Neue Währung „Bitcoin Cash“ Heute kommt die Bitcoin-Spaltung

Nach langer Debatte steht sie nun bevor: die Spaltung der wichtigsten Digitalwährung, des Bitcoin. Damit erreicht der Bürgerkrieg der Digitalwährungs-Anhänger seinen vorläufigen Höhepunkt. Was Anleger wissen müssen.

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Düsseldorf Am Dienstagmittag ist es soweit: Dann stellt die wichtigste deutsche Handelsplattform für digitale Währungen, Bitcoin.de, ihren Service für mindestens eine halbe Stunde ein. Schon ab 12 Uhr sind keine Ein- und Auszahlungen mehr möglich. In einer Erklärung im Internet begründet die Plattform das mit der „Anpassung der Systeme“ an die bevorstehende Aufspaltung des Bitcoin. Diese soll laut den Initiatoren ab 14:20 Uhr erfolgen: Es entsteht eine neue digitale Währung, Bitcoin Cash genannt.

Mit ihr kommt ein langer, undurchsichtiger Bürgerkrieg innerhalb der Gemeinde der Digitalwährungsanhänger zu einem vorläufigen Höhepunkt. Zwei Fronten stehen sich gegenüber: Die übergroße Mehrheit der Bitcoin-Anhänger hat sich Ende Juli auf eine Reform des Programmcodes (Segwit2x genannt) geeinigt. Diese soll das Grundproblem der Währung angehen: Der Bitcoin ist zu beliebt.

Immer mehr Nutzer handeln mit der Währung, was ein wachsendes Problem für die dahinterliegende Technik darstellt, die Blockchain. Die Blockchain ist eine dezentrale Datenbank, die alle Transaktionen transparent und sicher speichert. Dem Nutzeransturm ist sie aber nicht mehr gewachsen. Da nur rund sieben Transaktionen pro Sekunde bearbeitet werden können, warten Nutzer aktuell teilweise Stunden auf eine Überweisung. Das macht den Bitcoin weniger wettbewerbsfähig gegenüber klassischen Zahlungsdiensten und anderen digitalen Währungen.

Segwit2x soll das Problem nun durch effizientere Verarbeitung und eine Erhöhung der Transaktionsrate lösen. Dafür soll die Speicherkapazität eines Datenblocks der Blockchain – der Flaschenhals des ganzen Systems – in den kommenden drei Monaten von einem auf mindestens zwei Megabyte erhöht werden.

Einer kleinen Minderheit innerhalb der Bitcoin-Gemeinde um den chinesischen Bitcoin-Produzenten BitMain geht das nicht schnell genug. BitMain ist einer der sogenannten Miner, Betreiber großer Rechennetzwerke, die die Blockchain pflegen und dafür mit Bitcoins belohnt werden. Die Minderheit will am Dienstag ihre neue Währung, Bitcoin Cash, durch eine erzwungene Aufspaltung der Blockchain einführen. In Zukunft funktionieren die Währungen unabhängig.

Bitcoin Cash hat einen zentralen Vorteil: Bereits jetzt soll die Blockgrößte von einem auf acht Megabyte steigen. Damit wären 50 statt sieben Transaktionen pro Sekunde möglich, das Netzwerk zukunftssicher gemacht. Gleichzeitig hat die neue Währung aber einen großen Nachteil: Sie wird nur von einer kleinen Anhängerschaft unterstützt. Beobachter erwarten einen Kurs im zweistellen Dollar-Bereich für einen Bitcoin Cash; es könnte aber auch sein, dass der Wert aufgrund der geringen Nutzerzahl ins Bodenlose sinkt.

Der klassisches Bitcoin zeigt sich aktuell jedenfalls unbeeindruckt von der Aussicht auf Konkurrenz aus der eigenen Familie: Am Dienstagvormittag notierte die Digitalwährung stabil bei rund 2.400 Euro – nicht weit vom Allzeithoch entfernt. Zu Kurs-Turbulenzen könnte es allerdings kommen, sollte die Abspaltung nicht reibungslos funktionieren, oder die vereinbarte Code-Reform stocken.


Was Anleger jetzt tun müssen

Wer bereits heute in Bitcoin investiert hat, besitzt in Kürze auch Bitcoin Cash. Da die Blockchains bis zum Zeitpunkt der Aufspaltung identisch sind, kommt Bitcoin Cash im Verhältnis 1:1 zu den vorhandenen Bitcoin-Münzen hinzu. Wer heute zehn Bitcoin besitzt, erhält zehn Bitcoin Cash obendrauf. Wann mit diesen allerdings gehandelt werden kann, steht noch nicht fest.

