Öl Was 2018 den Ölpreis bestimmt

Die Organisation erdölexportierender Staaten kürzt gemeinsam mit zehn weiteren Nationen, darunter dem weltgrößten Ölproduzenten der Welt, Russland, auch 2018 weiter seine Produktion. Quelle: dpa

Verbraucher mussten 2017 stark steigende Ölpreise hinnehmen. Hoffnung, dass sich dieser Trend wieder dreht, gibt es im neuen Jahr kaum. Der Grund: Das Ölkartell Opec findet Gefallen an seinen Markteingriffen.

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Die aktuelle Ölpreisbewegung zeigt, wohin es 2018 gehen könnte: weiter nach oben. Der Preis des Rohstoffs liegt für die Sorte Brent bei knapp unter 68 Dollar und damit so hoch wie seit bald drei Jahren nicht. Getrieben wird das von der aktuellen Protestbewegung im Iran. Die Demonstrationen wecken die Sorge, dass durch Streiks im Land die Ölexporte beeinflusst werden könnten.

Der kurzfristige Preisanstieg trifft auf einen anhaltenden Trend. Schon Ende November waren die Vertreter der in der Opec organisierten Ölstaaten so zufrieden wie auf ihrer jüngsten Sitzung wie lange nicht: Der saudische Ölminister Khalid Al-Falih und sein russisches Pendant Alexander Nowak versicherten sich ihrer guten Zusammenarbeit – sie seien „Schulter an Schulter vereint“. Der iranische Ölminister Bijan Namdar Zangeneh gab darüber hinaus zu Protokoll, dass eigentlich alle zufrieden mit den aktuellen Preisen seien. Warum auch nicht: 2017 war das Jahr mit den stärksten Ölpreissteigerungen seit 2011. Um fast 20 Prozent hat sich der Rohstoff im vergangenen Jahr verteuert.

Kein Wunder also, dass es praktisch keine Widerrede gab, als die Verlängerung der Förderkürzung bis Ende 2018 von der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) beschlossen wurde. Wird das neue Jahr am Ölmarkt also eine langweilige Wiederholung von 2017, geprägt von Förderkürzungen des Kartells und steigenden Preisen?

Einiges deutet darauf hin, doch ganz so einfach ist es nicht: Vier wichtige Trends werden 2018 die weitere Entwicklung des Ölpreises bestimmen.

1. Das Ende der Förderkürzungen

Das Ölkartell Opec und seine Kürzungspolitik im Verein mit zehn weiteren Nationen, darunter Russland, werden auch in diesem Jahr ganz klar im Fokus der Ölpreis-Analysten stehen. Seit Anfang 2016 entzieht das Kartell dem Markt 1,8 Millionen Barrel (à 159 Liter) Öl pro Tag, um so das Überangebot abzubauen und die zuvor prall gefüllten Lagerbestände auf einen Fünf-Jahres-Schnitt zu senken.

Zweifelten zu Beginn zahlreiche Kritiker am Durchhaltevermögen der Förderstaaten, wurden sie von der Kürzungsallianz überrascht: Die Opec und ihre zehn Partner bleiben geschlossen und wollen bis Ende des Jahres an der Kürzung festhalten. Die Folgen sind am Ölmarkt spürbar, die Preise steigen, – kein Wunder, schließlich stecken hinter der Allianz 24 Staaten, die knapp die Hälfte der weltweiten Ölförderung auf sich vereinen.

Auch die Internationale Energieagentur, die einst als Gegenstück zur Interessengruppe der Ölförderstaaten gegründet wurde, erkennt die Entschlossenheit an. Bis November 2017 hätte die Opec-Staaten ihre verabredeten Markteingriffe zu 91 Prozent umgesetzt. Im November hätten sie die selbstgesteckten Ziele sogar mit 115 Prozent übererfüllt. Die Lagerbestände der OECD lägen bei 2.940 Millionen Barrel nur noch 111 Millionen Barrel über dem von der Kürzungsallianz angepeilten Fünf-Jahres-Durchschnitt; zu Jahresbeginn betrug der Überschuss noch 340 Millionen Barrel. Jan Edelmann, Öl-Analyst der HSH-Nordbank, geht sogar noch weiter: Angesichts der gestiegenen Nachfrage in den OPEC-Ländern sei das Kürzungsziel jetzt schon fast erreicht. Das Kartell ist also auf Kurs.

