Und nun zurück zum Fall Münchener Rück: Offensichtlich ist Buffett bewusst geworden, dass seine Beteiligung an Münchener Rück bei seinen weitergehenden Rückversicherungsinvestments für die nächsten Jahre keine zentrale Rolle einnehmen kann. Warren Buffet ist den Deutschen freundlich gesinnt, kein „Activist Shareholder“, der Krawall schlägt. Er ist ein Gentleman. Obendrein hat er weitere 9,7 Prozent an Aktien zu verkaufen, sofern er sich ganz verabschieden will. Also werden wir von ihm den eigentlichen Grund nicht zu hören bekommen.
Ich habe da eine Vermutung. Aus der Kombination Buffett und Münchener Rück hätte viel werden können. Dazu hätte es aber einer großen Übereinstimmung zwischen Top-Management und Buffett bedurft. Diese Symbiose ist jedoch offensichtlich - trotz des langen Zeitraums von 2010 bis heute - nicht gewachsen. Buffett investiert langfristig nur dort, wo er voll und ganz dem Top Management vertraut. Er setzt sich rückhaltlos für Kapitalallokation und Kapitaleffizienz ein.
Immer wieder drückt er seinen Anspruch an die Vorstandsriege in einfachen Worten aus, auch bei seinen Investitionen in Milliardenhöhe. Am Ende ist das ausschlaggebende Kriterium für das Langfrist-Investment: „We like the management“. So simpel, Punkt aus, fertig. Dahinter steht eine fundamentale Erkenntnis. Buffett weiß, dass die beste Bilanzanalyse und noch so große Aktienpakte nichts nützen, wenn das operative Management nicht auf gleicher Wellenlänge tickt.
Kulturunterschiede im Management
Wäre es also denkbar, dass der strenge, sparsame Kapitalansatz aus Omaha nicht zu der traditionellen Münchener Rück-Kultur gepasst hat? Es ist bekannt, dass es kosteneffizientere Unternehmen als die Münchener-Rück-Gruppe gibt. In einem solchem Szenario hätten wir es also mit einem (nicht ausgesprochenen) Konflikt zwischen Münchener Vorstandsinteressen und der nüchternen Kapitalorientierung von Warren Buffett zu tun. In Omaha wäre man demnach zum Ergebnis gekommen, dass der Kulturunterschied für weitergehende, integrative Lösungen nicht überbrückbar ist.
Aus Sicht der strengen Value-Investoren ein Warnsignal in Sachen Münchner Rück. Wie stellt sich nun die Lage dar?
1. Einer der renommiertesten und verträglichsten Investoren wendet sich ab.
2. Für ein stärkeres Engagement konnte er fünf Jahre lang nicht gewonnen werden. Schade.
3. Buffett hat scheinbar keinen Paketkäufer für seine Aktien gefunden.
4. Eventuell stehen die verbliebenen 9,7 Prozent an der Börse zum Verkauf. Keiner weiß es, möglich wäre es. Die nächste Meldepflicht von Buffett besteht erst bei Unterschreiten der Fünf-Prozent-Hürde. Ein Verkaufsüberhang wäre im Markt keine gute Konstellation.
In der Schlussfolgerung bei der Beurteilung der kleinen Meldung - „Buffett reduziert bei Münchener Rück“ - geht es also nicht um die Frage der Bonität der Münchener Rück einerseits und der Berkshire Hathaway andererseits. Der Geldanleger muss sich vielmehr zwischen zwei Modellansätzen der Unternehmensführung und der Kapitalallokation entscheiden.
Die Value-Investoren, die ich kenne, laufen seit vergangener Woche verstärkt mit Sorgenfalten herum, wenn sie auf das Thema „München“ angesprochen werden.