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Pleite von MF Global „Mini-Goldman“ offenbart die Schwächen der Wall Street

Die Insolvenz des US-Finanzhauses MF Global lenkt die Aufmerksamkeit auf die Derivatemärkte. Die Pleite ruft am Markt Erinnerungen an den Zusammenbruch von Lehman Brothers wach - und bestätigt Regulierungsbefürworter.

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Der Finanzdienstleister MF Global hat Insolvenz angemeldet. Quelle: Reuters

New York / Frankfurt Der Kollaps des US-Finanzdienstleisters MF Global lässt an den Märkten und in Washington die Alarmglocken läuten. Denn das im Jahr 2007 aus der britischen Hedge-Fonds-Firma Man Group ausgegliederte Unternehmen ist eines der größten Maklerhäuser im globalen Derivategeschäft. Gleichzeitig verzockte sich die Firma mit einer milliardenschweren Wette an den europäischen Anleihemärkten. Experten gehen nun davon aus, dass dies zu einer weitaus strikteren Regulierung in den USA führen wird.

MF Global hatte gestern Insolvenz angemeldet, nachdem eine 6,3 Milliarden Dollar schwere Wette auf die Erholung von Euro-Staatsanleihen schiefgegangen war. Als Verantwortlicher gilt MF-Global-Chef Jon Corzine, der im April Händler offen ermutigt hatte, größere Risiken einzugehen. Der Ex-Goldman-Chef Corzine, hatte MF Global zu einem "Mini-Goldman" ausbauen wollen. Dabei hatte er nicht die heutige Version des Wall-Street-Primus im Kopf, die als Geschäftsbank seit der Neuregulierung der Wall Street praktisch keine Spekulationsgeschäfte machen darf. Vielmehr sollte die Nichtbank MF Global wie die alte Goldman ein großes Rad an den Märkten drehen.

Dass dies ordentlich schiefgegangen ist, dürfte Wasser auf die Mühlen derer sein, die eine härtere Regulierung der Wall Street fordern. "Corzine hat allen gezeigt, dass man die Wall Street nicht unbeaufsichtigt lassen kann", sagte Dick Bove, Bankanalyst bei Rochedale Securities. Vor allem bei der endgültigen Formulierung der Volcker-Regel werde dies sich bemerkbar machen, so Bove. Die nach den ehemaligen US-Notenbankchef Paul Volcker benannte Regel verbietet Banken die Spekulation mit eigenem Geld. Was sich einfach anhört, ist im Detail eine sehr komplizierte Angelegenheit. Denn es ist nicht ganz einfach zu definieren, was etwa Kundengeschäft oder Absicherungsgeschäft ist, und was im Gegensatz dazu als Spekulation anzusehen ist.

Die Volcker-Regel befindet sich derzeit in der Definitionsphase. Bis Anfang Dezember kann die Bankenbranche zu den Vorschlägen der Regulierer Stellung nehmen. Bis vor kurzem hatten die Institute gehofft, die relativ strickten Definitionen der Regulierer zum Thema Eigenhandel aufweichen zu können. Experten rechnen nun damit, dass dies politisch kaum durchsetzbar sein wird.

Gleichzeitig dürfte die Pleite von MF Global die Diskussion um die wenig regulierten außerbörslichen Derivatemärkte neu entfachen. Zu erwarten ist, dass Gesetze, die einen Handel von Derivaten an Terminbörsen erzwingen, jetzt mehr Unterstützer erhalten. Große Terminbörsen wie die zur Deutschen Börse gehörende Eurex oder die CME Group sichern Geschäfte durch Risikomanagementsysteme ab. Terminbörsen gelten daher als sicher. Dem steht der riesige Freiverkehrsderivatemarkt (OTC) gegenüber, der 85 Prozent des gesamten globalen Derivategeschäfts ausmacht. Hier, wo MF Global einen Teil seiner Spekulationsgeschäfte abschloss, fehlen wichtige Risikokontrollfunktionen.

Politiker und Aufsichtsbehörden haben diese Schwächen zwar erkannt und beschlossen, OTC-Derivate stärker in ein börsliches Umfeld einzufügen. Der große Durchbruch lässt jedoch weiter auf sich warten. Auch drei Jahre nach dem Zusammenbruch von Lehman Brothers 2008 haben weder Europäer noch Amerikaner ein verbessertes Regelwerk verabschiedet. Auch deswegen, weil die Banken sich dagegen gewehrt haben.

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