Nach dem Gamestop-Hype Das Geschäftsmodell von Robinhood steht auf der Kippe

Am Donnerstag vergangener Woche musste Robinhood den Kauf von gefragten Aktien wie Gamestop, Blackberry oder Nokia gleich ganz unterbinden, die Papiere konnten lediglich verkauft werden, neue Orders waren dagegen nicht möglich. Quelle: REUTERS

Dürfen Broker einfach einzelne Aktien vom Handel aussetzen? Und wofür braucht der US-Neobroker Robinhood so viel frisches Kapital? Die wichtigsten Antworten zum Gamestop-Wirrwarr.

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„Wir bleiben standhaft“, schreibt Robinhood auf seiner Webseite in einer Nachricht an seine Kunden. „Wir stehen zu unseren Kunden und werden Euch weiterhin mit den Ressourcen und Tools versorgen, die ihr braucht, um ein souveräner, informierter Investor zu werden.“ Mit diesen Zeilen will der US-Neobroker Robinhood die Gemüter seiner Nutzer etwas beruhigen.
Ob das funktioniert, ist zumindest fragwürdig. Denn weiterhin erlaubt der Smartphone-Broker den Handel von gehypten Aktien nur eingeschränkt. Papiere des Spielehändlers Gamestop etwa können nur begrenzt gekauft werden, teilweise darf sogar nur eine einzelne Aktie erworben werden. Grund ist laut Robinhood die „anhaltende Marktvolatilität“, also die besonders stark schwankenden Kurse.
Am Donnerstag vergangener Woche musste der Onlinebroker den Kauf von gefragten Aktien wie Gamestop, Blackberry oder Nokia gleich ganz unterbinden, die Papiere konnten lediglich verkauft werden, neue Orders waren dagegen nicht möglich. Über Robinhood entlud sich ein riesiger Shitstorm, zahllose Nutzer reichten Beschwerden bei der US-Finanzaufsicht SEC ein.

Zuvor hatten sich tausende Anleger über Onlineforen wie wallstreetbets bei Reddit zum konzertierten Kauf der Gamestop-Aktie zusammengeschlossen, um damit Hedgefonds, die die Aktie leer verkauften, also auf sinkende Kurse wetteten, ihr Geschäft kaputt zu machen.

Anleger witterten durch das Kaufverbot seitens Robinhood Manipulation, denn das Geschäftsmodell des Neobrokers beruht ausgerechnet auf dem Geschäft mit eben diesen Hedgefonds. Robinhood reicht Kundenorders an Handelsplätze und Hedgefonds weiter und bekommt dafür eine Provision.
Einer der wichtigsten Geschäftspartner des Brokers ist ausgerechnet Citadel, der Hedgefonds, der den ins Schlingern geratenen Konkurrenten Melvin Capital gerettet hat. Allein Citadel soll für bis zu 40 Prozent der Robinhood-Umsätze verantwortlich sein. Für den Hedgefonds lohnt sich das System, denn durch die schiere Masse an Kundenorders hat er einen enormen Informationsvorsprung vor dem Markt, den er wiederum für eigene Geschäfte nutzen kann.

Ist das Geschäftsmodell in Gefahr?

Tatsächlich scheint es, als würden einige Robinhood-Anleger erst jetzt realisieren, dass der Smartphone-Broker, der gerne betont, die Börse auch den kleinen Anlegern zugänglich zu machen, längst nicht nur gute Absichten hat. So mancher Nutzer in den sozialen Netzwerken schien doch recht erschrocken, dass Robinhood die eigenen Orderdaten an „die Bösen“, milliardenschwere Hedgefonds, weiterverkauft.

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von Lukas Zdrzalek

„Das Ganze hat mindestens ein Geschmäckle“, sagt einer, der die Neobroker-Szene gut kennt. Denn der Verdacht liegt nahe, dass Hedgefonds bei Robinhood interveniert und für den Kauf-Stopp bei einzelnen Aktien plädiert haben. Citadel erklärte allerdings in einer Stellungnahme, nicht in irgendeine entsprechende Entscheidung involviert gewesen zu sein.

