
Das umstrittene Anleihekaufprogramm OMT (Outright Monetary Transactions) ist ein „zahnloser Tiger“, sagt Joachim Fels, Chefvolkswirt von Morgan Stanley in London. Hauptproblem: Der Deutsche Bundestag müsste dem Inkrafttreten des Programms zustimmen, bevor die Europäische Zentralbank (EZB) Papiere eines notleidenden Staates kaufen darf. Dafür gebe es aber weder vor noch nach der Bundestagswahl eine Mehrheit, schätzt Fels. Die Finanzmärkte vertrauten aber weiter auf das Versprechen von EZB-Chef Mario Draghi, er werde den Euro um jeden Preis verteidigen. Dass dies über das Anleiheprogramm OMT nahezu unmöglich sei, hätten die Märkte noch nicht realisiert. Die EZB, meint Fels, brauche im Krisenfall ein anderes Instrument, „und das kann nur QE sein.“
Vorbild USA?
Das Kürzel steht für „Quantitative Easing“ (monetäre Lockerung). Die US-Notenbank Fed nennt ihre milliardenschweren Aufkaufprogramme für Staatsanleihen und Hypothekenpapiere QE1 bis QE3. Die EZB, meint Fels, werde dem US-Beispiel folgen müssen. Grund: In naher Zukunft drohten nicht starke Preissteigerungen (Inflation), sondern fallende Preisniveaus (Deflation) bei stagnierender Wirtschaft. „Die Inflation ist eher zu niedrig als zu hoch, es besteht die Gefahr, dass die Notenbanken ihre Inflationsziel eher nach unten als nach oben verfehlen“, sagt Fels. In den USA liegt die Kerninflation bei einem Prozent, Ziel sind zwei Prozent.
Auch der Euroraum drohe unter das EZB-Inflationsziel von zwei Prozent zu fallen. Hauptursache sind die harten Sparprogramme und die hohe Arbeitslosigkeit in den Südstaaten Europas, die Lohn- und Preissteigerungen entgegenstehen. „Der deflationäre Druck im Euroraum ist gewaltig, Löhne können eben auch sinken, das ist neu“, sagt Fels.
„Geldpolitik, nicht Staatsfinanzierung“
Das OMT-Programm, so es in Kraft gesetzt würde, wurde dazu konstruiert, um ein Land im Krisenfall zu retten. Die EZB würde dann, wenn das Land sich an bestimmte Sparauflagen hält, auch nur Staatsanleihen dieses Landes kaufen, um deren Anleihekurse zu stützen und deren Renditen zu drücken. Dieses Konstrukt legt den Verdacht nahe, hier würden durch die EZB Staaten finanziert. Staatsfinanzierung ist der EZB aber verboten und wird gerade in Deutschland kritisch gesehen. Ein „Quantitative Easing“ nach US-Vorbild aber könnte man „mit dem Mandat der EZB rechtfertigen“, sagt Fels.
Das Ziel der EZB, die Inflation bei zwei Prozent zu halten, beinhaltet natürlich auch das Mandat, Deflation, also fallende Preise, zu bekämpfen. Wenn die EZB im Krisenfall Staatsanleihen und Bankpapiere aller Euro-Länder kauft, finanziere sie so ja nicht einen einzelnen Krisenstaat, sondern bekämpfe die Deflation - eindeutig Geldpolitik, also erlaubt.