Preissturz Welche Ölaktien jetzt günstig sind

Der Ölpreis fällt immer weiter, zuletzt sogar unter die 50-Dollar-Marke. Während Ölförderer in Schwierigkeiten geraten, sind Aktien von einigen Ölunternehmen langfristig ein guter Kauf.

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Welchen Staaten der niedrige Ölpreis besonders schadet
Erdölförderung Quelle: dpa
Ölförderung in Saudi-Arabien Quelle: REUTERS
Ölförderung in Russland Quelle: REUTERS
Oman Ölpreis Quelle: Richard Bartz - eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons
Öl-Leitung im Niger-Delta Quelle: dpa
Ölförderpumpe in Bahrain Quelle: AP
Venezuela Ölförderung Quelle: REUTERS

Seit dem Sommer haben sich die Ölpreise mehr als halbiert, die Ölproduzenten mussten an den Börsen – entgegen dem allgemeinen Aufwärtstrend – herbe Rückschläge einstecken. Seit Juni sind die Aktienkurse um fast 30 Prozent eingebrochen. Bleibt der Rohölpreis niedrig, könnten stark auf Pump finanzierte Ölförderer in echte Schwierigkeiten geraten.

Wir haben uns im Ölsektor nach attraktiven Investments umgesehen und dabei insbesondere auf tadellose Bilanzen und die Betriebskosten geachtet. Bei den ganz Großen wurden wir bei Royal Dutch Shell und Chevron fündig, desgleichen bei Occidental Petroleum und EOG Resources sowie bei Schlumberger, dem Primus unter den Ölserviceunternehmen.

Der Ölpreis für ein Fass der Sorte Brent liegt nahe der 50-Dollar-Marke, gut halb so hoch wie vor einem Jahr. Weitere heftige Schwankungen sind wahrscheinlich. Aktuell werden die Aktien aber wohl nicht nur vom Ölpreis getrieben. In Phasen, in denen der Ölpreis weiter fiel, erholten sich die Kurse der genannten Unternehmen zeitweise. Das könnte daran gelegen haben, dass Leerverkäufer, die mit geliehenen Aktien auf fallende Kurse gesetzt hatten, doch kalte Füße bekamen und sich eindecken mussten. Oppenheimer-Analyst Fadel Gheit warnte in einer E-Mail dennoch davor, sich bei niedrigen Kursen zu einem Einstieg verführen zu lassen: „Bei den gegenwärtigen Ölpreisen sind auf Basis historischer Daten alle Ölaktien überbewertet, ihre aktuellen Kurse basieren auf einem Ölpreis von 70 bis 80 Dollar.“

Meilensteine der Ölpreisentwicklung

Wo geht der Ölpreis hin?

Zugegeben: Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das die Talfahrt der Rohölpreise ausgelöst hat, wird sich in naher Zukunft vermutlich auch nicht verringern. Dank eher schwacher Weltkonjunktur wird die Nachfrage nach Öl 2015 langsamer als gewohnt wachsen, beim Angebot aber ist kein Anzeichen für einen Rückgang zu erkennen. Saudi-Arabien hat seine Produktion trotz rückläufiger Preise aufrechterhalten und bietet Kunden sogar Rabatte. Das Land will der Welt offenbar zeigen, dass es immer noch Preise und verfügbare Mengen diktiert.

Es gibt auch kaum Signale für eine baldige Verringerung der US-Produktion, die in den vergangenen sechs Jahren um 90 Prozent zugelegt hat. Analysten erwarten vor 2016 jedenfalls keinen Rückgang. Bis dahin werden wohl einige riskanter aufgestellte Unternehmen entweder aufgeben müssen oder übernommen werden.

Tabelle

Bei kleineren Ölexplorern und -produzenten „wettet man auf deren Überlebensfähigkeit“, meint Christian Ledoux, Leiter der Aktienanalyse bei South Texas Money Management. „Von diesen werden viele nicht in der Lage sein, die Exploration profitabel zu betreiben.“

Fünf Kandidaten

Es gibt aber auch Grund zum Optimismus. Edward Morse von der Citigroup prognostiziert 90 Dollar als neue Höchstmarke für den Ölpreis, nachdem dieser Wert jahrelang dessen Untergrenze dargestellt hat. Auch andere erwarten wieder eine Preiserholung und rechnen in den kommenden zwei Jahren mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 70 bis 75 Dollar. Die meisten Schieferprojekte, aus denen etwa die Hälfte der US-Produktion stammt, sind bei Ölpreisen von 70 Dollar gerade noch profitabel, einige werden aufgeben müssen, was das Angebot wieder drückt.