Nach den Berechnungen von Goldman Sachs könnten die Kürzungen schon zur Hälfte des Jahres auslaufen, – schlicht und ergreifend, weil die Allianz dann ihr Ziel erreicht haben dürfte.

Spätesten dann dürfte es Diskussionen in der Kürzungsallianz über die Frage geben, wie man aus der bisherigen Politik aussteigen sollte, wer seine Förderung wie stark erhöhen darf. Jan Edelmann rechnet damit, dass das Kartell und seine Mitstreiter ihre Produktion bis Jahresende schon wieder um 450.000 Barrel pro Tag erhöhen werden – was knapp einem Viertel der Kürzungsmaßnahmen entspräche. „Diese Prognose beruht in erster Linie auf der Annahme, dass die OPEC zunächst die OECD-Öllagerbestände vollständig auf das Normalniveau zurückführen will und im Anschluss die Vorräte auf normalisierten Niveaus konstant zu halten versucht.“

Mit drastischen Preisbewegungen rechnet Edelmann daher nicht. Im Gegenteil: Im Jahresdurchschnitt werde ein Barrel der Nordseesorte Brent 60 Dollar kosten. Das wären sieben Dollar weniger als im Moment. Das heißt: Auch 2018 reißt das Ölkartell nicht die absolute Marktmacht an sich. Diese muss sich die Opec mit einem weiteren bedeutenden Player am Markt teilen – den Schieferölproduzenten.

Mehr Schieferöl, aber keine unkontrollierte Marktflutung



2. Amerikanisches Schieferöl: Qualität statt Quantität

So sehr sich die Öl-Allianz Opec über die Effekte ihrer Förderkürzung freuen kann: Die Konkurrenz durch die Schieferölförderer in den USA wird sie nicht mehr los. Allein 2017 haben diese 900.000 Barrel pro Tag mehr gefördert als im Vorjahr und so die US-Ölproduktion auf zuletzt 9,8 Millionen Barrel Öl pro Tag angehoben. Im kommenden Jahr könnte es zu ähnlichen Steigerung kommen. Die USA könnten dann mehr als zehn Millionen Barrel Schieferöl pro Tag fördern und Saudi-Arabien als zweitgrößtes Ölförderland überholen. Die Analysefirma IHS Markit schätzt, dass die Amerikaner Ende dieses Jahres bis zu 10,5 Millionen Barrel Öl pro Tag pumpen könnten – so viel wie nie zuvor.

Damit noch nicht genug: In seinem aktuellem Energieausblick krönt IEA-Chef Fatih Birol die US-Amerikaner zum „unangefochtenen Öl- und Gas-Anführer in den kommenden Jahrzehnten“. Ein derart rasantes Produktionswachstum sei noch nie dagewesen. Selbst der bis heute größte Ölfund, das Ghawar-Feld in Saudi-Arabien, sei nicht vergleichbar. Und schon im kommenden Jahr könnten abermals Millionen neuer US-Barrels den Ölmarkt fluten.

Kein Wunder also, dass Mohammed Barkindo, der Generalsekretär der Opec, im Oktober vergangenen Jahres eindringlich an die „Freunde in den nordamerikanischen Schieferölbecken“ appellierte, sich ihrer Verantwortung für den globalen Ölmarkt bewusst zu werden.

Für ihn und seine Opec-Kollegen gibt es immerhin eine tröstliche Botschaft: Statt auf Masse, werden die Schieferölförderer 2018 zunehmend auf Qualität setzen. „Die Geschäftsführer und Management-Teams werden zunehmend zur Rechenschaft gezogen, mehr positiven Cashflow zu generieren, statt die Produktion immer weiter zu erhöhen. Das gilt auch bei Preisen jenseits von 60 Dollar je Barrel“, erklärt Chris Midgley, Chef der Analyse-Abteilung bei S&P Global Platts in seinem Ausblick.

Es wird einerseits also erneut deutlich mehr Öl in den USA gefördert werden, wohl aber nicht so viel, dass die Ölpreise erneut kollabieren. Das würde letztlich auch den Amerikaner schaden. Als der Ölpreis zwischen 2014 und Anfang 2016 von über 110 auf zeitweise unter 30 Dollar stürzte, gingen dutzende US-Förderer Pleite.

Die in 2018 wieder steigende Ölförderung in den USA, aber auch bei der Opec und ihren Verbündeten, lässt Analysten bei ihren Preisprognosen vorsichtig bleiben. Zu den größten Skeptikern gehört die Citigroup, die im Lauf des Jahres und auch 2019 erneut ein Überangebot am Markt voraussehen.

