Opec-Ölausblick Mehr Elektroautos – na und?

Während jeder von der Revolution der Elektroautos spricht, bleibt die Organisation erdölexportierender Staaten gelassen. Einen Nachfrageeinbruch beim Öl sieht sie nicht – ganz im Gegenteil.

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Öl, Opec, Ölpreis, Ölreserven, E-Autos Quelle: dpa

Frankfurt Der Blick in die Ölzukunft bis ins Jahr 2040 sieht aus wie der Querschnitt eines seicht, aber stetig ansteigenden Hügels. So zumindest skizziert die Organisation erdölexportierender Staaten (Opec) die Nachfragekurve und damit ihre Erwartungen an die Geschäfte in den kommenden Jahren.

Der Tenor des diesjährigen World Oil Outlooks lässt sich schnell zusammenfassen: Totgesagte leben länger. Während der Hype um Elektroautos schon Fantasien vom Ende des Ölzeitalters beflügeln, sorgt sich das Ölkartell keineswegs um das Geschäft. Man glaubt weiter an das immerwährende Nachfragewachstum bis 2040 – und widerspricht damit der jüngsten Debatte über einen absehbaren Scheitelpunkt bei der Nachfrage.

Dabei nimmt der politische Druck zu, den Einsatz fossiler Brennstoffe deutlich zu reduzieren: In Bonn diskutieren in diesen Tagen Regierungsvertreter aus aller Welt auf der UN-Klimakonferenz, wie die Klimaerwärmung bis Ende des Jahrhunderts noch auf zwei Grad begrenzt werden kann. Für viele geht das nur, wenn im großen Stil auf fossile Energieträger verzichtet wird, allen voran Kohle, aber eben auch Öl.

Behält die Opec Recht, könnten sich die Regierungsvertreter zumindest Letzteres vorerst abschminken: Bis 2040 werde der Ölverbrauch der Welt von heute 97 auf 111 Millionen Barrel pro Tag ansteigen. Übermäßig optimistisch ist das Kartell damit nicht. Der für seine präzisen Energieanalysen bekannte britische Ölkonzern BP rechnet bis 2035 mit einer Nachfrage von 110 Millionen Barrel pro Tag.

Die wachsende Nachfrage begründet das Ölkartell mit positiven Wirtschaftsaussichten. Zwischen 2016 und 2040 werde die Weltwirtschaft im Schnitt um 3,5 Prozent pro Jahr wachsen. Bei genauerem Hinsehen werden aber deutliche Unterschiede sichtbar: In den Industriestaaten rechnen die Ölexperten mit einer drastisch sinkenden Nachfrage um rund neun Millionen Barrel pro Tag, weil die Bevölkerung in diesen Ländern nur geringfügig größer werde und sie wirtschaftlich schon weit entwickelt sind.

Ganz anders in den Entwicklungsländern. Dort soll die Nachfrage um 24 Millionen Barrel pro Tag steigen – was die Rückgänge in den Industriestaaten mehr als wettmachen würde. Das Ölkartell hat dabei vor allem China und Indien im Blick, die als größter Nachfragetreiber ausgemacht werden.

Seit 2014 agiert die Opec mit verschärfter Konkurrenz auf den Ölmarkten. Vor allem die Schieferölkonzerne in den USA setzen sie unter Druck. Anders als die klassischen Ölförderer pumpen sie den Rohstoff nicht aus großen Reservoirs hervor, deren Erschließung mehrere Jahre dauert und Milliarden von Dollar kostet, sondern sprengen das Öl mithilfe eines Gemischs aus Chemikalien, Wasser und Sand aus porösen Gesteinsschichten. Das kostet pro angezapfter Quelle nur einige Millionen Euro und dauert weniger als ein halbes Jahr, bevor das Öl an den Markt kommt. Die Entwicklung hat das Ölgeschäft derart umgewälzt, dass einige Banken wie etwa Goldman Sachs den Schieferölproduzenten schon die neue Rolle als entscheidenden Player am Markt zusprechen.

Selbst die Opec billigt den Amerikanern großes Potenzial zu, bleibt aber gelassen. Bis 2025 könnte sich die Produktion allein von US-Schieferöl zwar noch auf zwölf Millionen Barrel verdoppeln, flache dann aber ab. Daher werde langfristig vor allem von der Opec mehr Öl nachgefragt, schlussfolgert Opec-Generalsekretär Mohammed Barkindo.

Die Nachfrage nach Opec-Öl bleibe bis Mitte der 2020er-Jahre stabil und ziehe danach spürbar an bis auf 41,1 Millionen Barrel pro Tag. Der Marktanteil von etwas weniger als 40 Prozent bleibt damit weitgehend konstant mit leicht steigender Tendenz.


Das meiste Öl wird im Transportsektor verbraucht

Für die Ölnationen ist und bleibt der Transportsektor der größte Abnahmemarkt. Heute wird dort jedes zweite Barrel Öl gebraucht, 2040 könnten es schon zwei von dreien sein. Der Absatz wird nach Ansicht der Opec also drastisch steigen.

Die Prognose beißt sich mit dem Hype um Elektroautos, der dieser Tage einen Siegeszug rund um die Welt feiert. Städte wie Paris, Madrid oder Athen wollen Dieselautos aus den Innenstädten verbannen. Andere wie London wollen die Zulassungen für Verbrenner in den kommenden Jahren insgesamt verschärfen.

Das Ölkartell nimmt Elektroautos durchaus wahr – viel mehr aber auch nicht. Zwar sei bis 2040 mit einem deutlich steigenden Absatz zu rechnen. Mit den Umwälzungen, die einst der Durchbruch des Otto-Motors mit sich brachte, lässt sich das nach Ansicht der Opec aber nicht vergleichen.

Nicht zuletzt dank steigender Absätze in den Entwicklungsländern werde sich die Zahl der Fahrzeuge in den kommenden 23 Jahren zwar auf zwei Milliarden verdoppeln. E-Autos würden dann aber gerade einmal für einen Anteil von zwölf Prozent stehen. Noch wesentlich geringer falle der Anteil bei kommerziellen Fahrzeugen wie Lkw oder Bussen aus.

Damit bleibt das Kartell weit hinter anderslautenden Einschätzungen zurück. Bloomberg New Energy Finance etwa kalkuliert, dass bis dahin ein Drittel der globalen Autoflotte aus E-Autos besteht und rund acht Millionen Barrel Öl pro Tag ersetzen könnte. Beide Schätzungen beziehen übrigens Hybrid-Fahrzeuge mit ein.

Was ist also dran an der Behauptung, dass die Ölnachfrage in absehbarer Zeit ihren Höhepunkt überschreite? Ian Taylor, der Chef des weltgrößten Ölhändlers Vitol, sagte jüngst, dass es schon 2028 soweit sein könnte. Und laut einer Analyse des britischen Ölkonzerns könnte es sogar schon 2035 soweit sein, falls das Weltwachstum sich verlangsame und die Nationen ihre Klimaziele energischer umsetzten.

Derartige Andeutungen bleiben in der Prognose der Opec aus. Immerhin aber zeigte die Nachfragekurve auch: Während das jährliche Wachstum in den kommenden Jahren noch weit über einer Million Barrel pro Tag liegt, flacht es zum Ende des Betrachtungszeitraums deutlich ab – auf dann nur noch 0,3 Millionen Barrel pro Tag.

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