Kengeter war aus vollem Herzen Banker. Sein gesamtes Berufsleben arbeitete er für internationale Investmentbanken: Barclays de Zoete Wedd (BZW), zwölf Jahre Goldman Sachs, schließlich UBS London. Dort übernahm er 2008 die Leitung des Bereichs Zinsen, Währungen, Rohstoffe – damals das große Sorgenkind der Bank – und später die Leitung der Investmentbank. Immer weiter aufwärts ging es für den gebürtigen Heilbronner, der nun fast ein Vierteljahrhundert im Ausland gelebt hat. 2009 war er mit einem Gehalt von 13,2 Millionen Schweizer Franken und 2010 mit Bezügen von 9,3 Millionen Franken noch der Top-Verdiener der UBS. Der ehemalige Vorstandschef Oswald Grübel hatte ihn sogar zum Nachfolger auserkoren. Bis ein Skandalhändler namens Kweku Adoboli im September 2011 aufflog und Kengeters Höhenflug stoppte.
Adoboli hatte bei der UBS in London durch Luftbuchungen, fiktive Gegengeschäfte und Spekulationen auf börsennotierte Indexderivate Verluste in Höhe von 2,3 Milliarden Dollar angehäuft. Kengeter, damals Chef der Investmentbank, musste dafür einen hohen Preis zahlen, in Form eines herben Karriereknicks. Dabei hatte Adoboli bereits 2006 begonnen, sein großes Rad zu drehen – als Kengeter noch bei Goldman wirkte.
Dennoch bot Kengeter, so sagt er, drei Mal nach dem Adoboli-Debakel seinen Rücktritt an. Er blieb aber, stattdessen ging UBS-Chef Grübel, Sergio Ermotti wurde dessen Nachfolger. Erst mit der strategischen Neuausrichtung der Bank, weg vom kapitalintensiven Anleihegeschäft und mit einer drastischen Verkleinerung der Investmentbank, wurde Kengeter Schritt für Schritt entmachtet. Im Sommer 2012 wurde ihm der ehemalige Bank-of-America-Banker Andrea Orcel als Co-Chef der Investmentbank zur Seite gestellt, im Oktober wurde Orcel alleiniger Chef, Kengeter stattdessen zum Chef der Abwicklungseinheit. Mitte 2013 verließ er die Bank.
Hört man Kengeter zu, wird klar: Sein Job bei der UBS stand von Anfang an unter keinem guten Stern. Die Bank hatte bei seinem Amtsantritt 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, extreme Schlagseite. Es mangelte an Kontrollen, an Risikomanagement, an Steuerung.
Wie man an der Börse die besten Chancen hat
Stop-Loss-Orders, bei deren Unterschreiten automatisch verkauft wird, disziplinieren und bewahren davor, permanent nach Kursen schauen zu müssen. Sinnvoll aber nur bei sehr liquiden Werten. Bei Aktien unterhalb des Dax gefährlich, weil Profis die Aktien unter das Stopp-Loss drücken und billig abfischen könnten.
Stimmen die Gründe für den Kauf noch, wird eine Aktie nur ihrer Kursgewinne wegen nicht riskanter. Also halten, auch dann, wenn es zwischenzeitlich nach unten geht. Verschlechtern sich wesentliche Parameter: verkaufen.
Angst und Gier treiben die Herde, so entstehen heftige Kursbewegungen, die aber auch schnell wieder drehen und deshalb gute Kauf- und Verkaufschancen bieten. US-Ökonom Robert Shiller zieht Parallelen zum Fußball: „Halte dich von der Meute fern, dann wird der Ball früher oder später zu dir kommen.“
Wer Unternehmen mit überzeugendem Geschäftsmodell hält, prüft Kennzahlen wie Kurs-Gewinn-Verhältnis, Umsatz- und Cashflow-Entwicklung über viele Jahre und vergleicht sie mit den Zahlen der Konkurrenten. Gründe, die zu einem Investment führen, schriftlich festhalten: hilft klarer zu denken und kann, wenn der Wunsch, zu verkaufen übermächtig wird, nachgelesen werden.
Irren ist menschlich. Wer schon beim Aktienkauf festlegt, welches Minus er maximal akzeptiert, schützt sich vor Illusionen. Etwa der, nur noch Nachrichten wahrzunehmen, die die eigene positive Überzeugung stützen.
Ein UBS-Mitarbeiter lobt seinen ehemaligen Chef als „sehr durchorganisiert – im Ansatz deutsch, trotzdem zugänglich“. Und so versucht er rückblickend, seiner Zeit bei der UBS etwas Positives abzugewinnen, eine gute Erfahrung sei sie gewesen und „hilfreich zur weiteren Orientierung“. Er wehrt sich dagegen, zum Sündenbock gestempelt zu werden: „Den zweiten Kapitän für den Untergang der Titanic verantwortlich zu machen, der nicht am Steuer war, sondern die Rettungsboote organisierte, ist nicht fair.“
Reine Weste bescheinigt
Ein aktueller Managing Director der UBS meint: „Letztlich trifft es natürlich die Leute oben.“ Kengeter aber sagt noch heute: Verantwortlich für Adoboli sei er nicht gewesen. Rückendeckung erhält Kengeter von seinem künftigen Chefkontrolleur Faber, der dem „Wall Street Journal“ sagte, der Aufsichtsrat habe im Zusammenhang mit dem Fall Adoboli einen intensiven Austausch mit allen relevanten Aufsichtsorganen, mit Gerichten und mit der UBS gehabt. Alle hätten Kengeter eine reine Weste bescheinigt.
Fest steht, dass die britische Finanzaufsicht, die die UBS im Zusammenhang mit dem Adoboli-Skandal wegen gravierender System- und Kontrollmängel rügte, Kengeter nicht im Visier hatte. Auch keine andere Aufsichtsbehörde hat ihn jemals beschuldigt. Das gilt auch für die Manipulation des Referenzzinses Libor, für die die UBS im Jahr 2012 eine Strafe von 1,5 Milliarden Dollar von den amerikanischen, britischen und Schweizer Aufsichtsbehörden aufgebrummt bekam.
Bei der britischen Finanzaufsicht FCA heißt es, es gebe keinerlei Hinweise dafür, dass Kengeter persönlich bei Libor Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Der Bankenausschuss im britischen Unterhaus lud zwar Kengeters Ex-Co-Chef Alex Wilmot-Sitwell und ein paar andere UBS-Banker vor, nicht aber den Deutschen. Der Teflon-Mann eben.