Nasdaq-Crash Können Kleinanleger die Börsen beben lassen?

Für den Einbruch der Technologiebörse Nasdaq gibt es verschiedene Erklärungsversuche. Einer davon: Ausgerechnet Kleinanleger sollen schuld sein – mit Hilfe von Smartphone und Neobrokern.

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So schnell sind sie dahin, die Billionen. Am vergangenen Donnerstag fiel der Nasdaq, der US-Index für Techaktien, um mehr als fünf Prozent, ziemlich viel für einen einzelnen Handelstag. Auch am Freitag hielten die Verluste an. Allein die Aktie vom Videokonferenzanbieter Zoom verlor zehn Prozent, bei Apple waren es 8,5 Prozent und Tesla-Papiere schmierten ebenfalls um neun Prozent ab.

Die Crux: Es gibt kaum fundamentale Daten und Fakten, die diese enormen Schwankungen erklären. Entsprechend kursieren diverse Erklärungsversuche für die Turbulenzen.

So glauben die einen, es sei schlicht eine kleine Tech-Blase geplatzt, schließlich traf es insbesondere Aktien von Unternehmen, die als Pandemie-Gewinner gelten und deren Kurse zuletzt massiv gestiegen waren. Andere machen den japanischen Großinvestor Softbank als einen der Crash-Treiber aus. Dieser hat laut "Financial Times" und "Wall Street Journal" zuletzt massiv auf steigende Nasdaq-Kurse gesetzt und Milliarden Dollar in entsprechende Derivate investiert.

Wieder andere sehen ausgerechnet Kleinanleger als Schuldige für den Crash. Ob sie tatsächlich die nötige Masse aufs Parkett bringen, ist zweifelhaft. Fest steht aber: Immer mehr private Anleger mischen mit kleinen und Kleinstbeträgen nicht nur an der Börse mit, sondern auch an den Terminmärkten. Mit Aktienoptionen spekulieren sie dort auf Aufstieg und Fall von Apple und Co, hoffen auf schnellen Reichtum und landen nicht selten bei blitzschnellem Bankrott.

Billig traden per App

Grund für die Invasion der Kleinanleger sind sogenannte Neobroker, die gar keine oder nur sehr geringe Kosten für einzelne Orders verlangen. In den USA ist es vor allem die App Robinhood, über die Kleinanleger ihre spekulativen Wetten platzieren. Ein Wisch, und schon landet die Call-Option im Depot.

Mit Hilfe von Optionen setzen Anleger auf steigende Kurse. Mit Call-Optionen erwerben Anleger das theoretische Recht, eine bestimmte Aktie zum vorher festgelegten Kurs kaufen zu können. Der Verkäufer, in der Regel Banken, muss sich entsprechend absichern, um Anleger, wenn die Aktie gestiegen ist, auszahlen zu können. Große Nachfrage nach Kaufoptionen hat immer auch Auswirkungen auf den Kurs der ihnen zugrunde liegenden Aktien.

Beliebt sind die Scheine gerade bei Kleinanlegern aufgrund ihrer Hebelwirkung. Durch den Hebel steigt der Preis der Option nicht synchron zum Preis der Aktie, sondern deutlich stärker. Ein Hebel von zehn bedeutet: Wenn die Aktie um ein Prozent steigt, legt die Option um zehn Prozent zu. Das Problem: Die Hebel funktionieren auch in die andere Richtung. Wer sich verspekuliert, verliert schnell sehr viel Geld.

Gerade Optionen mit kurzer Laufzeit und hohem Hebel auf Tech-Werte waren zuletzt beliebt, mit ihnen lassen sich schnell hohe Gewinne realisieren. Bei Online-Brokern wie Robinhood, bei denen Anleger keine oder nur sehr geringe Gebühren zahlen, sind diese Optionen besonders gefragt. Teilweise werden mehr als die Hälfte der Handelsumsätze mit solchen Derivaten erzielt.

Die neuen Broker locken viele sehr junge, unerfahrene Anleger an die Börse und sorgen so mit dafür, dass sich das Anlegerverhalten in den USA, aber auch in anderen Ländern wie Deutschland, dramatisch ändert. Allein Robinhood hat nach eigenen Angaben mehr als zwölf Millionen Nutzer. In Deutschland gehört Trade Republic zu den größten Anbietern unter den Trading-Apps.

Das Handelsvolumen ist deutlich gestiegen, Anleger halten ihre Aktien nicht mehr so lange wie früher. Über soziale Netzwerke sind die Nutzer der Gratisbroker vernetzt, tauschen Tipps aus. Auch so verstärken sich Trends am Aktienmarkt rasend schnell. Vor allem Aktien von Corona-Gewinnern gelten bei den jungen Wilden der Neobroker als Kauf.

Der Trend zum schnellen, teils riskanten Handel dürfte weiter anhalten, der Markt der Neobroker wächst, immer wieder kommen neue Anbieter dazu. Auch nach dem Mini-Crash an der Nasdaq müssen sich Anleger deshalb immer wieder auf starke Schwankungen einstellen, bei denen auch die Masse der Kleinanleger die Ausschläge verstärken kann.

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