Gute Jäger waren also gute Spurenleser in der Gegenwart, das Spekulieren und Phantasieren über die Zukunft war den Medizinmännern vorbehalten. Die mussten aber auch nicht die Nahrung heranschaffen. Und so sind auch heute erfolgreiche Trader und Anleger vor allem gute Spurenleser und Muster-Erkenner. Mit Spekulation hat das wenig zu tun, mit harter, zeitraubender Analysearbeit dagegen sehr viel mehr.
Das macht es auch so absurd, dass in der öffentlichen Meinung professionelle Akteure an den Finanzmärkten als „Zocker“ diffamiert werden. Das Gegenteil ist in der Regel wahr, der wahre Zocker ist, wer im Kasino oder beim Lotto mit dem reinen Zufall tanzt. Ein guter Trader geht dagegen nur solche Wetten ein, bei denen er sich vorher eine gute Ausgangslage zurechtgelegt hat. Wie der Jäger, der nach langer Analyse der Spuren genau da auf Lauer liegt, wo das Wild mit größter Wahrscheinlichkeit durchlaufen wird.
Erleichtert wird die Spurensuche, weil Mr. Market eben nicht rational ist, sondern von den Ängsten und der Gier der Marktteilnehmer getrieben wird. Denn er ist ja die Summe der Erwartungen, Ängste und Hoffnungen aller Marktteilnehmer. Und dabei funktioniert Mr. Market eher wie ein Gummiband. Wenn es zu weit in eine Richtung gedehnt wird, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zurückschnappen. Wer erkennt, wann der Markt in eine Richtung überdehnt ist, hat damit große Chancen, richtig gutes Geld zu verdienen – auch ohne die Zukunft zu kennen. Und diese emotionale Überdehnung der Stimmung von Mr. Market kann man ganz seriös messen.
Neben dieser Markttechnik gibt es auch noch grundlegende fundamentale Faktoren und Treiber in der Weltwirtschaft, die man sehr wohl in der Gegenwart erkennen und aus ihnen sinnvolle Schlüsse für die Zukunft ziehen kann. Fundamentale Treiber ändern sich nicht alle paar Tage und insofern kann es sich schon lohnen, diesen im Sinne der Trendfolge nachzugehen.
Erfolg am Finanzmarkt ist also die Folge guter und intensiver Beobachtung der Gegenwart, nicht eines sinnlosen Ratespiels um die Zukunft! Und Erfolg entsteht aus einem Spiel mit Wahrscheinlichkeiten; wer Sicherheit sucht, ist an den Börsen fehl am Platz.
Denn es gibt keinen leichten Weg zum Erfolg an den Märkten. Und es gibt keinen „heiligen Gral“, keine ultimative Methode, mit der alleine garantierte Gewinne entstehen. Es gibt nur Methodik, Systematik, Disziplin und Fleiß - verbunden mit geistiger Flexibilität und einer Prise Demut.
Aber konsistenter, wiederholbarer Erfolg ist definitiv möglich, er wird einem nur nicht mundgerecht serviert, den muss man sich hart erarbeiten.
Michael Schulte alias Mr. Market wird von nun an in loser Folge für WirtschaftsWoche Online über die Marktmechanismen schreiben. Wer mehr von ihm lesen will, kann dies in seinem Blog Mr-Market.de tun.