Wer auf das Bitcoin-Cash-Guthaben zugreifen will, kommt um etwas Arbeit nicht herum. Nutzer müssen abklären, ob der eigene Geldbeutel (die sogenannte Wallet), oder der Onlinedienst, der die Münzen aufbewahrt, die neue Währung unterstützen. Die großen Wallet-Anbieter Trezor und Ledger haben das bereits bestätigt. Auch der deutsche Marktplatz Bitcoin.de hat angekündigt, die neue Währung den aktuellen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Über einen möglichen Handel mit Bitcoin Cash soll später entschieden werden.

Andere beliebte Onlinedienste haben hingegen erklärt, Bitcoin Cash nicht zu unterstützen, darunter die US-Firma Coinbase, der deutsche Anbieter Wallet Electrum sowie die Börsen Bitmex aus Hong Kong und Bitstamp aus Großbritannien. Auch die professionellen Händler sind somit Teil des Bürgerkriegs geworden.

Für Krypto-Einsteiger gilt der Rat, sich von den aktuellen Entwicklungen nicht verunsichern zu lassen. Um sicherzugehen, sollten im Verlauf des Dienstags keine Transaktionen mehr durchgeführt werden. Sollte eine Bitcoin-Überweisung unumgänglich sein, so sollten Anleger sechs Bestätigungen abwarten statt der üblichen zwei, um sicherzugehen, dass das Netzwerk die Transaktion richtig bearbeitet hat. Ansonsten gilt: Füße stillhalten und auf den Abschluss der Abspaltung warten.

In Japan, das den Bitcoin zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt hat und wo besonders viele Nutzer leben, haben zahlreiche Händler bereits angekündigt, den Handel auf ihren Plattformen zeitweilig auszusetzen. Zu groß sei die Gefahr, dass es zu technischen Instabilitäten komme und Bitcoins verloren gingen, meldet die Nachrichtenagentur Nikkei. Unter den vorsichtigen Anbietern sind die großen Portale Bitbank und Minnano Bitcoin, auch BITPoint Japan plant eine Handelsunterbrechung.

Warum kommt es angesichts der vielen Probleme überhaupt zur Spaltung der Währung? Befürworter von Bitcoin Cash führen an, das zukunftsträchtigere und schnellere System gefunden zu haben. Beobachter wie der Kieler Internet-Unternehmer Darius Karampoor, Bitcoin-Investor der ersten Stunde, sehen aber noch einen anderen Grund für die bevorstehende Abspaltung. Zumindest in der Theorie könne es immer noch dazu kommen, dass die von der übergroßen Mehrheit vereinbarte Reform des Bitcoin-Programmcodes in den kommenden drei Monaten scheitere. „Dann hätte man mit Bitcoin Cash eine Alternative parat“, erklärt Karampoor. „Der Kurs dürfte in diesem Fall stark steigen, und die Befürworter der Abspaltung, die früh in Bitcoin Cash investiert haben, könnten einen großen Gewinn einstreichen.“

Dass es so kommt, ist aber wenig wahrscheinlich. Zu groß ist schon heute die Unterstützung innerhalb der Gemeinde für den Kompromissvorschlag und die Code-Reform Segwit2x. So glaubt auch der erste Bitcoin-Multimillionär der Welt, Roger Ver, der heute Rechennetzwerke für japanische Bitcoin-Miner vermietet, nicht an den dauerhaften Erfolg von Bitcoin Cash. Die meisten Abspaltungen würden in wenigen Stunden sterben, prognostiziert der gebürtige Kalifornier.

Klar ist: Die Krypto-Szene hat Erfahrung mit Abspaltungen. 20xx kam es zur Aufspaltung der zweitgrößten Digitalwährung, Ethereum. Der Ausgang des dortigen Bürgerkriegs zeigt, was auch im Fall des Bitcoins geschehen könnte. Zwei Währungen existieren nebeneinander. Die erfolgreichere, Ethereum, hat heute eine Marktkapitalisierung von 20 Milliarden Dollar. In den Konkurrenten, Ethereum Classic, ist nur ein Bruchteil der Summe investiert, 1,3 Milliarden Dollar.

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