Monte dei Paschi Darum ist die älteste Bank der Welt so gefährlich

Die Märkte fürchten eine neue Bankenkrise. Im Mittelpunkt steht die älteste Bank der Welt: Monte dei Paschi di Siena. Dabei ist die Bank eher klein. Warum zittert Europa trotzdem vor dem Geldhaus? Was wir über den Zustand der Bank wissen – und was nicht.

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Das Logo der Bank Monte dei Paschi di Siena Quelle: REUTERS

Der bisherige Außenminister Paolo Gentiloni ist als Übergangs-Ministerpräsident Italiens noch nicht ganz im Amt, da droht ihm schon die Zeit davonzulaufen. Denn der Sozialdemokrat findet auf seinem Schreibtisch im Palazzo Chigi ein Dossier vor, das sein Vormieter und Mentor Matteo Renzi, der am Wochenende dort auszog, nach allen Regeln der Kunst verschleppt hat: die ungelöste Krise der Banca Monte dei Paschi – älteste Bank der Welt, drittgrößte Bank Italiens und nach allem was man zu Beginn dieser Woche weiß, der derzeit größte Krisenherd an Europas Finanzmärkten.

Für Gentioloni ist das Wohl und Wehe zugleich: Der 62-Jährige wurde dem Vernehmen nach nur Interims-Regierungschef bis zu möglichen Neuwahlen in 2017, weil Staatspräsident Sergio Mattarella angesichts der sich zuspitzenden Bankenkrise schnell eine vertrauenserweckende Technokraten-Lösung brauchte. Der als Favorit gehandelte Finanzminister Pier Carlo Padoan sollte nicht aus seiner Rolle als oberster Troubleshooter in Italiens Bankenkrise das Amt wechseln.

Gleichzeitig ist für Gentiloni wenig zu gewinnen in der Bankenfrage: „Entweder macht er es den Europäern recht oder den Italienern – beides geht eigentlich nicht“, sagt Erik Jones, Chef des Johns Hopkins Institut Bologna und wirtschaftlicher Berater der sozialdemokratischen Regierung.

Um was geht es nochmal?

Im Sommer forderte die Europäische Zentralbank die Banca Monte dei Paschi auf, bis Jahresende fünf Milliarden Euro frisches Kapital aufzutreiben. Damit sollte dem enormen Anstieg fauler Kredite in der Bilanz Rechnung getragen werden. Von etwa 110 Milliarden Euro Kreditvolumen gelten laut EZB mindestens 47 Milliarden als akut ausfallgefährdet. Seitdem die Eurozone zu Beginn des Jahres die Regeln änderte, darf diese Kapitalerhöhung nicht mehr über den Staat erfolgen. Kriselt eine Bank, müssen zuerst private einspringen.

Ein Bankenkonsortium unter Leitung der amerikanischen Bank JP Morgan und der italienischen Mediobanca machte sich daran, einen privaten Rettungsplan umzusetzen. Es wurde nachrangige Anleihen in Aktien umgetauscht und immer mal machten Gerüchte von neuen privaten Ankerinvestoren die Runde: Mal sollte es JP Morgan selbst sein, mal der Investmentfonds aus Qatar. Fakt ist: Bisher floss kein Geld und die Zeit ist knapp. Der im Sommer neu eingesetzte Chef Marco Morelli beantragte deswegen vergangene Woche eine Verlängerung der Frist bei der Europäischen Bankenaufsicht. Die aber wurde abgelehnt. Morelli bleiben nun 18 Tage, um fast vier Milliarden Euro aufzutreiben.

Warum ist das Thema politisch so brisant?

Die Bank aus Siena ist erstmal nicht besonders beeindruckend: weniger als eine Milliarde Euro Marktkapitalisierung, keine 200 Milliarden Euro Bilanzsummen. Und dennoch sollen die Märkte angeblich vor ihr zittern? Ja, denn die Bank steht stellvertretende für eine Spezialität des italienischen Bankensystems im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Denn hier treffen die Fehler von Bankmanagern auf ein einmaliges System, das sie in Siena ein „groviglio armonioso“ nennen: das harmonische Geflecht. Ein Geflecht aus wirtschaftlicher, politischer und ökonomischer Elite, das sehr schön veranschaulicht, welche desaströsen praktischen Folgen der recht abstrakte Begriff der Systemrelevanz entfalten kann und wie unreformierbar eine Bank ist, die eine giftige Symbiose mit der sie tragenden Gesellschaft eingegangen ist.

