßig billig.

Allianz: An der Aktie gibt es schon auf aktuellem Niveau nicht viel zu meckern; ist als Marktführer gegen die Niedrigzinsphase am besten gewappnet, zudem politisch sakrosankt. Allerdings kann sich der Finanzwert dem Brexitsog schwer entziehen. Zwischen 100 und 120 Euro einsammeln.

BASF: Die Ludwigshafener enttäuschten in den vergangenen Monaten auf ganzer Linie. Dürfte in einem schwachen Markt weiter deutlich nachgeben. Die gute Dividende rettet vorerst wenig. Sexy wären Kurse zwischen 40 und 45 Euro.

Bayer: Wurde jahrelang hochgejazzt. Äußerst bedenkliche abschreibungsgefährdete Positionen nach überzogener Einkaufstour wegen hoher bezahlte Übernahmeprämien (Goodwill). Auch nach 40 Prozent Kursverlust noch zu teuer, zumal die Monsanto-Übernahme eine Last wäre. Kurse von 60 bis 70 Euro könnten einladend sein, falls der Monsanto-Deal nichts wird.

Beiersdorf: Hat eine blitzsaubere Bilanz. Bei einem weiteren panikartigen Ausverkauf könnte aber auch Beiersdorf noch billiger als aktuell werden. Zwischen 60 und 65 Euro gute Langfristchance.

BMW: Mit die beste Unternehmensführung im Dax, sehr gute Bilanzqualität und beim E-Auto unter deutschen Herstellern die Nase vorn. Schon jetzt fast ein Kauf. Spätestens zwischen 62 und 66 Euro einsteigen.

Das sagen Ökonomen zum Brexit-Entscheid

Commerzbank: Zweifellos eine der uninteressantesten Aktien auf dem deutschen Kurszettel. Crashkurse sind da was für Zocker, nicht für Anleger. Meiden, kein Shareholdervalue in Sicht.

Continental: Exzellent und zukunftsfähig aufgestellt, allerdings noch nicht günstig genug. Bei weiteren Absackern in Tranchen einsammeln. Erste Tranche um 155, zweite um 125 Euro.

Daimler: Die Stuttgarter präsentieren überzeugende Zahlen am laufenden Band. Die Aktie ist schon jetzt unterbewertet, könnte sich aber einem weiteren Dax-Einbruch nicht entziehen. Bei noch einmal deutlich niedrigeren Kursen sollte es sich langfristig lohnen, auch eine große Position einzugehen. 45 bis 50 Euro wären Schnäppchenkurse.

Deutsche Bank: Zahlt nach Rekordminus voraussichtlich frühestens 2018 wieder Dividende. Tiefe Kurse lassen noch Leichen im Derivatebuch vermuten, zudem Milliardenkosten aus Prozessen. Der geplante Verkauf der Postbank stockt. Bei einer weiteren Halbierung etwas für Zocker.

Deutsche Börse: Die Aktien sind als Beimischung im jedem Depot gut geeignet, aber auch kein sicherer Hafen im Crash. Zumal die Fusion mit der Londoner Börse auf dem Prüfstand stehen dürfte. Niedrigere Kurse abwarten und dann gestaffelt einsteigen. Erste Tranche um 60 Euro, zweite um 50 Euro.

Deutsche Post: Das nicht zyklische und für Verbraucher teure Briefgeschäft rettet die Zyklik in der Logistik nur zu einem geringen Teil. Trotz Kursrutsch noch zu hohe Gewinnbewertung, zumal hohes Großbritannienengagement weiter belasten dürfte. Schnäppchenkurse bei 12 Euro.

Deutsche Telekom: Cashflows sollten relativ stabil bleiben und deshalb Bewertung nicht allzu massiv nachgeben. Finanzkrisen-Kurstiefs von unter acht Euro werden diesmal nicht erreicht. Bei 12 bis 13 Euro einsammeln.

E.On: Fundamental nicht bewertbar, solange die Atomlastenfrage nicht endgültig geklärt ist. Spekulanten kaufen oberhalb des 2015er-Tiefs und setzen bis auf weiteres auf das Prinzip Hoffnung und den Steuerzahler. Spekulativ um 7,50 Euro kaufen mit Stopp 6,90.

Viele Dax-Unternehmen sind noch keine Schnäppchen

Fresenius: Unternehmenswert (Börsenwert plus Schulden) ist weit stärker gewachsen als das Unternehmen selbst. Deshalb große Absturzgefahr im Crash trotz nicht zyklischer Geschäfte. Gute Einstiegskurse erst bei 30 bis 35 Euro.