Steigende Nachfrage trifft auf Angst vor Angebotsengpässen


3. Nachfrage

Eine bedeutende Größe, auf die sowohl die US-Schieferölproduzenten als auch die Förderkürzungsallianz um die Opec nur mittelbar Einfluss haben, ist die globale Nachfrage. Bislang gibt es hier aus Sicht der Ölmultis keinen Grund zur Sorge: Die Weltwirtschaft wird wohl auch 2018 weiter stark wachsen, um 3,7 Prozent, schätzt der Internationale Währungsfonds.

Das sind gute Nachrichten für Ölproduzenten. Denn eine Weltwirtschaft, die wächst, braucht mehr Öl. Edelmann von der HSH-Nordbank rechnet damit, dass die Nachfrage in diesem Jahr um 1,6 Millionen Barrel steigt. Für einen Preissturz könnte allenfalls ein globaler Wirtschaftseinbruch sorgen.

Der Hype um Elektroautos dürfte hingegen auch im kommenden Jahr noch keine Rolle für die Ölproduzenten spielen. Wie schwierig es ist, diese in der Masse und zu erschwinglichen Preisen zu produzieren, zeigt sich beim Elektroauto-Vorreiter Tesla. Dessen Chef, Elon Musk, versprach bereits für 2017, die Produktion seines ersten Massenmodells („Model 3“) auf 5.000 Stück pro Woche hochzufahren. Das käme einem Durchbruch gleich angesichts nach wie vor geringer E-Auto-Absätze. Doch es gibt Probleme: Im vergangenen Quartal liefen nur 1.550 „Model 3“ vom Band. 5.000 Stück pro Woche wird es wohl erst zur Jahreshälfte geben, räumte Musk nun ein. Frühestens.

Bis die Kosten für Elektroautos zu denen mit Verbrennungsmotor aufschließen, könnte es noch bis Mitte der 2020er-Jahre dauern, schätzen Experten. Frühestens dann müssen sich die Ölproduzenten akute Sorgen um sinkende Nachfrage aus dem Automobilbereich machen.


4. Die Rückkehr der geopolitischen Risiken

Viel eher könnten da schon geopolitische Risiken 2018 den Ölpreis beeinflussen – und zwar zu Ungunsten der Verbraucher. Wie das aussehen kann, zeigt der Jahresbeginn: Die jüngsten Aufstände im Iran haben bei Ölinvestoren die Furcht vor Einschränkungen des Ölangebots geschürt. Kein Wunder: Mit 3,8 Millionen Barrel pro Tag produziert das Land knapp vier Prozent des weltweiten Angebots. Der Iran ist der drittgrößte Förderstaat der Opec.

Ein Barrel der Nordseesorte Brent hat sich seit Ausbruch der Proteste um mehr als einen Dollar auf 68 Dollar verteuert. Dabei gibt es bislang keine Beeinträchtigungen der Ölproduktion oder gar Beschädigungen der Ölinfrastruktur. Es sei ohnehin unwahrscheinlich, dass die Förderung eingeschränkt würde, schätzen Experten. Schließlich sei es im Interesse aller – der aktuellen Regierung wie der Demonstranten –, dass Iran weiter Öl fördert und verkauft, sagt Spencer Welch, Ölstratege vom Analyseunternehmen IHS Markit. „Dennoch: Geopolitische Spannungen sorgen derzeit für einen Aufschlag von fünf bis zehn Dollar gegenüber dem Ölpreis, der fundamental gerechtfertigt wäre.“

Nachdem die Geopolitik in den vergangenen Jahren am Ölmarkt kaum eine Rolle gespielt habe, sei sie nun zurück: Nicht nur im Iran, sondern auch im Nordirak, in Libyen, Nigeria und Venezuela mache sich ihr Einfluss bemerkbar. Auch die zunehmenden Spannungen zwischen den beiden Ölmächten Saudi-Arabien und Iran, die sich im vergangenen Jahr nicht zuletzt im Konflikt um die Katar-Blockade offenbarten, bereitet Beobachtern Kopfzerbrechen.

Der Start ins Jahr 2018 zeigt, dass die Wogen auf dem Ölmarkt wohl eher noch höher schlagen könnten, als sich alsbald zu glätten. Die Geopolitik ist ein unberechenbarer Faktor, der den Ölpreis in diesem Jahr trotz aller Stabilitäts-Vorzeichen nach oben treiben könnte.

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