Wissenswertes über Italien

Denn zum einen schüttete die Bank über eine Stiftung über Jahre hunderte Millionen an die Stadt aus und wurde so zu einem der größten Player in der Region. Viel brisanter aber: Die Menschen aus Siena haben nicht nur über Jahre von den Ausschüttungen der Bank profitiert – sie haben ihr auch über Jahre Obligationen abgekauft; nachrangige Anleihen, die hübsch verzinst waren. Papiere im Wert von 1,6 Milliarden Euro halten 40000 Bürger aus der Toskana auf diese Art etwa.

Das sagt Europa zur Monte-dei-Paschi-Krise

Es sind die Papiere, die als erstes Wert verlören, wenn die Bank ihre Kredite nun abschriebe, ohne dass der Staat weiteres Geld hinzugibt. Zwar hätten diese Anleihen, weil zu risikoreich, nie an Kleinsparer verkauft werden dürfen. Die italienische Aufsicht Consob sah aber offenbar über Jahre weg – schließlich lebte nicht nur die Bank in Siena, sondern nahezu die gesamte italienische Bankenlandschaft gut von dem System. Da störte es auch niemanden, wenn die Anleihen offenbar oft nur mit Druck in den Markt gepresst wurden: Viele Sparer berichten, sie hätten Kredite oder andere Leistungen ihrer Banken nur bekommen, wenn sie gleichzeitig Anleihen gezeichnet hätten.

Auf bis zu 60 Milliarden Euro wird der Wert dieser von Privatanlegern in italienischen Banken gehaltenen Anleihen geschätzt, mehrere 10000 Italiener sind betroffen. Sollte man die Banken nun gemäß europäischer Regeln abwickeln, müsste man diesen Sparern ihr Geld nehmen. Deswegen traute sich bisher niemand an die Lösung des Problems.

Warum steckt die Bank überhaupt in der Krise?

Eine ungute Mischung aus Selbstverschulden und Schicksal hat die Sieneser Bank zum Wanken gebracht. Es war im Jahr 2007 als das damalige Management in der Toskana die Chance, ihre Wachstumsphantasien zu erfüllen, gekommen sah. Die Großbank ABM Amro musste ihre italienische Tochter Banca Antonveneta verkaufen. Eine überschaubare Bank, die aber über einen in Teilen attraktiven Kundenstamm verfügt.

So bedrohlich sind die größten Banken der Welt
Klasse 1 – UBS, Santander, Royal Bank of Scotland Quelle: AP
Klasse 1 – Morgan Stanley Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Standard Chartered Quelle: REUTERS
Klasse 1 – Unicredit Quelle: dpa
Klasse 2 – Barclays Quelle: dpa
Klasse 2 – Wells Fargo Quelle: REUTERS
Klasse 2 – Industrial and Commercial Bank of China Quelle: REUTERS

Man war sich mit der Pariser Großbank BNP Paribas einig, das Institut für sieben Milliarden Euro zu verkaufen. Da kamen die Toskana-Banker dazwischen und boten einfach mal neun Milliarden. Ohne Not zwei Milliarden über dem nächst niedrigen Angebot, muss das denn sein, fragten die Herren in den Aufsichtsgremien. „Wenn wir weiter wachsen, können wir noch mehr ausschütten“, war die Antwort der Banker. Wer hätte da Nein gesagt?

Leider folgte darauf die Finanzkrise, die Bank verlor an Wert, Abschreibungen mussten her – und die Sieneser Bank zum ersten Mal staatlich gerettet werden. In der Folge versuchte man sich als klassischer Mittelstandsfinanzierer. Auch da schaute man leider wieder nicht so genau hin: Man vergab fröhlich Kredite, übersah aber, dass die Wirtschaft des Landes so vor sich hinsiechte. Wo aber kein Wachstum, da auch kein Potenzial, Kredite zu tilgen. Und so gesellten sich zu den hausgemachten Problemen auch noch unzählige faule Kredite.