Fresenius Medical Care: Jahrelange Gewinnstagnation wurde von Investoren mit immer höheren Kursen belohnt. Das müsste sich rächen, zumal der für das Dialysegeschäft wichtige US-Gesundheitssektor gerne mal für Kürzungen bei einem republikanischen US-Präsidenten herhalten könnte. Erste Tranche um 50, zweite um 38 Euro.

HeidelbergCement: Mit immer noch hohen Schulden und viel Goodwill unterwegs. Die Aktie sollte man in der aktuellen Gemengelage erst einmal nicht haben. Spekulativ um 40 Euro einsteigen.

Henkel: Aktie ist teuer, der nicht zyklische Konsumsektor war in jüngster Zeit aber gesucht und deshalb relativ stabil. Übernahme (Goodwill) belastete Bilanz mahnt insgesamt zur Vorsicht. Erste Tranche bei 75, zweite bei 55 bis 60 Euro.

Infineon: Mit der Aktie lässt sich vor allem bei gutem Timing richtig Rendite machen. Im Crash wird das Papier meist über Gebühr verkauft, sodass sich erst bei deutlich niedrigeren Kursen gute Chancen bieten. Schnäppchenkurse zwischen 6 und 8 Euro.

Linde: Der einstige Dax-Star ist schon tief gefallen; schleppt hohen Goodwill aus Übernahmen mit sich herum. Chart ist massiv angeschlagen. Für Mutige könnten bald erste Einstiegskurse winken. Erste Tranche bei 100, zweite bei 80 Euro

Lufthansa: Eignet sich allein für kurz- bis mittelfristige Trades. Für Langfristanleger uninteressant, weil Geschäfte und Kosten volatil sind und die Politik mitmischt.  Einen Versuch wert zwischen 8 und 10 Euro.

Merck: Kurs leidet, weil Branche zu hochgejazzt worden war. Hohe Schulden, ebenfalls hohe bezahlte Übernahmeprämien (Goodwill) und nicht gefüllte Pharmapipeline. Flüssigkristall- und Laborsparte garantieren gute Cashflows. Aktie kommt aber erst langsam in bewertungstechnisch interessanten Kaufbereich. Kaufen um 63, nachkaufen um 53 Euro.

"Wir müssen Europa entgiften"
Nach dem Brexit-Votum in Großbritannien muss Europa aus Sicht von SPD-Parteichef Sigmar Gabriel zur Überwindung der Vertrauenskrise sozialer und gerechter werden. Es gebe eine „massive Spaltung zwischen Gewinnern und Verlierern“ in der Europäischen Union, sagte der Vizekanzler am Samstag in Bonn zum Auftakt einer Reihe von SPD-Regionalkonferenzen. Ob sich die wirtschaftliche Lage in Deutschland in Zukunft weiter positiv entwickle, hänge entscheidend davon ab, ob Europa „stabil und kräftig“ bleibe. Gabriel betonte, Deutschland sei „Nettogewinner“ und nicht „Lastesel der Europäischen Union“, wie oft behauptet werde. Der Blick der Welt auf Europa werde sich ohne Großbritannien in der EU verändern. Rund 25 Millionen Menschen suchten in Europa Arbeit, darunter viele junge Leute - das sei „verheerend“, betonte Gabriel. „Da geht die Idee Europas verloren“ - und das erzeuge Wut und Verachtung. Der Zorn richte sich gegen das „Sparregime aus Brüssel“ und oft ebenfalls gegen Berlin. Klar sei daher, „dass wir Europa entgiften müssen“. Die EU sei von Anfang an auch als „Wohlstandsprojekt“ gedacht gewesen. Das gehöre dringend wieder stärker in den Fokus. Die EU-Schuldenländer brauchten mehr Freiraum für Investitionen in Wachstum, Arbeit und Bildung, forderte Gabriel. Quelle: dpa
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat den britischen Premierminister scharf kritisiert. Auf die Frage, was er davon halte, dass David Cameron erst im Oktober zurücktreten will, warf Schulz dem Premier vor, er nehme aus parteitaktischen Überlegungen erneut einen ganzen Kontinent „in Geiselhaft“. dpa dokumentiert den Wortlaut: „Offen gestanden: Ich finde das skandalös. Zum wiederholten Male wird ein ganzer Kontinent in Geiselhaft genommen für die parteiinternen Überlegungen der konservativen Partei Großbritanniens. Er hat vor drei Jahren, als er in seiner Partei unter Druck stand, den Radikalen am rechten Rand der Tories gesagt: Ich gebe Euch ein Referendum, dafür wählt Ihr mich wieder. Das hat geklappt. Da wurde ein ganzer Kontinent verhaftet für seine parteiinternen taktischen Unternehmungen. Jetzt ist das Referendum gescheitert. Jetzt sagt der gleiche Premierminister, ja, Ihr müsst aber warten, bis wir (...) mit Euch verhandeln, bis der Parteitag der Konservativen im Oktober getagt hat. Dann trete ich zurück, dann gibt's einen neuen Parteichef, der wird dann Premierminister. Also ehrlich gesagt: Man kann einen Parteitag auch morgen früh einberufen, wenn man das will. Ich finde das schon ein starkes Stück, das der Herr Cameron mit uns spielt.“ Quelle: dpa
Obama, Brexit Quelle: AP
Putin, Brexit Quelle: REUTERS
Bundeskanzlerin Angela Merkel Quelle: REUTERS
Portugals Präsident Marcelo Rebelo de Sousa erklärt, dass der Ausgang des Referendums „uns alle nur traurig stimmen kann“. In einer vom Präsidialamt am Freitag in Lissabon veröffentlichten Erklärung betonte das 67 Jahre alte Staatsoberhaupt aber auch: „Das Europäische Projekt bleibt gültig.“ Allerdings sei es „offensichtlich“, so Rebelo de Sousa, dass „die Ideale (der EU) neu überdacht und verstärkt“ werden müssten. Quelle: dpa
EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Quelle: dpa

