Öl und Opec Der verzweifelte Kampf des Ölkartells

Das Ölkartell und Russland machen Ernst. Sie wollen die seit Januar laufende Förderkürzung um jeden Preis verlängern und so die Preismacht am Markt zurückgewinnen. Nun haben sie zumindest einen Tagessieg errungen.

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Der saudische Ölminister Khalid al-Falih (links) und der russische Energieminister Alexander Nowak verkündeten am Montag ihren Plan, bis Ende März 2018 auf Teile ihrer Ölförderung verzichten zu wollen. Quelle: Reuters

Frankfurt Hatte sich der Ölpreis in den vergangenen Wochen ungewohnt resistent gegen die verbalen Eingriffe der Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) gezeigt, ließ die Opec am Montag den Preis einmal mehr kräftig steigen: Am Rande des G20-Treffens in China haben der russische und der saudische Ölminister – Vertreter der zwei größten Ölförderländer der Welt – erklärt, die aktuelle Förderkürzung bis Ende März 2018 zu verlängern. Khalid Al-Falih und Alexander Nowak betonten, sie würden tun, was auch immer nötig sei, um Angebot und Nachfrage am Ölmarkt auszugleichen.

Die Nachricht hat die Ölpreise stark angetrieben. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent verteuerte sich um 2,5 Prozent auf mehr als 52 Dollar. Nordamerikanisches Leichtöl WTI zog ebenfalls deutlich auf gut 49 Dollar an, 1,20 Dollar mehr als am Vortag.

Die Opec kann damit einen Teilerfolg für sich verbuchen. Seit Wochen spekulieren Vertreter des Kartells über eine Verlängerung der Förderkürzung. Doch der leichte Aufwärtstrend stabilisierte sich zunächst nicht, erst jüngst kam es zu einem Preiseinbruch auf deutlich unter 50 Dollar für ein Barrel der Sorte Brent. Um die Kehrtwende zu vollziehen, hat die Opec die Unterstützung ihres wichtigsten Verbündeten gebraucht – Russland. Nachdem der mit elf Millionen Barrel pro Tag größte Ölproduzent der Welt seine Hilfe zugesagt hat, geht es auch mit den Preisen wieder aufwärts.

Der ursprüngliche Kürzungsdeal stammt von Ende 2016. Ziel ist es, den zwischen Mitte 2014 und Anfang 2016 von über 110 zeitweise unter 30 Dollar gefallenen Preis wieder zu kontrollierten und zu stabilisieren. Die Opec verpflichtete sich, 1,2 Millionen Barrel Öl pro Tag weniger zu fördern. Elf weitere Nicht-Mitglieder, darunter Russland, sagten ihrerseits zu, 600.000 Barrel weniger zu fördern.

Das Problem: Das Abkommen läuft im Juni aus. Zwar leeren sich die prallvollen Öllager der Welt langsam. Es gibt also Zeichen, dass sich das jahrelange Überangebot in ein Defizit verwandelt. Dem Ölkartell geht dies allerdings nicht schnell genug. Sein Plan sah vor, die Vorräte auf einen Fünf-Jahres-Durchschnitt zu senken. Doch davon sind sowohl die entscheidenden Daten aus der OECD, also den wichtigen Industriestaaten, als auch den USA noch entfernt. In den USA lagen die Bestände in der vergangenen Woche bei 522,5 Millionen Barrel, was einer Reserve für 31 Tage entspricht. Die Internationale Energieagentur veröffentlicht am Dienstag ihre Zahlen für den April.

Dem Förderabkommen werden durchaus Effekte am Ölmarkt zugesprochen. Bereits Anfang Mai sagte der Finanzvorstand des Ölkonzerns BP, Brian Gilvary: „Wir erwarten, dass der hohe Stand der Öllager wieder in den oberen Bereich der historischen Spanne fällt, wenn die Opec die Kürzungen ins zweite Halbjahr verlängert.“ Gemeint war der vom Kartell angepeilte Fünf-Jahres-Durchschnitt. Die Preise dürfte das bei etwa 55 Dollar stabilisieren.


Die Schieferölproduzenten überraschen – schon wieder

Für die Analysten der Commerzbank kommt die Ankündigung wenig überraschend. Bereits am Freitag bemerkten sie, dass die Opec zu einer Verlängerung „verdammt“ sei. Das Dilemma der Opec bleiben die USA. In dem Land ist die Ölförderung seit Ende November um mehr als 600.000 Barrel gestiegen – viel schneller, als es das Kartell vermutet hätte. In ihrem vergangene Woche veröffentlichten Monatsbericht korrigierte die Opec daher ihre Prognose für das Wachstum des Nicht-Opec-Angebots um fast 400.000 auf 950.000 Barrel pro Tag nach oben.

Ihre Prognose für Schieferöl aus den USA droht dabei noch deutlich zu gering zu sein. Während die Opec mit 600.000 Barrel in diesem Jahr kalkuliert, reichen Schätzungen von Experten bis hin zu einer Million. HSH Nordbank-Analyst Jan Edelmann glaubt, dass die Fördersteigerungen in den USA noch nicht einmal das Opec-Abkommen widerspiegeln. Schließlich brauche auch Schieferöl ein viertel bis ein halbes Jahr von der Investmententscheidung bis zur Produktion. Die jüngsten Fördergewinne in den USA stammten vermutlich aus der Zeit zwischen Juni und September 2016. Damals kletterte der Preis erstmals im vergangenen Jahr über 50 Dollar. Das heißt: Der Rohstoff aus neuen Schieferölquellen, die dank der steigenden Preise nach dem Kürzungsabkommen erschlossen wurden, könnte erst in den kommenden Wochen und Monaten auf den Markt kommen – und so das US-Angebot weiter ausweiten.

Das Problem ist offensichtlich: Große Teile der Förderkürzung werden vom Angebot der Nicht-Opec-Mitglieder aufgewogen. Hinzu kommt, das einige Kartellmitglieder bislang von Einschnitten verschont blieben. „Sollten die von den Produktionskürzungen ausgenommenen Länder Nigeria und Libyen ihre Ölproduktion nennenswert steigern, könnte dieses Defizit sogar gänzlich verschwinden“, erklären die Analysten der Commerzbank. Das torpediert nicht nur das Vorhaben an sich, sondern kostet das Kartell auch mittel- bis langfristig wertvolle Marktanteile.

Bislang hielt sich die für seine zerstrittenen Mitglieder bekannte Opec überraschend eng an ihre Zusagen. Die Commerzbank-Strategen allerdings zweifeln, ob diese Disziplin in Anbetracht von Marktanteilsverlusten auch weiterhin Bestand haben wird. Ob die Opec-Mitglieder die von ihrem größten Vertreter Saudi-Arabien durchgesetzten Förderkürzungen noch länger für eine gute Idee halten, wird sich am 25. Mai zeigen. Dann beschließt die Opec auf ihrem nächsten offiziellen Treffen in Wien das weitere Vorgehen.

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