Die Papierform unserer Kandidaten ist bestechend:
Royal Dutch und Chevron zeichnen sich durch grundsolide Bilanzen, hohe Renditen und Widerstandskraft gegenüber Ölpreisschwankungen aus. Occidental bietet eine Dividendenrendite von deutlich über drei Prozent und ist dabei, zehn Prozent seiner Aktien zurückzukaufen. EOG hat eine der branchenweit niedrigsten Gewinnschwellen, unter 60 Dollar je Fass. Und Schlumberger könnte bei einer Erholung des Ölpreises Marktanteile dazugewinnen.
Royal Dutch Shell
Die Dividendenrendite von Royal Dutch liegt bei 5,5 Prozent und scheint auch kaum gefährdet, da das Unternehmen in der Bilanz Barbestände von 19 Milliarden Dollar ausweist. Schon das sollte den Anlegern Appetit machen. Der Konzern hat im Oktober erklärt, jeder Rückgang des Ölpreises um zehn Dollar würde den Jahresgewinn im laufenden Jahr um jeweils 3,2 Milliarden Dollar sinken lassen. Das ist nicht wenig, doch für ein Unternehmen, das 2014 21,5 Milliarden Dollar beziehungsweise 7,31 Dollar je Aktie verdienen sollte, nicht gerade ruinös. Mit einem Marktwert von 219 Milliarden Dollar wird Royal Dutch nur von ExxonMobil mit 397 Milliarden Dollar übertrumpft. An denen missfällt uns aber das starke Gasgeschäft – der Gaspreis dürfte noch länger unten bleiben.
Fakten zum Rohölpreis
Die Fachleute unterscheiden zwischen Reserven und Ressourcen. Reserven sind Rohstoffe, die mit heutigen Mitteln wirtschaftlich gefördert werden können, also zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Ressourcen sind weitere Vorkommen eines Rohstoffs in der Erdkruste, die aber noch nicht zugänglich sind. Die Ölreserven betragen, je nach Quelle, ungefähr 220 bis 240 Milliarden Tonnen, davon etwa ein Fünftel aus unkonventionellen Quellen wie Schieferöl und Ölsände. Den bisherigen Verbrauch seit Beginn des Ölzeitalters beziffert die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 175 Milliarden Tonnen.
Bei heutigem Verbrauch noch mehr als 50 Jahre. Die Nachfrage und der Verbrauch werden jedoch in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Öl ist mit einem Anteil von einem Drittel der wichtigste Energieträger. Damit hat es zwar relativ an Bedeutung verloren; vor 40 Jahren hat Öl noch fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs abgedeckt. Aber der Energieverbrauch steigt weltweit weiter an und damit auch der Ölverbrauch. Nach der Prognose von BP erhöht er sich bis 2035 von heute 90 auf 109 Millionen Barrel pro Tag. Andere Prognosen sind niedriger, die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet mit 104 Millionen Barrel bis 2040.
Da streiten die Gelehrten. Es gibt zwei Denkschulen. Die Anhänger der Peak-Oil-Theorie gehen davon aus, dass bei konventionellem Öl bereits das Fördermaximum erreicht ist und nur mit teuren unkonventionellen Methoden wie Fracking von Ölschiefer und Förderung von Ölsänden noch Produktionssteigerungen möglich sind. „Nur Nordamerika trug in den Jahren seit 2005 überhaupt zu einer Steigerung der globalen Ölförderung bei. Ohne Berücksichtigung der USA und Kanada ist die Welt bereits seit neun Jahren auf dem Ölfördergipfel“, heißt es auf einer Internet-Seite der Peak-Oil-Fraktion. Sie sieht stark steigende Ölpreise bereits vor 2020 voraus.
Die Peak-Oil-Theorie hat eher an Zustimmung verloren; auch weil ihre Befürworter den Zeitpunkt für den Ölgipfel schon mehrfach verschieben mussten. „Die Dinge stehen nicht still in der Energieindustrie“, sagt Daniel Yergin, einer der weltweit führenden Ölexperten. Durch technische Innovation könnten immer neue Ressourcen entwickelt und zu förderbaren Reserven werden. Für jedes geförderte Fass Öl würden so 1,5 neue Fässer den Reserven hinzugefügt. Yergin erwartet, dass sich die Ölförderung gegen Mitte des Jahrhunderts auf einem Plateau befindet, ehe dann die Förderung und die Nachfrage langsam nachgeben.
