Seit dem Sommer haben sich die Ölpreise mehr als halbiert, die Ölproduzenten mussten an den Börsen – entgegen dem allgemeinen Aufwärtstrend – herbe Rückschläge einstecken. Seit Juni sind die Aktienkurse um fast 30 Prozent eingebrochen. Bleibt der Rohölpreis niedrig, könnten stark auf Pump finanzierte Ölförderer in echte Schwierigkeiten geraten.
Wir haben uns im Ölsektor nach attraktiven Investments umgesehen und dabei insbesondere auf tadellose Bilanzen und die Betriebskosten geachtet. Bei den ganz Großen wurden wir bei Royal Dutch Shell und Chevron fündig, desgleichen bei Occidental Petroleum und EOG Resources sowie bei Schlumberger, dem Primus unter den Ölserviceunternehmen.
Der Ölpreis für ein Fass der Sorte Brent liegt nahe der 50-Dollar-Marke, gut halb so hoch wie vor einem Jahr. Weitere heftige Schwankungen sind wahrscheinlich. Aktuell werden die Aktien aber wohl nicht nur vom Ölpreis getrieben. In Phasen, in denen der Ölpreis weiter fiel, erholten sich die Kurse der genannten Unternehmen zeitweise. Das könnte daran gelegen haben, dass Leerverkäufer, die mit geliehenen Aktien auf fallende Kurse gesetzt hatten, doch kalte Füße bekamen und sich eindecken mussten. Oppenheimer-Analyst Fadel Gheit warnte in einer E-Mail dennoch davor, sich bei niedrigen Kursen zu einem Einstieg verführen zu lassen: „Bei den gegenwärtigen Ölpreisen sind auf Basis historischer Daten alle Ölaktien überbewertet, ihre aktuellen Kurse basieren auf einem Ölpreis von 70 bis 80 Dollar.“
Meilensteine der Ölpreisentwicklung
Die ersten gewinnbringenden Erdölbohrungen finden Mitte des 19. Jahrhunderts statt. In dieser Zeit entstehen auch die ersten Raffinerien. Bis 1864 steigt der Ölpreis auf den Höchststand von 8,06 Dollar pro Barrel (159 Liter); inflationsbereinigt müssen damals im Jahresdurchschnitt 128,17 US-Dollar gezahlt werden. In den folgenden Jahrzehnten bleibt der Preis auf einem vergleichsweise niedrigen Level, fällt mitunter sogar, bedingt etwa durch den Erfolg der elektrischen Glühlampe, durch die Öl im privaten Haushalt nicht mehr zur Beleuchtung nötig ist.
Mit dem Erfolg des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts steigt die Öl-Nachfrage rasant; speziell in den USA, wo der Ford Modell T zum Massenprodukt wird. 1929 fahren insgesamt 23 Millionen Kraftfahrzeuge auf den Straßen. Der Verbrauch liegt 1929 in den Staaten bei 2,58 Millionen Fass pro Tag, 85 Prozent davon für Benzin und Heizöl. Die Preise bleiben allerdings weiter unter fünf Dollar pro Fass (nicht inflationsbereinigt), da auch mehr gefördert wird.
In den 30er Jahren kommt die Große Depression, die Unternehmenszusammenbrüche, Massenarbeitslosigkeit, Deflation und einen massiven Rückgang des Handels durch protektionistische Maßnahmen zur Folge hat. Während der Weltwirtschaftskrise verringert sich die Nachfrage nach Erdöl und der Preis sinkt auf ein historisches Tief. 1931 müssen bloß noch 0,65 Dollar pro Barrel gezahlt werden (inflationsbereinigt etwa zehn US-Dollar). So billig sollte das schwarze Gold nie wieder sei.
Nachdem sich die Weltkonjunktur erholt hat, steigt der Preise für Öl wieder, bleibt aber konstant unter fünf Dollar pro Barrel. Für die Jahre zwischen dem Ersten Weltkrieg und der Ölkrise im Herbst 1973 spricht man deshalb vom „goldenen Zeitalter“ des billigen Öls.
In den 70er und 80er Jahren kommt der Ölpreis in Bewegung. Als die Organisation der erdölexportierenden Länder (Opec) nach dem Krieg zwischen Israel und den arabischen Nachbarn im Herbst 1973 die Fördermengen drosselt, um politischen Druck auszuüben, vervierfacht sich der Weltölpreis binnen kürzester Zeit. Zum Ende des Jahres 1974 kostet ein Barrel über elf Dollar (inflationsbereinigt fast 55 US-Dollar). Dies bekommen auch Otto-Normal-Bürger zu spüren: In Deutschland bleiben sonntags die Autobahnen leer, in den USA bilden sich Schlangen vor den Tankstellen.