Münchener Rück: Schlägt sich in schwierigen Märkten weiter wacker und überzeugt mit aktionärsfreundlicher Dividendenpolitik. Tiefere Kurse als aktuell sind bei weiteren Crashs allerdings wahrscheinlich. Um 130/140 Euro kaufen.

ProSieben: Geschäfte laufen gut, schöne Dividende, aber mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von 17 nicht billig. Chart ist angeschlagen, das mahnt zur Vorsicht. Günstig zwischen Kursen von 30 bis 35 Euro.

RWE: Hoffnungswert, auf was eigentlich? Eine andauernde Baisse würden die ohnehin vagen Aussichten auf vernünftige Einnahmen aus dem Teilbörsengang der neuen Tochter, die Vertrieb, Netze und Ökostrom vereint, zunichte machen. Zudem drohen hohe Abwertungen auf die britische Tochter Npower. Meiden.

SAP: Die Walldorfer sind unverändert gut unterwegs, besonders in der Zukunft („Cloud“). Einkaufstour der vergangenen Jahre hat aber zu sehr hohem Goodwill geführt, der bei taumelnden Märkten zu Milliardenabschreibungen führen kann. Einstiegskurse um 45 Euro wären vertretbar.

Siemens: Überraschte zuletzt mit positiver Jahresprognose. Ist ein Dauerinvestment, das sich nicht schlechter als der Dax entwickeln sollte. Zudem aus Dividendenblickwinkel positiv. Echte Schnäppchen bei  70 bis 75 Euro. Um die 85 Euro aber schon einen Blick wert.

Wie es nach dem Referendum weiter geht
Premierminister David Cameron Quelle: dpa
Artikel 50 Quelle: dpa
Der ungeregelte Austritt Quelle: dpa
Das Modell „Norwegen“: Quelle: dpa
Das Modell „Schweiz“: Quelle: dpa
Das Modell „Kanada“: Quelle: dpa
Das „WTO“-Modell Quelle: REUTERS

Thyssenkrupp: Nichts für Daueranleger. Bei noch tieferen Kursen könnte sich eventuell selbst Großaktionär Krupp-Stiftung nicht mehr gegen eine Zerschlagung wenden. Auf tieferen Niveaus etwas zum Zocken. Schnäppchenkurse erst zwischen 7 und 8 Euro.

Volkswagen: Bleibt ganz offenbar schlecht geführt. Analytisch schon billig, aber mit sehr hohem Unsicherheitsfaktor. Um 100 Euro je nach Lage des Dieselgate womöglich günstig; dann engen Stopp bei 90 Euro legen.

Vonovia: Blamierte sich dieses Jahr mit dem gescheiterten Übernahmeversuch an Deutsche Wohnen. Notiert noch deutlich über dem harten Nettoinventarwert (ohne Goodwill). Vorerst meiden.

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