Neben Robinhood mussten auch andere Broker den Kauf von Gamestop-Aktien vorübergehend untersagen, darunter auch der deutsche Neobroker Trade Republic. Trotzdem bringt die aktuelle Diskussion das Geschäftsmodell von Robinhood noch einmal auf die Tagesordnung und stellt vor allem das umstrittene „Frontrunning“ in Frage, also den (erkauften) Informationsvorsprung einiger Marktteilnehmer, in diesem Fall von Citadel und anderen Hedgefonds. Nicht umsonst ist diese Praxis als eine Form des Insiderhandels in Deutschland verboten. Beobachter halten es für möglich, dass auch die SEC im Zuge der aktuellen Diskussion dort noch mal genauer hinschauen könnte. Schließlich betonte die US-Aufsicht, sich die Vorgänge rund um Gamestopp im Sinne der Anleger ansehen zu wollen.

Darf ein Broker einfach Aktien vom Kauf aussetzen?

Normalerweise sollte keine Aktie einfach so vom Handel ausgesetzt werden. Der Verdacht von Marktmanipulation liegt nahe, gegen Robinhood wurden Sammelklagen eingereicht. Trotzdem dürfen Broker solche Eingriffe unter bestimmten Bedingungen vornehmen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters haben auch Robinhood-Nutzer mit den Nutzungsbedingungen akzeptiert, dass der Broker bei „anhaltender Marktvolatilität“ entsprechend in den Handel eingreifen darf. Rechtsexperten erwarten daher, dass die Klagen keinen Erfolg haben werden.
Auch Trade Republic begründet den Kaufstopp ausschließlich mit Volatilität. Aufgrund der IT sei der Stopp erforderlich gewesen, die Handelssysteme waren schlicht überlastet, heißt es aus dem Umfeld des Unternehmens. Nun seien die Kapazitäten aber dramatisch aufgestockt worden, mit weiteren Ausfällen sei in Zukunft nicht zu rechnen.



Robinhood erklärte, der Broker habe sich und seine Kunden schützen müssen, der Kaufstopp sei Schadensbegrenzung gewesen. Was passiert war: Aufgrund der hohen Schwankungen sind auch die Kosten des Brokers extrem gestiegen, um diese zu bedienen, musste das Unternehmen sich erst mal frisches Geld besorgen.

Wofür braucht Robinhood jetzt so viel zusätzliches Geld?

Insgesamt hat sich der Smartphone-Broker mit rund einer Milliarde Dollar an frischem Kapital eingedeckt, eingesammelt bei bestehenden Investoren und kreditgebenden Banken. Nötig wurde das, weil Broker in volatilen Marktphasen in der Regel mehr Geld bei ihren Clearinghäusern hinterlegen müssen.
Diese Clearingstellen sind letztlich dafür da, den Handel abzusichern. Sie spannen mit riesigen Summen ein Sicherheitsnetz – gebildet aus dem Geld, das sie zuvor bei allen beteiligten Brokern und Banken einsammeln. Geht ein Marktteilnehmer pleite, springen sie ein und garantieren deren Zahlungen, damit das System nicht zusammenbricht.

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Schwanken die Kurse so stark, wie zuletzt bei Robinhood und Gamestop, verlangen die Clearinghäuser mehr Geld. So war es auch in diesem Fall. Die DTCC, die Clearingstelle von Robinhood, verlangte von dem Smartphone-Broker zusätzliche Sicherheiten. Besonders teuer wurde es für Robinhood, weil der Broker seinen Nutzern erlaubt, Aktien „on margin“ zu kaufen, sich also das Geld dafür bei Robinhood selbst zu leihen. Kauft ein Anleger also Gamestop-Papiere für 20.000 Dollar, die zu 50 Prozent beliehen sind, muss der Broker 10.000 Dollar selber aufbringen. In volatilen Zeiten, in denen viele Käufe wenigen Verkäufen gegenüber stehen, müssen Broker wie Robinhood einen höheren Anteil davon bei der DTCC hinterlegen.

Clubhouse-Talk am 2.2.2021 um 18 Uhr: Bei dem Hype um Gamestop wurden vergangene Woche milliardenschwere Hedgefonds in Schieflage gebracht. Übernehmen Handy-Trader jetzt die Macht an den Börsen? Darüber sprechen Lukas Zdrzalek und Saskia Littmann heute Abend gemeinsam mit Erik Podzuweit (Gründer Scalable Capital) auf Clubhouse. Zuhören und mitdiskutieren erwünscht

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