Börsenwoche 399: Analyse „Die meisten denken, Aktionäre seien gierig“

Kinofilme wie „The Wolf of Wall Street“ (im Bild: Hauptdarsteller Leonardo di Caprio in der Rolle des Jordan Belfort) haben die Wahrnehmung von Aktionären in der Öffentlichkeit geprägt Quelle: imago images

Nur wenige Menschen investieren am Aktienmarkt. Finanzwissenschaftler Luca Henkel führt das vor allem auf das schlechte Image von Aktionären zurück.

  • Teilen per:
  • Teilen per:


WirtschaftsWoche: Herr Henkel, Sie haben in einer Studie untersucht, welche Meinung Menschen über Aktionäre haben. Wahrscheinlich keine gute, oder?
Luca Henkel: Wir sind ausgegangen von der Beobachtung, dass gerade in Deutschland viele Menschen nicht am Aktienmarkt teilnehmen, und haben untersucht, welche Rolle dabei Meinungen und Vorurteile über Aktionäre spielen. Wir zeigen in der Studie, dass die Leute Aktienbesitzer sehr negativ wahrnehmen und dass diese Ansichten einen konkreten Einfluss auf ihre Entscheidungen haben, am Kapitalmarkt zu investieren. Sprich: Weil die meisten Leute denken, dass Aktionäre egoistischer und gieriger sind als Nicht-Aktionäre, investieren sie selbst nicht an der Börse.

In Ihrer Studie haben Sie Gruppen aus den Niederlanden und den USA untersucht. Was lässt sich daraus für Deutschland ableiten?
In Deutschland fehlen uns bisher konkrete Daten, daran arbeiten wir aber derzeit. Umfragen unter unseren Studierenden an der Universität Bonn haben allerdings ergeben, dass sich das Bild aus den Niederlanden bestätigt. Also auch hierzulande gibt es eine sehr negative Wahrnehmung von Aktionären.

Das passt zum Bild der deutschen Aktienmuffel. Aber Sie schreiben, dass in den USA mit 86 Prozent der Befragten sogar mehr Menschen Aktionäre negativ wahrnehmen als in den Niederlanden (81 Prozent). Wie ist das zu erklären?
Die beiden Zahlen lassen sich aufgrund von Limitierungen in den US-Daten nicht eins zu eins vergleichen. In den Niederlanden haben wir eine repräsentative Bevölkerungsgruppe befragt. In den USA wurden die Antworten über ein Onlinepanel erhoben. Das ist nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung und es haben dort auch deutlich weniger Menschen teilgenommen, nämlich nur rund 400 statt wie in den Niederlanden knapp 3300. Dieser Unterschied erklärt Teile des auf den ersten Blick überraschenden Ergebnisses.

Luca Henkel ist Doktorand der Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bonn und forscht zu den Finanzen privater Haushalte sowie Verhaltensökonomie. Quelle: PR

Aktionäre haben so oder so ein schlechtes Image. Aber Aktien sind in den vergangenen zehn Jahren, als die Zinsen lange außergewöhnlich niedrig waren, als Anlageklasse dennoch beliebter geworden. Zeigt sich das in Ihren Daten?
Nein, ältere Menschen haben weder positivere noch negativere Einstellungen zu Aktionären als jüngere. Aber: Ältere Menschen lassen sich von diesen Einstellungen eher in ihrem Verhalten leiten. Junge Menschen, die Aktionären gegenüber skeptisch sind, zeigen also eine höhere Bereitschaft, trotzdem an der Börse zu investieren, als ältere.

Beeinflusst die Höhe des eigenen Vermögens, wie ich zu Aktionären stehe?
Die Hälfte der reichsten 20 Prozent in den Niederlanden haben überhaupt keine Aktien. Und rund 40 Prozent wiederum haben kein nennenswertes Vermögen, das sie am Aktienmarkt anlegen könnten. Für die Frage, wie man zu Aktionären steht, spielt das eigene Vermögen aber keine entscheidende Rolle. Die Wahrnehmung ist in jeder Vermögensgruppe überwiegend negativ.

Von Ebitda bis US-GAAP: Kürzel, die Anleger kennen sollten

Betrifft die negative Wahrnehmung denn nur Aktionäre? Sind Anleihe- oder Immobilieninvestoren beliebter?
Das haben wir so nicht untersucht. Was wir aber sagen können: ETF-Investoren oder solche, die in nachhaltige Finanzprodukte investieren, kommen im Ansehen besser weg. Sie werden aber immer noch negativer wahrgenommen als Nicht-Aktionäre.

Manche scheinen sich zu schämen, Aktionär zu sein. Ihre Studienteilnehmer haben Sie deswegen angeflunkert, oder?
Das stimmt. Wir hatten bei unserer Untersuchung in den Niederlanden die Möglichkeit, die Angaben zum Aktienbesitz in unserer Befragung mit ihren Steuerbescheiden abzugleichen. Wir denken, dass Steuerbescheide ein realistischeres Bild zeigen als Umfragen. Das Ergebnis des Abgleichs war erstaunlich: Ein Drittel der Befragten, die laut Steuerbescheid Aktien haben, gaben bei uns an, keine zu besitzen. Umgekehrt haben nur zwei Prozent der Befragten, die laut Steuerbescheid keine Aktien haben, angegeben, dass sie Aktionäre sind.

Neue Fondsmanager Managerwechsel in der Fondsbranche: Was Anleger wissen sollten

Milliardenschwere deutsche Fonds haben neue Manager bekommen. Ein bekanntes Team geht nicht freiwillig. Anleger sollten handeln.

Energiekosten „Es wird in Deutschland keinen billigen Strom mehr geben“

Wie teuer wird die Energiewende künftig für Haushalte und Betriebe? ZEW-Präsident Achim Wambach warnt vor langfristigen Kostentreibern – und fordert einen völlig neuen Preismechanismus in Deutschland.

Bankgebühren So wehren sich Bankkunden gegen steigende Kontogebühren

Wenn Banken ihre Kontogebühren erhöhen, müssen sie sich an gesetzliche Regeln halten. Tun sie das nicht, können sich Kunden dagegen wehren.  

 Weitere Plus-Artikel lesen Sie hier

Weil Menschen negativ über Aktionäre denken, flunkern sie also und investieren weniger an der Börse. Wie lässt sich dieser Mechanismus überwinden?
Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass vor allem die Meinung über Aktionäre ein wesentliches Hemmnis ist, selbst zu investieren. Die Neobroker haben das erkannt. Sie gehen genau auf diese Stereotype mit ihren Werbekampagnen ein, in denen sie Alltagsmenschen auf der Couch oder in der Bahn zeigen, die Aktien handeln. Es geht darum, vom Bild des Aktionärs wie in Wall-Street-Filmen wegzukommen. Mangelndes Finanzwissen, was häufig als Hauptursache für die niedrige Aktionärsquote angeführt wird, ist laut unseren Daten gar nicht das Hauptproblem.

Lesen Sie auch: Wie Sie 10.000, 50.000 oder 100.000 Euro richtig anlegen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%