Musterdepots Die Spannung steigt

Der mögliche Brexit verunsichert die Anleger. Kaum beachtet ist ein anstehendes höchstrichterliches Urteil zur EZB-Geldpolitik. Und auch Italien steht im Fokus. Wie sich die Geld-Profis jetzt aufstellen.

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Daniel Hupfer

Frankfurt Wie von einem Großteil der Marktteilnehmer erwartet, hat die amerikanische Notenbank Fed den Leitzins vergangene Woche unangetastet gelassen. Die Fed-Funds-Rate liegt weiterhin in einer Spanne zwischen 0,25 Prozent und 0,50 Prozent. Auf der Pressekonferenz betonte Fed-Präsidentin Janet Yellen, dass die Fed nach wie vor plane, in Abhängigkeit von den Konjunkturdaten die Zinsen in diesem Jahr weiter anzuheben.

Das anstehende EU-Referendum in Großbritannien habe bei der Entscheidung, auch im Juni weiter abzuwarten, eine Rolle gespielt. Für die USA erwartet Yellen ein weiterhin moderates aber stabiles Wirtschaftswachstum. Ein Ende der Erholung am Arbeitsmarkt sei nicht in Sicht, auch wenn die Dynamik zuletzt etwas nachgelassen habe.

Der sogenannte Dot-Plot, in dem die Einzelprognosen der Mitglieder des Federal Open Market Committee durch Punkte dargestellt werden, zeigt jedoch, dass die Zinsphantasien der FOMC- Mitglieder weitestgehend der Ernüchterung gewichen sind.

Zwar hat sich auf den ersten Blick für das Jahr 2016 nichts geändert: Nach wie vor prognostizieren die Notenbanker im Durchschnitt zwei Zinsanhebungen. Ein Vergleich des Dot-Plots aus der März-Sitzung mit dem aus der Juni Sitzung zeigt jedoch, dass die Anzahl der FOMC-Mitglieder, die nur noch von einer Zinserhöhung ausgeht von eins auf sechs angestiegen ist. Gab es im März noch sieben Notenbanker, die sogar drei bis vier Zinsschritte in Betracht gezogen haben, so ist dieser Wert im Juni auf zwei gesunken.

Noch eklatanter fällt der Unterschied der März und Juni Dot-Plots für die Jahre 2017 und 2018 aus. Im Mittel fielen hier Leitzinserwartungen von 1,9 Prozent auf 1,6 Prozent für 2017 und von 3,0 Prozent auf 2,4 Prozent für 2018. Ein FOMC-Mitglied geht sogar nur noch von einem Zinsschritt bis Ende 2018 aus. Indes hat der Markt, gemessen an den Fed Funds Futures, eine Zinserhöhung in diesem Jahr bereits nahezu ausgepreist.


Blick auf Italien

Am vergangenen Wochenende haben in Italien die Kommunalwahlen in vielen Großstädten stattgefunden. Vor allem das Wahlergebnis in Rom ist interessant, da Roberto Giachetti, welcher als Kandidat vom Regierungschef Matteo Renzi galt,  gegen eine Vertreterin der europakritischen Bewegung chancenlos verloren hat. Dies war ein klares Warnsignal an Herrn Renzi.

Dabei hat Italien in den letzten Jahren klare Fortschritte unter dem jungen Regierungschef verzeichnet. Vor allem die harten Arbeitsmarktreformen, welche vom Renzi gegen die Gewerkschaften und teils gegen die eigene Partei durchgesetzt wurden, zeigen Wirkung und sorgen für einen klaren Aufwärtstrend an dem Arbeitsmarkt. Dementsprechend stark war in den letzten Quartalen der Binnenkonsum, welcher die tragende Säule für das Wirtschaftswachstum geworden ist.

In den nächsten Monaten hat Matteo Renzi vor, wichtige politische Reformen durchzusetzen. Nun hat er einen klaren Gegenwind bekommen. Eine politische Stabilität wäre extrem wichtig für die italienische Volkswirtschaft. Der italienische Aktienmarkt ist durch einen relativ hohen Anteil der problembehafteten Banken bezeichnet. Nichtsdestotrotz sehen wir aufgrund einer niedrigen Bewertung ein überdurchschnittliches langfristiges Potential. Derzeit sind wir mit zwei Titeln – ENI und Telecom Italia – in Italien investiert.     


Warten auf das Urteil

Alle Augen an den Börsen richten sich derzeit nach Großbritannien. Spekulationen über das Ergebnis der Volksbefragung zum „Brexit“ am Donnerstag dominieren das Marktgeschehen. Doch heftige Kursausschläge an Europas Kapitalmärkten könnten auch aus einem weiteren Grund zu beobachten sein – und zwar bereits am Dienstag. Dann steht ein für Börsianer bedeutendes Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BGH) an, das zusätzliche Unruhe bei Dax & Co. auslösen kann.

Anlass des Verfahrens in Karlsruhe ist die umstrittene Ankündigung von EZB-Chef Mario Draghi aus dem Jahr  2012, zur Beruhigung der Finanzmärkte im Zweifel unbegrenzt Anleihen notleidender Krisenstaaten aufzukaufen. Das führte damals zu einem massiven Zinsrückgang bei Bonds aus der europäischen Peripherie. Das sogenannte OMT-Programm ("Outright Monetary Transactions"), gilt als maßgeblicher Auslöser dafür, dass der vorhergegangene monatelange Ausverkauf an den Finanzmärkten gestoppt wurde, obwohl es  - anders als das laufende „QE“-Programm - bis heute nie zum Einsatz kam.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat das umstrittene OMT-Programm für rechtmäßig erklärt – die Karlsruher Richter dagegen hatten zuvor große Bedenken geäußert. Eine vollständige Ablehnung des EuGH-Urteils über die Zulässigkeit von OMT betrachten viele Experten zwar als recht unwahrscheinlich. Allerdings könnte das BHG die Bundesregierung auffordern bestimmte Bedingungen durchzusetzen, die der EZB ihre Stützungsprogramme zukünftig erschweren dürften. 

Die Meinungen darüber wie hoch das Ablehnungs-Risiko ist, gehen weit auseinander: Während man etwa bei der Schweizer Bank Julius Bär mit einer Wahrscheinlichkeit von fünf Prozent rechnet, kalkulieren andere Finanzhäuser mit bis zu 20 Prozent. In diesem Fall könnte es laut Angaben des weltweit größten Fondsverwalters Blackrock bis zu zehn Prozent abwärts gehen an Europas Aktienmärkten. Defensive Anleger sind daher bestens beraten auch in den kommenden Tagen besonders vorsichtig zu agieren.

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