Nach Putschversuch Verlustreicher Handel in Istanbul

Nach dem gescheiterten Putschversuch ist der türkische Aktienmarkt am Montag sehr schwach gestartet und baut die Verluste noch weiter aus. Einzelne Aktien verlieren mehr als zehn Prozent.

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Ein Mann zählt in einer Wechselstube die Banknoten. Die türkische Lira gab nach. Quelle: dpa

Als Investoren am Freitagnachmittag ihre Bücher schlossen, sah es für die Türkei gut aus. Die weltweiten Finanzmärkte haussierten, dank der Spekulationen auf weiterhin lockere Geldpolitik. In der türkischen Innenpolitik herrschte oberflächlich Ruhe, und die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan unternahm Schritte, die Beziehungen zu Russland und Israel zu normalisieren. Nun, nach dem versuchten Putsch, der am Freitagabend begann und rund 200 Todesopfer forderte, sieht die Welt für Investoren ganz anders aus. Sie wappnen sich für einen turbulenten Handel, wenn die türkischen Märkte am Montag wieder öffnen.

Der wichtigste türkische Aktienindex ISE 100 eröffnete mit einem Minus von 2,7 Prozent bei 80.756 Zählern. Der Index gab im weiteren Handelsverlauf weiter nach und verlor gegen Mittag fast fünf Prozent. Noch am Freitag hatte der ISE, der für Istanbul Stock Exchange steht, bei 82.385 Zählern geschlossen. Der ISE-100 Index ist ein Kursindex und enthält die 100 größten türkischen Werte nach Marktkapitalisierung gewichtet.

Zu den größten Verlierern zählen das Goldminenbetreiber Koza Aktin Isletmel und das Energieunternehmen Ipek Dogalen, die jeweils mehr als zehn Prozent verloren. Auch die Aktien aus der Tourismusbranche verloren deutlich . Die Papiere von Turkish Airlines knickten um mehr als fünf Prozent ein.

„Das politische Risiko hatte ich immer im Hinterkopf, aber auch mir lief es kalt den Rücken runter, als ich die die Nachrichten sah“, sagte Burak Cetinceker, Fondsmanager bei Strateji Portfoy in Istanbul, in einem Interview am Samstag. „Ich glaube nicht, dass ich jetzt eilig in der Türkei investieren würde, wenn ich ein ausländischer Investor wäre.“


Putsch wirft Fragen auf

Am Freitag, als noch Unklarheit herrschte, ob der Putsch erfolgreich war oder nicht, gaben weltweit die Aktiennotierungen nach, während US-Treasuries zulegten. Die Lira sackte am Freitag um 4,8 Prozent ab. Nachdem die Gewalt abgeflaut ist, erholte die Lira sich zwar am Montag zwar um gut zwei Prozent. Dennoch werden längerfristig orientierte Investoren mit Engagements in dem Land vorsichtiger sein, während Erdogan gegen seine Gegner vorgeht und Tausende verhaftet, darunter Armeeoffiziere und Richter.

Dass fast ohne Verzögerung Haftbefehle für Tausende Angehörige der türkischen Justiz erteilt wurden, wirft Fragen zu dem Putsch selber auf", sagte Gary Greenberg, Schwellenländer-Manager bei Hermes Asset Management in London. „Die Reflexreaktion des Markts am Montag könnte zwar eine Erleichterungsreaktion sein, aber es ist schwer ganz sicher zu sein, dass die Demokratie in der Türkei nun auf sichereren Beinen steht.“

Ausländische Anleger haben zwischen Jahresbeginn und Ende Mai netto 7,3 Milliarden Dollar in türkische Vermögenswerte investiert, nach einem Nettoabfluss von 3,2 Mrd. Dollar im selben Zeitraum des Vorjahres, wie Daten der Zentralbank von letzter Woche zeigen. Diese Zunahme der Zuflüsse „wird sich jetzt bestimmt umkehren und unvermeidlich für Stress an den Märkten sorgen“, schrieb Michael Howell, Geschäftsführer bei CrossBorder Capital in London, in einer E-Mail am Samstag.

Peter Schottmüller von Deka Investment GmbH in Frankfurt erwartet, dass die Investoren sich stärker darauf konzentrieren werden, wie Erdogan für mehr Stabilität sorgen kann, als auf sein Vorgehen gegen seine Widersacher. „Ihnen und mir wäre vielleicht eine demokratischere Regierung lieber, aber für die Märkte ist das nicht relevant“, erklärte er. „Ich würde zögern, am Montag zu verkaufen.“

„Diese politischen Verwerfungen werden eindeutig negative Auswirkungen auf die Wirtschaft haben“, schrieb Naz Masraff, Analyst bei Eurasia Group, am Samstag. „Bei einem Putschversuch solchen Ausmaßes werden die Investoren, die wegen früherer Krisen sowieso schon vorsichtig sind, nun noch skeptischer sein gegenüber dem Geschäftsumfeld in der Türkei und gegenüber der Fähigkeit der Regierung, für makroökonomische Stabilität zu sorgen. Auch dem angeschlagenen Tourismussektor wird ein weiterer Schlag versetzt.“

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