Ökonom Daniel Stelter "Der Wohlstand der Mittelschicht wird sinken"

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"Staatliche Zwangsmaßnahmen werden zunehmen"

Ist das politisch denn durchsetzbar?

Sehr schwierig. Deswegen befürchte ich, dass es zu einer weniger verträglichen Lösung kommen wird. Konkret: Staatliche Zwangsmaßnahmen, wie höhere Grundbesitzabgaben, Negativzinsen oder Bargeldbeschränkungen werden zunehmen, wir werden eine sehr lange Phase schwachen Wachstums erleben, der Wohlstand der meisten Bürger, vor allem der Mittelschicht, wird sinken. Das Renteneintrittsalter wird weiter steigen. Aber auch Immobilienbesitzer sind ein einfaches Ziel, wenn Staaten mehr Geld brauchen. Rentenversicherungen bringen kaum noch etwas; an den Sachwertmärkten kommt es immer wieder zu Crashs. Das ist kein Weltuntergang, aber angenehm ist das nicht. Als zweite Variante ist aber nach wie vor auch das Szenario der galoppierenden Inflation nicht vom Tisch. Ich nenne es auch Ketchupflaschen-Inflation. Man klopft und klopft auf den Boden und nur scheinbar kommt nichts raus.

Wie bitte?

Dass bisher trotz des vielen Notenbankgeldes und der wiederholten Maßnahmen keine hohe Güterpreisinflation aufgekommen ist, liegt an der schwachen Umlaufgeschwindigkeit des Geldes. Das kann sich aber ändern, wenn das Vertrauen der Wirtschaftssubjekte in eine Währung durch anhaltende ultralockere Geldpolitik zerstört wird. Niemand weiß, ob das kommt, aber wenn, dann steigt die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes rapide, und die Inflationsraten schießen nach oben.

Der ehemalige Chef der Bank of England legte diese Woche Deutschland den Euro-Austritt nahe, auch Sie bezeichnen in ihrem Buch den Euro als Schuldenkatalysator. Sollte Deutschland wirklich den Euro verlassen?

Politisch leider undenkbar, aber es wäre die beste Lösung für Deutschland und die Eurozone. Ein Austritt Deutschlands würde unsere Vermögensverluste beschränken, zugleich könnten wir die wirtschaftlichen Folgen besser bewältigen, unter anderem mit mehr Investitionen im Lande. Der viel wahrscheinlichere Fall ist jedoch der Austritt eines Krisenlandes wie Italien. Dies wird uns ins Chaos stürzen, weitere Länder mitziehen und erheblichen wirtschaftlichen Schaden und Vermögensverluste für uns bringen. Die ökonomische Antwort ist eindeutig. 

Diese Ausschüttungen dürfen Dax-Aktionäre erwarten

Was sollen Anleger heute tun?

Fest steht, dass die Halter von Geldvermögen so oder so die Gekniffenen sind. Mit sicheren Bundesanleihen allein können Anleger ihr Vermögen nicht erhalten, weil sie keine Zinsen abwerfen und zugleich die Vermögenspreise steigen. Die Deutschen halten nach wie vor viel zu viel Geld in Zins- und Geldkonten. Letzten Endes bietet ein Portfolio aus Aktien, Anleihen, Gold, Bargeld und Immobilien die besten Chancen auf Werterhalt des Vermögens. Dies aber global gestreut! Alles in Deutschland und Europa zu investieren ist sicherlich falsch.

Die Börse bricht immer wieder ein. Wie gelingt Anlegern die richtige Auswahl?

Mein wichtigster Tipp: misstrauen Sie Tipps. Ich würde immer raten, die Auswahl für das Portfolio in Eigenregie vorzunehmen und dabei seinen eigenen Verstand zu nutzen. Die Qualität bei Aktien und Anleihen sollte im Vordergrund stehen: Es geht darum, dass das gewählte Unternehmen auch in 20 Jahren noch etwas produziert, das die Welt braucht. Nur dann besteht die Chance darauf, zwischenzeitlich dramatische Verluste irgendwann wieder auszugleichen.

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