Nach Brexit-Votum Starinvestor Soros spekuliert auf starkes Europa

Eine Woche nach dem Brexit-Votum ist noch immer nicht klar, wie es in Großbritannien weiter geht. Der US-Investor George Soros hält einen Rückzug vom Brexit für möglich – und ist damit nicht allein.

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Der Starinvestor hält einen Exit vom Brexit für möglich. Quelle: dpa

Frankfurt Das Brexit-Votum der Briten war ein Schock, doch nach Ansicht des Starinvestors Georg Soros muss es kein „Fait accompli“, zu Deutsch „vollendete Tatsache“ sein. Einem Bericht des US-Nachrichtensenders CNBC zufolge sprach Soros in einer Rede vor dem Europa-Parlament in Brüssel von einem „positiven Momentum für ein stärkeres und besseres Europa“.

Inzwischen hätten sich bereits mehr als vier Millionen Menschen in Großbritannien einer Petition an das Parlament für ein zweites Referendum angeschlossen. „Zum Zeitpunkt, wenn im Parlament über die Petition diskutiert wird, gibt es möglicherweise schon mehr Unterschriften für die Petition als Stimmen für den Brexit“, so der Investor. Die Volksabstimmung könne nicht rückgängig gemacht werden, doch eine Unterschriftenkampagne könne die politische Landschaft zugunsten der EU-Mitgliedschaft wandeln.


Soros ist nicht der Einzige, der daran zweifelt, dass Großbritannien den Brexit schnell durchzieht. „Die Politiker denken über die nächsten Schritte nach und scheinen kaum bereit, ein Austritts-Verfahren nach Artikel 50 einzuleiten“, schreibt auch Peter Dixon vom Economic Research der Commerzbank. Einen realistischen Ausweg sieht der Analyst derzeit aber nicht. „Deshalb ist ein Brexit weiterhin wahrscheinlicher als ein Verbleib Großbritanniens in der EU“, so Dixon.

Nach Ansicht von Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank, ist die Unsicherheit über das weitere Brexit-Prozedere erst einmal ein Zeitgewinn. Großbritannien werde nicht unmittelbar seinen Austrittsantrag stellen und damit müssten sich die Märkte zwischenzeitlich auch nicht mit den Konsequenzen eines Brexit auseinandersetzen. „Anleger stellen sich ohnehin die Frage, wie lange es dauern wird, bis Großbritannien austritt und ob es überhaupt austritt. Und selbst, wenn es de jure austritt, ist es de facto vielleicht gar nicht ausgetreten“, so Halver im Interview mit dem Handelsblatt.

Die Krise, die nach Bekanntwerden des Votums die Finanzmärkte erfasst hat, verglich Soros mit der weltweiten Finanzkrise von 2007 und 2008. „Das hat sich gleichsam in Zeitlupe entfaltet, aber der Brexit wird es beschleunigen. Er dürfte die bereits bestehenden deflationären Trends verstärken“, sagte der Milliardär.


„Euro-Raum hinkt noch hinterher“

Soros wurde als der Vermögensverwalter berühmt, der 1992 die Bank von England in die Knie gezwungen hat. Mit Wetten, dass Großbritannien das britische Pfund abwerten und es aus dem Europäischen Wechselkursmechanimus nehmen müsse, erzielte er einen Profit von einer Milliarde Dollar.

Das Bankensystem Kontinentaleuropas habe sich von der Finanzkrise nicht erholt und werde nun „ernsthaft getestet“, sagte Soros am Donnerstag. „Wir wissen, was getan werden muss. Unglücklicherweise haben politische und ideologische Uneinigkeit im Euro-Raum verhindert“, dass der Europäische Stabilitätsmechanismus als Sicherheitsnetz verwendet werden kann, erklärte er.

Vor dem britischen Referendum hatte der Investor gewarnt, das Pfund Sterling werde mehr als 20 Prozent gegenüber dem Dollar einbrechen, sollten die Briten für ein Ausscheiden votieren. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses sackte die britische Währung auf den tiefsten Stand seit 31 Jahren.

Die Entscheidung bedeute, dass „das Hypothetische sehr real geworden ist“, sagte Soros. „Sterling ist eingebrochen, Schottland droht mit einem Unabhängigkeits-Referendum und einige aus der Bevölkerung, die die ‚Austritts‘-Kampagne unterstützt haben, beginnen nun zu erkennen, dass sowohl das Land als auch sie persönlich vor einer düsteren Zukunft stehen. Selbst die Verfechter eines Austritts machen einen Rückzieher bezüglich ihrer unredlichen Brexit-Forderungen vor dem Referendum.“

Nach der letzten Finanzkrise hinke der Euro-Raum bei der weltweiten Konjunkturerholung hinter anderen Regionen her „wegen der restriktiven Fiskalpolitik; jetzt hat die Region mit einer drohenden Abschwächung zu kämpfen“, sagte Soros. „Die Einstellung deutscher Politiker steht der einzig wirksamen Antwort im Wege: einen Euro-Raum-Haushalt, der eine antizyklische Politik verfolgen könnte.“

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