Medienbericht Lücken im Kampf gegen Geldwäsche

Schwarzgeld in Milliardenhöhe soll unter anderem über Briefkastenfirmen aus Russland in die Europäische Union geflossen sein. Das von Medien aufgedeckte System zeigt auch die Defizite in Deutschland.

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Das Geldwäschevolumen in Deutschland dürfte sich einschließlich Gastronomie und Glücksspiel bei mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr bewegen. Quelle: dpa

Berlin Berichte über mutmaßliche Schwarzgeldströme in Milliardenhöhe aus Russland in die EU heizen die Debatte über Lücken im Anti-Geldwäsche-Kampf auch in Deutschland an. Markus Meinzer vom internationalen Netzwerk Steuergerechtigkeit kritisierte, bei Deals außerhalb des Finanzsektors sei die Aufsicht über die Einhaltung der Anti-Geldwäsche-Regeln extrem zersplittert: „Das gleicht einem Flickenteppich. Das ist eine kaum ernstzunehmende Aufsicht“, sagte Meinzer am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur und verwies unter anderem auf die seiner Ansicht nach viel zu geringe Personalausstattung in den dafür zuständigen Bundesländern.

Zudem sind aus seiner Sicht zu wenige Gruppen von Luxusgut-Händlern verpflichtet, Verdachtsmomente anzuzeigen, die auf Geldwäsche schließen lassen. „Wir müssen uns auch eingestehen, dass es Strafbarkeitslücken gibt“, sagte Meinzer. Dies betreffe etwa Gelder aus Veruntreuung, Vorteilsname und aus Erpressung. „Diese Gelder fehlen bisher im deutschen Geldwäsche-Vortatenkatalog.“ Diese tauchten nur zum Teil bei bandenmäßiger Beschaffung auf. Meinzer pocht zudem weiter auf ein öffentlich zugängliches Firmenregister, um Hintermänner sichtbar zu machen. Die bisherigen Pläne der Bundesregierung gingen nicht weit genug.

Zuvor hatte die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, dass zwischen 2010 und 2014 mindestens 20,7 Milliarden Dollar (rund 19 Mrd Euro) dubioser Herkunft aus Russland in die EU geflossen sein sollen. Mithilfe undurchsichtiger Briefkastenfirmen in Großbritannien und mutmaßlich korrupter Richter in der Republik Moldau sei das mutmaßliche Schwarzgeld auf legale Konten im Westen transferiert und dort zum Einkauf benutzt worden. Von dem System, das die Journalisten „Russischer Waschsalon“ nennen, hätten auch deutsche Unternehmen profitiert. Meinzer dazu: „Das zeigt, wie anfällig ein System ist, das allein den Banken vertraut bei der Identifizierung problematischer Gelder.“

In Deutschland sind die Bundesländer für die Kontrolle im Nicht-Finanzsektor zuständig – also Immobilien- und Baugeschäfte, Kfz-, Boots- und Yachthandel sowie Geschäfte mit Schmuck und Kunst. Anfällig sind auch bargeldintensive Hotel- und Gastronomiebetriebe. Nach einer Übersicht waren im ersten Quartal 2016 in den Ländern nur rund 58 Vollzeitstellen für den Vollzug des Geldwäschegesetzes zuständig. Den Finanzsektor überprüft die Aufsicht Bafin.

Nach einer früheren Studie bleiben in Deutschland vor allem Geldwäsche-Deals außerhalb des Finanzsektors unentdeckt – und damit ein Großteil illegaler Geschäfte. Das Geldwäschevolumen in Deutschland dürfte sich einschließlich Gastronomie und Glücksspiel bei mehr als 100 Milliarden Euro im Jahr bewegen. Das „Dunkelfeld im Nicht-Finanzsektor“ sei auf mindestens bis zu 28.000 Verdachtsfälle jährlich zu schätzen – weit mehr als die tatsächlichen Anzeigen.

Derzeit sind bereits Gütehändler, auch Modefirmen, verpflichtet, Verdachtsfälle zu melden. Dies gilt auch bei bargeldlosen Transaktionen. Die Bundesregierung will nun ein Transparenzregister einführen, damit Hintermänner verschachtelter Firmenkonstruktionen sichtbar werden. Einsicht erlaubt werden soll nur Personen mit „berechtigtem Interesse“. Zum eng gefassten Kreis sollen auch Journalisten und Nicht-Regierungsorganisationen gehören. Zudem soll der Kreis derer erweitert werden, die bei Transaktionen und Geschäftsbeziehungen sorgfältig prüfen müssen, ob ein Risiko der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besteht.

Laut „Süddeutscher Zeitung“ wurden aus einem Datensatz von etwa 70.000 Überweisungen 662 Fälle identifiziert, in denen Geld von Konten in Lettland genutzt worden sei, um in Deutschland Rechnungen zu bezahlen. Firmen oder Menschen aus Russland, der Ukraine oder Weißrussland hätten Produkte im Einzelhandel gekauft oder sich Waren liefern lassen. Die Bezahlung hätten Briefkastenfirmen übernommen. Bereits 2014 hätten Journalisten (OCCRP) das System aufgedeckt, das mutmaßlich von Russland aus gesteuert wurde.

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