Geht es nur um Monte dei Paschi?

Nein. Die drittgrößte Bank Italiens mag besonders hervorstechen. Aber insgesamt steht der italienische Bankensektor vor einer größeren Krise. Neben Monte dei Paschi gelten mindestens vier weitere Volksbanken als akut gefährdet. Ihr Kapitalbedarf wird kurzfristig auf weitere bis zu fünf Milliarden Euro geschätzt. Bei einigen von ihnen mussten in den vergangenen Monaten bereits private Gläubiger Geld geben.

Bei den meisten Volksbanken – Italien hat pro Kopf die höchste Bankendichte der Welt – ist das klassische Geschäftsmodell das Problem: Das Zins-Margen-Geschäft ist in Zeiten des EZB-Nullzinses kaum noch einträglich, gleichzeitig fallen wegen der Stagnation des Landes ungewöhnlich viele Firmenkredite aus. Eine toxische Mischung. Carlo Messina, Chef der zweitgrößten Bank des Landes Intesa Sanpaolo, schätzt, dass zehn Prozent aller italienischen Banken ein Problem haben.

Auch die größte Bank des Landes, Unicredit, hat Orientierungsprobleme. Die Bank will diese Woche eine Kapitalerhöhung um etwa 13 Milliarden Euro bekannte geben. Anders als bei Monte dei Paschi dürfte das klappen, wenn auch mit hohen Preisabschlägen. Zudem wird die Bank wohl ihre Fondstocher Pionieer für gut vier Milliarden Euro loswerden.

Wie geht es jetzt weiter?

Monte dei Paschi di Siena will weiter versuchen, bis zum Jahresende rund fünf Milliarden Euro bei privaten Investoren einzusammeln. Dazu solle das Angebot, Schulden in Aktien umzutauschen, nun auch Kleinanlegern offenstehen, teilte das Institut am Sonntagabend mit. Dem müsste aber die Marktaufsicht Consob zustimmen. Zudem könnte der Investmentfonds von Katar einem hochrangigen Banker zufolge eine Milliarde Euro beisteuern. Angesichts der schwierigen Lage ist auch ein Eingreifen des Staates nicht ausgeschlossen.

Vorstandschef Morelli arbeitet zudem mit Finanzminister Padoan und Vertretern von JP Morgan und Mediobanca an einem Alternativ-Plan. Der könnte auf eine Teilverstaatlichung von Monte dei Paschi hinauslaufen.

Die EU lässt prinzipiell eine „vorsorgliche Rekapitalisierung“ einer Bank durch den Staat zu, wenn sich so Gefahren für das gesamte Finanzsystem abwehren lassen. Dadurch ließen sich auch die Kleinanleger schützen. Insidern zufolge könnte das Finanzministerium diese Bonds aufkaufen und in Aktien umwandeln. Damit würde der Staatsanteil an Monte dei Paschi von vier auf bis zu 40 Prozent steigen. Zwei Milliarden Euro könnte das den Staat kosten. Eine andere Möglichkeit wäre es, die Kleinanleger erst einmal in Haftung zu nehmen und sie danach aber zu entschädigen.

Was sagt Europa?

Mal hü mal hott. Am Wochenende hatte Bundesbankpräsident Jens Weidmann in einem Interview der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung gesagt, unter speziellen Umständen sei eine staatliche Rettung wohl unvermeidlich. Die Chefin der Bankenaufsicht, Elke König, hatte dagegen in der vergangenen Woche der WirtschaftsWoche Vorlieben für das letzte Szenario signalisiert: Also die Anleger erstmal in Haftung zu nehmen und sie danach zu entschädigen.

Was aber auch in Brüssel und Berlin zunehmend nicht mehr bestritten wird: Ganz ohne Staat wird es in Italien in Sachen Bankenrettung nicht gehen. Gute Vorsätze hin oder her. Es wird am neuen (Übergangs-?)Regierungschef Gentiloni liegen, das den Europäern geschmeidig zu verkaufen.

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