




WirtschaftsWoche: Herr Mewes, wir haben im Sommer heftige Verwerfungen an den Zinsmärkten erlebt, die Bundrendite stieg kräftig von 0,05 auf ein Prozent. Sind die Ausschläge schon die Vorboten einer großen Zinswende?
Michael Mewes: In Europa? Definitiv nein! Wir sehen zwar Ausschläge, aber das liegt daran, dass viele Spekulanten und keine langfristig orientierten Anleger auf diesen Niveaus im Markt sind. Zu den aktuellen Kursen kauft ja keine Versicherung eine Staatsanleihe. Der einzige echte Käufer ist die EZB. Weil die Spekulanten auf immer weiter fallende Zinsen gesetzt hatten und dann von der steigenden Inflation und besseren Wachstumsaussichten überrascht wurden, sehen wir diese heftigen Bewegungen. Aber die Zinsen werden hier noch jahrelang niedrig bleiben. Anders sieht das in den USA aus: Wir rechnen mit einer aggressiven Fed, die die Zinsen im September und Dezember um je ein Viertel-Prozent anheben und dann 2016 weitere Zinsschritte folgen lassen wird.
Zur Person
Michael Mewes, 52, leitet seit knapp 20 Jahren das Anleiheteam bei der US-Investmentbank JP Morgan. Zuvor war der Diplom-Betriebswirt bei der Commerzbank und der Deutschen Bank als Anlagemanager beschäftigt. Privat hält der Anleihenexperte keine Anleihen. „Viel zu aufwendig“ sei das für Privatanleger. Auch bei Aktien mag er es ruhig: Mewes sagt, er habe noch nie eine Aktie verkauft.
Was bedeutet das für den Wechselkurs Euro/ Dollar?
Die USA wachsen schneller als Europa, es wird in Zukunft auch ein größeres Zinsgefälle geben. Das lockt Gelder aus dem Ausland an, ergo wird der Dollar weiter aufwerten. Wir sehen den Euro noch in diesem Jahr bei Parität zum Dollar und nächstes Jahr nochmal ein Stück darunter.
Für europäische Anleger, die Dollar-Anleihen halten, ist diese Entwicklung ein zweischneidiges Schwert. Steigende Zinsen sorgen für eine Aufwertung des Dollar und damit für Währungsgewinne. Auf der anderen Seite ließe ein steigendes Zinsumfeld die Kurse der gekauften Anleihe bröckeln.
Richtig, aber es gibt Risikopuffer. Angenommen, Sie haben eine Unternehmensanleihe mit langer Laufzeit und 4,5 Prozent Rendite, die es in den USA ja durchaus noch gibt. Die wird möglicherweise nicht so stark reagieren, wenn die Zinsen auf US-Staatsanleihen im Zuge einer Leitzins-Erhöhung von 2,5 auf drei Prozent steigen. Einen solchen Risikopuffer haben Sie natürlich bei einer Apple-Anleihe nicht, weil die eine zu gute Bonität hat. Deswegen kaufen wir eher Hochzinsanleihen, die ein schlechteres Rating als BBB- haben.

Die Anleihen haben aber natürlich einiges Mehr an Risiko...
Klar, aber der Hochzinsmarkt hat sich gewandelt in den letzten Jahren. Im Winter 2008/2009 steckten viele Unternehmen in einer Finanzierungsklemme, weil kein Mensch mehr irgendwem Geld leihen wollte. Damals musste selbst ein „A“-Emittent Daimler acht Prozent Kupon bieten, um zweijährige Anleihen zu platzieren. Das ist natürlich kaum noch vorstellbar aus heutiger Sicht. Inzwischen können Unternehmen sich viel länger und günstiger refinanzieren, als das früher möglich gewesen war. Das Risiko in dem Markt ist ja im Wesentlichen, dass die Unternehmen die alten Kredite und Anleihen nicht durch neue ablösen können.