
Düsseldorf Das Geld Tausender Anleger steckt in offenen Immobilienfonds fest, die nun abgewickelt werden. Bei den sechs Kleinanlegerfonds, die aufgelöst werden, geht es um ein Volumen von 6,5 Milliarden Euro. Die Betroffenen fragen sich nun: Halten und abwarten, was die Fondsverwaltung halbjährlich auszahlt, oder jetzt an der Börse Kasse machen? Guter Rat ist schwer zu bekommen. Dabei haben beispielsweise Aberdeen, der Verwalter der Degi-Anteile, und Morgan Stanley Telefon-Hotlines für Anleger eingerichtet.
Doch auch die Mitarbeiter haben auf die Frage nach der besten Strategie keine Antwort: „Das kann ich ihnen nicht beantworten“, sagt der Mann am Morgan-Stanley-Telefon. Ob es weitere Abwertungen geben wird? Das sei nicht vorherzusagen, aber sie seien nicht ausgeschlossen, räumt er ein. Gerade die Anleger des Morgan Stanley P2 Value sind Kummer gewohnt. Häufig wurden Fondsgebäude abgewertet. Zum Schluss gibt der Mann am Telefon noch den Rat: „Bevor Sie mit den Anteilen an die Börse gehen, sollten Sie mit dem Berater ihrer Hausbank sprechen.“ Eine Idee, die auch der Experte am Telefon von Aberdeen hat. Auch er „kann und darf keinen Tipp geben“.
Stichprobe beim Berater: Ein Anruf bei der Commerzbank in Düsseldorf. Der Kunde gibt sich als Sohn aus, der für den betagten Vater klären möchte, was der alte Mann am besten mit seinen Anteilen am Degi Europa macht. Die, so die Geschichte, habe der Vater vor Jahren, als die Degi noch zur Dresdner Bank gehörte, gekauft. Und inzwischen gehöre die Dresdner ja der Commerzbank. Wieder die Frage: Warten, was kommt, oder an der Börse versilbern? „Ich will Ihnen keinen direkten Rat geben“, sagt der Commerzbank-Berater, verweist aber auf die hohen Abschläge, mit denen die Anteile an der Börse gehandelt werden. Bemüht, den Kunden zufriedenzustellen, empfiehlt er einen Anruf bei Aberdeen und diktiert dem hilfesuchenden Anrufer die Hotline-Nummer durchs Telefon.
Einer, der sich mit einem Rat aus der Deckung wagt, ist Steffen Sebastian, Inhaber des Lehrstuhls für Immobilienfinanzierung an der Universität Regensburg: „Bei den Abschlägen, die ich in der letzten Zeit beobachtet habe, erscheint es mir in den meisten Fällen sinnvoller, nicht über die Börse zu verkaufen, sondern auf die Ausschüttungen zu warten.“ Und wenn der Anleger dringend Geld brauche, solle er vor dem Verkauf über die Börse prüfen, ob die Bank die Anteilsscheine als Sicherheit für einen Privatkredit akzeptiert. Ein Blick auf die aktuellen Börsenkurse spricht für Sebastians Empfehlung. Für den Morgan-Stanley-Fonds wird nur etwa der halbe Anteilspreis gezahlt.
Unkalkulierbare Wertentwicklung
Wie der Anteilspreis am Ende aussehen wird, hängt davon ab, ob der Fonds seine Gebäude zu dem Preis verkaufen kann, den unabhängige Sachverständige als Wert geschätzt haben. Anders als bei aktiven Fonds darf das Management laut Auskunft der Aufsicht Bafin Immobilien auch unter Wert verkaufen, und zwar „zu angemessenen Bedingungen“. Doch was angemessen ist, will sie im Einzelfall entscheiden.
Auch deshalb ist die künftige Wertentwicklung für Anleger kaum kalkulierbar. Zudem hat die Praxis gezeigt: Wenn zu den aktuellen Werten nicht verkauft werden kann, wird abgewertet. Unrühmliche Spitzenposition hat auch in diesem Fall der P2 Value, der zwischen erster Anteilsaussetzung und Ankündigung der Abwicklung fast die Hälfte seines Wertes verloren hat.
Die verbindlich vorgeschriebene jährliche Bewertung der Fondsimmobilien muss auch für die in Auflösung begriffenen Fonds weitergeführt werden. Insofern wäre es zwar überraschend, aber nicht vollkommen ausgeschlossen, dass die Börsenkurse durch künftige Abwertungen unterschritten würden.
Doch noch andere Faktoren sorgen dafür, dass beim Anleger weniger ankommt, als aufgrund des Anteilspreises zu erwarten ist. Verkauft ein Fonds Gebäude in Deutschland binnen zehn Jahren und macht dabei einen Veräußerungsgewinn, müsse der versteuert werden, bemerkt Sonja Knorr, Fondsanalystin der Ratingagentur Scope. Werden Gebäude wegen der Abwicklung früher verkauft als geplant und der Kredit dafür läuft noch, verlangt die Bank eine Vorfälligkeitsentschädigung.
Interessenskonflikt durch Depotbanken
In einem Monat steht die nächste Ausschüttung des P2 Value an. Wenn es dem Fonds nicht gelingt, weitere Gebäude zu verkaufen, wird er bei elf Prozent Liquidität wohl weniger als zehn Prozent auf den Anteilswert ausschütten.
Für die Anleger von Axa Immoselect und Degi International ist gerade besonders ärgerlich, dass ihre Fonds zwar Geld in der Kasse haben, weil sie es schön zusammenhielten, um vielleicht doch noch öffnen zu können. Sofort ausschütten dürfen sie das Geld nicht: Sie sind an einen Halbjahresturnus gebunden. Das Verfahren sei mit der Bafin abgesprochen, sagt ein Sprecher. Auch Auszahlungen unmittelbar nach größeren Verkäufen sind nicht möglich.
Die Bafin verweist darauf, dass die halbjährliche Ausschüttung schon die verbesserte Regelung nach dem neuen Investmentgesetz ist. Anderenfalls hätten Anleger auf die Auflösung der Fonds durch die Depotbank warten müssen. Sie springt ein, wenn es der Fondsgesellschaft nicht gelingt, alle Gebäude binnen drei Jahren zu Geld zu machen.
Die Übergabe an die Depotbank sollten sich die Anleger nicht wünschen. Ihr Geschäftsmodell sieht das Verkaufen und Vermieten von Gebäuden nicht vor. Holger Sepp, Geschäftsführer von Caceis in Deutschland, hat weitere Bedenken: „Es könnte zu einem Interessenkonflikt kommen, wenn eine Depotbank, die eigentlich die Aufgabe hat, den Vermögensverwalter zu kontrollieren, dessen Aufgabe übernehmen soll.“ Caceis ist Depotbank für die Fonds von Morgan Stanley und TMW Pramerica.