Denken wir langfristig: Die großen Ölwerte könnten vor einer Trendumkehr nochmals fallen. Bei den derzeitigen Kursniveaus bieten sie Anlegern aber dennoch günstige Einstiegsmöglichkeiten.

Royal Dutch Shell und Chevron

Die Papierform unserer Kandidaten ist bestechend:

Royal Dutch und Chevron zeichnen sich durch grundsolide Bilanzen, hohe Renditen und Widerstandskraft gegenüber Ölpreisschwankungen aus. Occidental bietet eine Dividendenrendite von deutlich über drei Prozent und ist dabei, zehn Prozent seiner Aktien zurückzukaufen. EOG hat eine der branchenweit niedrigsten Gewinnschwellen, unter 60 Dollar je Fass. Und Schlumberger könnte bei einer Erholung des Ölpreises Marktanteile dazugewinnen.

Royal Dutch Shell

Die Dividendenrendite von Royal Dutch liegt bei 5,5 Prozent und scheint auch kaum gefährdet, da das Unternehmen in der Bilanz Barbestände von 19 Milliarden Dollar ausweist. Schon das sollte den Anlegern Appetit machen. Der Konzern hat im Oktober erklärt, jeder Rückgang des Ölpreises um zehn Dollar würde den Jahresgewinn im laufenden Jahr um jeweils 3,2 Milliarden Dollar sinken lassen. Das ist nicht wenig, doch für ein Unternehmen, das 2014 21,5 Milliarden Dollar beziehungsweise 7,31 Dollar je Aktie verdienen sollte, nicht gerade ruinös. Mit einem Marktwert von 219 Milliarden Dollar wird Royal Dutch nur von ExxonMobil mit 397 Milliarden Dollar übertrumpft. An denen missfällt uns aber das starke Gasgeschäft – der Gaspreis dürfte noch länger unten bleiben.

Fakten zum Rohölpreis

Royal-Dutch-Boss Ben van Beurden ist bestrebt, Kosten zu senken und den freien Cash-Flow zu erhöhen – selbst auf Kosten des Produktionswachstums. Dieses Jahr hat das Unternehmen Beteiligungen im Wert über elf Milliarden Dollar – inklusive eines Großteils des Schiefergeschäfts in den USA – verkauft und wird somit die Öl- und Gasproduktion dieses Jahr um rund elf Prozent reduzieren. „Als eine der wenigen großen Ölfirmen konnte das Unternehmen dem Abschwung mit einer aufgrund der Restrukturierung starken Dynamik begegnen“, meint Jason Clark von Afam Capital.

Chevron

Auch der US-Riese glänzt mit einer hohen Dividendenrendite – beim gegenwärtigen Kursniveau 3,8 Prozent. Und die Anleger sind zuversichtlich, dass diese Ausschüttung auch nicht versiegen wird. „Die Dividende steigt schon seit Jahrzehnten, und Dividendenkürzungen gibt es bei dieser Firma nicht“, sagt Ledoux von South Texas Money Management.

