Ich bin ja auch der Ansicht, dass die Politik der Notenbanken für weiter steigende Preise an den Aktienmärkten sorgen wird. Und ich halte auch weit höhere Stände im Dax zum Jahresende eher für wahrscheinlich. Nur eben nicht sofort, kein Markt geht wie ein Strich nach oben!
Sicher ist es möglich, dass die Märkte auch über den Sommer weiter steigen. Und wenn man jetzt auf die Seitenlinie tritt, hat man dann ein paar Prozent verpasst. Nur stellt sich doch die Frage: so what?
Dass die Märkte über den Sommer noch einmal zehn oder 20 Prozent obendrauf legen, ist zwar theoretisch möglich, aber nun eher unwahrscheinlich. Zu überdehnt ist die aktuelle Entwicklung und zu deutlich die Anzeichen von Distribution und nachlassendem Momentum. Umgedreht aber, falls die Märkte zu einer echten Korrektur ansetzen sollten, sind schnell mal zehn Prozent nach unten drin. In Summe sehe ich daher im Moment ein asymmetrisches Risiko zu Ungunsten der Anleger; die Fallhöhe über den Sommer ist größer als das, was man in dieser Zeit wahrscheinlich gewinnen kann.
Das muss kurzfristige Trader nicht interessieren, die verdienen an den Swings und an jeder Marktrichtung. Und langfristige Investoren schon gar nicht, denn die großen Trends sind in den meisten Segmenten intakt.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Die meisten unter uns werden aber Anleger mit mittelfristigem Horizont sein, die Aktien im Zeitraum Wochen, Monate bis maximal ein bis zwei Jahre halten. Ich weiß, viele wollen gerne Investoren sein, die meisten verkaufen aber dann doch emotional ein paar Monate später in der nächsten Korrektur. Anspruch und Wirklichkeit sind eben nicht notwendigerweise deckungsgleich. Und diese Anleger mit mittelfristigem Horizont sind für ihren Erfolg darauf angewiesen, den ein oder zwei großen Korrekturen im Börsenjahr aus dem Weg zu gehen. Hört sich zwar sehr einfach an, ist aber recht schwierig, wenn die Stimmung im Markt gut ist.
Warum sollen wir uns also nicht den Sommer für eine Pause aussuchen? Kurz genug ist er ja sowieso in Deutschland. Vergessen wir also mal die Prognosen der selbsternannten Gurus, die uns etwas von DAX 9000 oder 10.000 erzählen. Die können durchaus Recht haben, ich halte das für gut möglich, aber dafür ist im Herbst noch Zeit. Ob dieser Sommer aber ohne eine schmerzhafte Korrektur vorbei geht, ist zumindest sehr fragwürdig.
Man muss einfach aufhören können, wenn es sich am Schönsten anfühlt.
Nun gehe ich die Sonne suchen, die sich in diesem verregneten und kalten Deutschland so lange versteckt hat. Suchen Sie mit! Die Börse ist auch im Spätsommer noch da - das kann ich Ihnen ausnahmsweise hier garantieren.
Michael Schulte alias Mr. Market schreibt für WirtschaftsWoche Online in unregelmäßiger Reihenfolge über Marktmechanismen. Seinen ersten Text finden Sie hier.
Wer mehr von ihm lesen will, kann dies in seinem Blog Mr-Market.de tun.