Neuer Chef der Deutschen Börse Ein Investmentbanker wird Börsenlenker

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Kengeter muss Wachstum organisieren

Wohin er nun die Deutsche Börse steuern wird? In Fachkreisen wird spekuliert, ob Kengeter das Unternehmen umbaut, welche Projekte er beerdigen, welche Bereiche er abstoßen, mit wem er künftig enger kooperieren, was er kaufen könnte. Er muss neue Wachstumschancen ausloten, denn das klassische Börsengeschäft ist nicht mehr der große Treiber. Für die großen Geschäfte sorgt der Terminmarkt Eurex, der von Börsen-Vize Andreas Preuß geleitet wird; vier Fünftel der Kunden der Deutschen Börse sitzen in London. Er habe viele Ideen, die er aber im Moment noch mit niemandem teile, sagt Kengeter. „Meine Aufgabe wird es sein, diverse Brücken zwischen Frankfurt und dem Rest der Finanzwelt zu bauen.“

In den ersten Tagen in Frankfurt ging es ihm vor allem darum, Mitarbeiter und Unternehmen kennenzulernen. Ein früherer Kollege bescheinigt: „Er ist ein hervorragender Netzwerker“, einer ohne Arroganz, zugänglich: „Der nahm sich sogar Zeit für ein Schwätzchen mit den Praktikanten.“

Deutsche-Börse-Zentrale Eschborn Quelle: dpa

Dabei haben viele Hochkaräter seinen Weg gekreuzt: Ex-Goldman-Kollege Marcus Schenck wird im Mai Finanzvorstand der Deutschen Bank, der Aufsichtsratsvorsitzende der Bank, Paul Achleitner, ist ebenso ein Goldman-Alumni. Schon seit etwa 20 Jahren kennt Kengeter Börsen-Aufsichtsratschef Faber. Der war es auch, der den Schwaben dazu überredete, nach Eschborn zu kommen. Avancen habe Faber ihm schon länger gemacht, ist zu hören.

„Ich bin ein verträglicher Kerl“, sagt Kengeter über sich selbst. Extrovertiert sei er, sagt ein ehemaliger Weggefährte, er sei ein „Händlertyp“. Als solcher bringt Kengeter viele Kenntnisse über die Bedürfnisse großer Börsenkunden mit. Die Vermutung liegt nahe, dass er Investmentbanken bei Konditionen und Umbau der Börsensysteme entgegenkommen wird. Kengeter gilt zudem, nicht zuletzt aufgrund seiner Privatinvestments, als technikaffin, er könnte stärker auf Fortschritte bei Infrastruktur und Technologie setzen – für Börsen heute der wichtigste Bereich.

Zudem wird dem anglophil auftretenden Deutschen ein starker Hang zur Internationalisierung attestiert. Eschborn wird zwar Hauptsitz der Börse bleiben, doch das Gesamtunternehmen muss künftig internationaler und besser mit den großen Finanzplätzen der Welt verknüpft werden. Aufgrund seines Werdegangs ist der designierte Börsenchef in London, Hongkong und New York bekannter als alle seine Vorgänger – ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Den Chef der Londoner Börse etwa, Xavier Rolet, kennt er „aus alten Zeiten“.

Diese Unternehmen ziehen sich von der Börse zurück

Speziell in Asien könnte Kengeter ein Gewinn fürs praktische Geschäft der Börse sein. Er kennt den Kontinent und seine Gepflogenheiten, weiß aber auch um die Probleme, die sich aus den fragmentierten Märkten mit vielen verschiedenen Aufsichtsbehörden ergeben: Kengeter hat vier Jahre in Hongkong gearbeitet, als er für Goldman Sachs als Co-Head das Asienwertpapiergeschäft mit Ausnahme Japans leitete.

Manche in Eschborn hoffen, der kommunikative neue Chef werde außerhalb der Börse mehr Präsenz zeigen als sein Schweizer Vorgänger. Noch aber gibt der Neue sich unauffällig. Auf keinen Fall will Kengeter Francioni in diesen letzten gemeinsamen Wochen die Schau stehlen.

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