Der Wissenschaftler Leonardo Maugeri hat bereits 2012 eine Ölschwemme und fallende Preise ab 2015 vorhergesagt, weil die Kapazitäten zur Ölförderung auf der Angebotsseite erheblich ausgeweitet würden. „Der Schiefergas-Ölboom in den USA ist keine Blase, sondern die wichtigste Revolution im Ölsektor seit Jahrzehnten“, schrieb er in einer Studie. Es gebe enorme Mengen von konventionellem und unkonventionellem Öl, das zum Teil noch gar nicht entdeckt sei. Ein Fördergipfel, ein Peak-Oil, sei nicht in Sicht. So ist es gekommen. Es gibt Öl im Überfluss und die Preise sind verfallen. Das Förderkartell Opec hat sich vorläufig selbst aus dem Spiel genommen und will den Ölhahn nicht mehr zudrehen. Sondern ganz marktwirtschaftlich versuchen, seine Kostenvorteile bei der Förderung auszuspielen.
Kurzfristig ist der Ölpreis einer Vielzahl von verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, von Kriegen oder Krisen über Handelsembargos und Finanzspekulation bis hin zu Naturkatastrophen und Wetterverhältnissen. Diese kurzfristigen Preisschwankungen kann niemand vorhersehen. Mittelfristig erwarten die meisten Experten eine Periode mit eher gemäßigten Preisen und gut versorgten Märkten für mehrere Jahre. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die bereits jetzt Rohöl für deutlich unterbewertet halten und vor einem Preisanstieg warnen, etwas bei den Bankanalysten. Die BGR vertritt einen mittleren Kurs. Erdöl, so die Behörde, sei der einzige Energierohstoff, bei dem sich eine Limitierung abzeichnet.
Royal-Dutch-Boss Ben van Beurden ist bestrebt, Kosten zu senken und den freien Cash-Flow zu erhöhen – selbst auf Kosten des Produktionswachstums. Dieses Jahr hat das Unternehmen Beteiligungen im Wert über elf Milliarden Dollar – inklusive eines Großteils des Schiefergeschäfts in den USA – verkauft und wird somit die Öl- und Gasproduktion dieses Jahr um rund elf Prozent reduzieren. „Als eine der wenigen großen Ölfirmen konnte das Unternehmen dem Abschwung mit einer aufgrund der Restrukturierung starken Dynamik begegnen“, meint Jason Clark von Afam Capital.
Chevron
Auch der US-Riese glänzt mit einer hohen Dividendenrendite – beim gegenwärtigen Kursniveau 3,8 Prozent. Und die Anleger sind zuversichtlich, dass diese Ausschüttung auch nicht versiegen wird. „Die Dividende steigt schon seit Jahrzehnten, und Dividendenkürzungen gibt es bei dieser Firma nicht“, sagt Ledoux von South Texas Money Management.
Anders als Royal Dutch hat Chevron viel Geld in Projekte gesteckt, so zum Beispiel in eine 54 Milliarden Dollar teure Erdgasverflüssigungsanlage in Australien. Die Quittung ist 2015 ein negativer freier Cash-Flow (Mittelzufluss, hier: Abfluss) von 4,7 Milliarden Dollar. Per Oktober war das Projekt allerdings bereits zu 87 Prozent fertiggestellt und sollte Mitte 2015 in Betrieb gehen. 2016 könnte der freie Cash-Flow dann wieder positiv werden.
Chevron verfügt über ein komfortables Kapitalpolster, da die Nettoverschuldung nur bei etwa sechs Prozent des Gesamtkapitals liegt. Und den Großteil dieser Schulden könnte Chevron sofort aus seiner Kasse von 14,5 Milliarden Dollar tilgen. Chevron ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von gut 14 auf Basis des für 2015 erwarteten Gewinns unter den ganz großen US-Ölkonzernen am günstigsten. Auch gut: Tankstellen- und Raffineriegeschäft federn Verluste aus der Ölförderung ab.