Was Analysten für 2015 erwarten
Deutsche BankDie Anlagestrategen sind verhalten optimistisch, zumindest was den deutschen Aktienmarkt angeht. Ende 2015 sehen sie den Dax bei 11.500 Punkten. Während die USA mit einem prognostizierten Wachstum von 3,5 Prozent zur Lokomotive werden dürfte, rechnen die Analysten für Deutschland nur mit einem Plus von 0,8 Prozent. Zugewinne könnte es dank des schwachen Euro bei exportorientierten Industrien geben. Ende 2015 sieht die Deutsche Bank den Euro bei 1,15 Dollar. Anleihen werden dagegen nicht mehr so attraktiv sein. Die Renditen bleiben extrem niedrig, Chancen gibt es lediglich bei US-Unternehmensanleihen mit guter Bonität. Auch Schwellenländeranleihen könnten für Risikofreudige interessant werden. Insbesondere Indien wird für die Deutsche Bank zur attraktiven Region. Quelle: REUTERS
Der Vermögensverwalter Allianz Global Investors ist ein Tochterunternehmen der Allianz. Quelle: imago images
CommerzbankDie Commerzbank sieht den Dax Ende 2015 bei 10.800 Punkten, ist also nicht ganz so optimistisch wie die Deutsche Bank, was den Leitindex angeht. Einig sind sich beide aber, was mögliche Staatsanleihekäufe der EZB angeht. Mit einem sogenannten Quantitative Easing (QE) rechnen beide Institute in der ersten Jahreshälfte. Anschieben könnten den Dax steigende Unternehmensgewinne dank des schwächeren Euro. Das könnte auch Dividenden begünstigen. Die Bank rechnet für den Dax mit einer Dividendenrendite von knapp über drei Prozent. Besonders hohe Dividendenrenditen erwarten die Analysten bei Medienpapieren wie Freenet und RTL sowie Immobilienkonzernen wie DIC Asset oder TAG. Als negative Einflussfaktoren verweist die Commerzbank nicht nur auf die wahrscheinliche Zinserhöhung der Fed, sondern auch auf niedrigere Wachstumsraten in China. Quelle: dpa
Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)Was den Dax betrifft ist die Landesbank etwas pessimistischer als die Großbanken. Relativ konservativ rechnet sie mit einer Spanne zwischen 8300 und 10.000 Punkten. Zwar erwarten die Analysten eine leichte Erholung der Weltwirtschaft, einen breiten Aufschwung sehen sie allerdings nicht. Lediglich hinsichtlich der USA scheinen sich alle einig zu sein, auch die Helaba erwartet ein Wachstumsplus von rund drei Prozent für die größte Volkswirtschaft. Für Deutschland erwartet die Landesbank ein Plus von 1,3 Prozent - mehr als die Deutsche Bank. Im Portfolio rät die Helaba zu einer leichten Anhebung der Aktienquote. Anleihen sollten dagegen zugunsten von Immobilien leicht reduziert werden. Quelle: dpa
Julius BärDie Schweizer Privatbank sieht die Devisenmärkte und Wechselkursentwicklungen ebenfalls im Fokus der Entwicklungen des nächsten Jahres. Auch die Schweizer sehen die USA als Wachstumsanführer, während die Euro-Zone mit einem Plus von nur 0,8 Prozent eher ein Bremsklotz ist. Die schwächelnde Nachfrage der Euro-Zone sei vor allem für die Schweiz ein Nachteil, heißt es. Für Investoren dagegen gelte es, Kurs zu halten, liquide zu bleiben und nach Wachstumsthemen Ausschau zu halten, so die Analysten. Mögliche Bereiche für Wachstumsthemen sind laut den Privatbankern E-Autos, digitale Technologien, Energieinfrastruktur und Bildung. Quelle: REUTERS
FidelityDie Fondsgesellschaft gibt sich optimistisch, auch für Deutschland. "Wenn die geopolitischen Risiken in den Hintergrund treten und die Notenbanken die Wirtschaft weiter unterstützen, hat Deutschland beste Voraussetzungen, um 2015 an den moderaten Aufwärtstrend anzuknüpfen", schreibt Fondsmanager Christian von Engelbrechten. Auch Fidelity sieht Impulse seitens des Euro für die exportorientierten Unternehmen. Eigentliche Stütze der Konjunktur sei aber der heimische Konsum - der Verbraucher, der konsumiert statt spart, treibt die Wirtschaft an. Durch die steigenden Gewinne sieht Fidelity auch am Aktienmarkt gute Chancen und rechnet mit einer Dividendenrendite von im Schnitt drei Prozent. Quelle: REUTERS
DZ BankAktuell sei das Gewinnwachstum der Dax-Unternehmen noch zu hoch geschätzt, sagen die Analysten der DZ Bank. Die Rahmenbedingungen für Aktien bleiben dennoch dank expansiven EZB-Maßnahmen und einem Mangel an Anlagealternativen positiv. Trotzdem erwarten die DZ Banker keine großen Kurssprünge, der Leitindex habe kaum noch Potenzial. Bis zum Jahresende 2015 rechnet die Bank nicht mit einem Anstieg über 9500 Punkte - und auch schwankungsanfälliger könnte der Index werden. Konservativen Anlegern raten die Experten daher zu "Dividendenaristokraten". Risikofreudigere Investoren könnten dagegen im ersten Quartal Chancen bei den Zyklikern haben. Quelle: REUTERS

Anders als Royal Dutch hat Chevron viel Geld in Projekte gesteckt, so zum Beispiel in eine 54 Milliarden Dollar teure Erdgasverflüssigungsanlage in Australien. Die Quittung ist 2015 ein negativer freier Cash-Flow (Mittelzufluss, hier: Abfluss) von 4,7 Milliarden Dollar. Per Oktober war das Projekt allerdings bereits zu 87 Prozent fertiggestellt und sollte Mitte 2015 in Betrieb gehen. 2016 könnte der freie Cash-Flow dann wieder positiv werden.

Chevron verfügt über ein komfortables Kapitalpolster, da die Nettoverschuldung nur bei etwa sechs Prozent des Gesamtkapitals liegt. Und den Großteil dieser Schulden könnte Chevron sofort aus seiner Kasse von 14,5 Milliarden Dollar tilgen. Chevron ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von gut 14 auf Basis des für 2015 erwarteten Gewinns unter den ganz großen US-Ölkonzernen am günstigsten. Auch gut: Tankstellen- und Raffineriegeschäft federn Verluste aus der Ölförderung ab.

Occidental Petroleum, EOG und Schlumberger

Occidental Petroleum

Während viele kleinere Öl- und Gasproduzenten riskant erscheinen, war Occidental mit einem Marktwert von 63 Milliarden Dollar für den Abschwung gut gerüstet. Das Unternehmen leidet natürlich unter sinkenden Ölpreisen, verfügt aber über eine der solidesten Bilanzen der ganzen Branche und generierte allein im vergangenen Jahr mehr als genug freien Cash-Flow, um die gesamte Nettoverschuldung abdecken zu können. Die Dividendenrendite beträgt 3,5 Prozent. Tim Rezvan von Sterne Agee meint, der Konzern werde die Dividende selbst während der Ölpreisbaisse weiter anheben können. Außerdem plant das Management den Rückkauf von etwa 9,8 Prozent der Aktien, die derzeit in der Nähe des Zweijahrestiefs notieren.

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EOG Resources

EOG, einer der erfolgreichsten Produzenten von Schieferöl, scheint nach einem Kurseinbruch von 20 Prozent seit Juni jetzt sehr günstig bewertet zu sein. Das Unternehmen hat seine Fördergebiete sehr sorgfältig ausgewählt und liegt laut Morningstar-Analyst Mark Hanson mit einem durchschnittlichen Break-even-Preis von weniger als 60 Dollar je Fass am unteren Ende der Branche. Die Bilanz stellt mit einem Fremdkapitalanteil von gerade einmal 19 Prozent Mitbewerber wie Continental Resources (über 50 Prozent) in den Schatten.

EOG hat „in Houston das vielleicht beste Managementteam der Branche“, so Jeff Bellman, Analyst bei TIAA-CREF, der EOG zu seinen Favoriten zählt. „EOG hat eines der wenigen Geschäftsmodelle, die mit dem Cash-Flow wachsen können, während manche Schieferölproduzenten jetzt leiden, weil sie zu viel investiert und zu hohe Schulden in der Bilanz stehen haben.“

Der Verfall des Ölpreises kommt beim Verbraucher an

Zwar ist die Dividendenrendite von EOG für einen Ölproduzenten mager, doch wurde die Dividende 2014 von der finanziell konservativen Firma zwei Mal angehoben. Geplant ist, Dividenden und Investitionen intern zu finanzieren statt über Schulden. Derzeit ist es für EOG sinnvoll, die Gewinne sofort wieder in die Produktion zu reinvestieren, da ihr Schieferölgeschäft selbst bei niedrigen Ölpreisen äußerst lukrativ ist.

Bei Öldienstleistern sind die Investoren vorsichtig. Ihre Kunden, die Ölförderer, bemühen sich derzeit um eine Senkung ihrer Investitionskosten und könnten daher in den kommenden Monaten ihre Budgets für Schieferöl- und Tiefseeförderung zurückfahren. „Insgesamt könnten die Investitionen um 15 bis 20 Prozent gekürzt werden“, meint Tim Parker von T. Rowe Price.

Nachdem es seit Juni steil abwärts ging, wird Schlumberger jetzt zu einem KGV von rund 16 auf Basis zukünftig erwarteter Gewinne gehandelt und damit unter dem langjährigen Durchschnitt von 17.

Die Investoren sind von der Bilanz des Unternehmens und seinen Plänen für eine Kapitalrückführung überzeugt. Allein im vergangenen Quartal hat Schlumberger ein Prozent seiner Aktien zurückgekauft und die Dividende drei Jahre hindurch stetig angehoben. „Sobald sich die Märkte erholen, könnte das Unternehmen in der Lage sein, international bessere Margen und Preise durchzusetzen und seinen Marktanteil auszuweiten“, meint Dimitry Dayen, Analyst bei Clear Bridge Investments.

Sicher: Unter dem Strich ist das Risiko bei Öltiteln immer noch hoch. Wer jetzt als Investor einsteigt, könnte noch mal Rückschläge hinnehmen müssen. Auf Sicht von mehreren Jahren dürften die Spitzenwerte aber gutes Geld abwerfen.

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