Während der zweiten Ölkrise in den Jahren 1979/1980 zieht der Ölpreis nach einem kurzfristigen Rückgang weiter an. Ausgelöst wird dies im Wesentlichen durch Förderungsausfälle und Verunsicherung nach der Islamischen Revolution. Nach dem Angriff Iraks auf Iran und dem Beginn des Ersten Golfkrieg explodieren die Preise regelrecht. Auf dem Höhepunkt im April 1980 kostet ein Barrel 39,50 Dollar (inflationsbereinigt 116 Dollar).
Die 80er und 90er Jahre sind – abgesehen von dem kurzzeitigen Anstieg verursacht durch den Zweiten Golfkrieg – eine Phase niedriger Ölpreise. Die Industriestaaten befinden sich in einer Rezession und suchten aufgrund vorhergehenden Ölkrisen mit besonders hohen Preisen nach alternativen Energiequellen. Weltweit gibt es Überkapazitäten. Während der Asienkrise 1997/1998 sinkt die Nachfrage weiter. Ende des Jahres 1998 werden 10,65 Dollar pro Barrel verlangt.
Nach Überwindung der Krise wachsen die Weltwirtschaft und damit auch der Ölbedarf schnell. Selbst die Anschläge auf das World Trade Center 2001 sorgen nur für einen kurzen Rücksetzer. Anfang 2008 steigt der Ölpreis erstmals über 100 US-Dollar je Barrel, Mitte des Jahres sogar fast auf 150 Dollar. Ein Grund für den Preisanstieg wist der Boom des rohstoffhungrigen China, mittlerweile zweitgrößter Verbraucher der Welt.
Die globale Finanzkrise und eine schwächelnde Konjunktur sorgen für einen Rückgang der Nachfrage. Gleichzeitig bleibt das Angebot durch die massive Förderung in den USA (Fracking) hoch. Die Folge: Der Ölpreis bricht ein. Ab Sommer 2014 rutscht der Preis für Brentöl innerhalb weniger Monate um rund 50 Prozent auf 50 Dollar. Erst im Februar 2015 erholte sich der Ölpreis leicht und schwankt um die 60 Dollar je Barrel.
Im Mai 2015 hatten sich die Ölpreise zwischenzeitlich erholt. Die Sorte Brent erreichte mit einem Preis von 68 US-Dollar je Barrel ein Jahreshoch. Von da aus ging es bis September des Jahres wieder steil bergab auf 43 Dollar. Nach einer Stabilisierung zwischen September und November nahm der Ölpreis seine wieder Talfahrt auf. Am 15. Januar hat der Ölpreis die 30-Dollar-Marke unterschritten.
Wo geht der Ölpreis hin?
Zugegeben: Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, das die Talfahrt der Rohölpreise ausgelöst hat, wird sich in naher Zukunft vermutlich auch nicht verringern. Dank eher schwacher Weltkonjunktur wird die Nachfrage nach Öl 2015 langsamer als gewohnt wachsen, beim Angebot aber ist kein Anzeichen für einen Rückgang zu erkennen. Saudi-Arabien hat seine Produktion trotz rückläufiger Preise aufrechterhalten und bietet Kunden sogar Rabatte. Das Land will der Welt offenbar zeigen, dass es immer noch Preise und verfügbare Mengen diktiert.
Es gibt auch kaum Signale für eine baldige Verringerung der US-Produktion, die in den vergangenen sechs Jahren um 90 Prozent zugelegt hat. Analysten erwarten vor 2016 jedenfalls keinen Rückgang. Bis dahin werden wohl einige riskanter aufgestellte Unternehmen entweder aufgeben müssen oder übernommen werden.
Bei kleineren Ölexplorern und -produzenten „wettet man auf deren Überlebensfähigkeit“, meint Christian Ledoux, Leiter der Aktienanalyse bei South Texas Money Management. „Von diesen werden viele nicht in der Lage sein, die Exploration profitabel zu betreiben.“
Fünf Kandidaten
Es gibt aber auch Grund zum Optimismus. Edward Morse von der Citigroup prognostiziert 90 Dollar als neue Höchstmarke für den Ölpreis, nachdem dieser Wert jahrelang dessen Untergrenze dargestellt hat. Auch andere erwarten wieder eine Preiserholung und rechnen in den kommenden zwei Jahren mit einem durchschnittlichen Ölpreis von 70 bis 75 Dollar. Die meisten Schieferprojekte, aus denen etwa die Hälfte der US-Produktion stammt, sind bei Ölpreisen von 70 Dollar gerade noch profitabel, einige werden aufgeben müssen, was das Angebot wieder drückt.
Denken wir langfristig: Die großen Ölwerte könnten vor einer Trendumkehr nochmals fallen. Bei den derzeitigen Kursniveaus bieten sie Anlegern aber dennoch günstige Einstiegsmöglichkeiten.
Royal Dutch Shell und Chevron
Die Papierform unserer Kandidaten ist bestechend:
Royal Dutch und Chevron zeichnen sich durch grundsolide Bilanzen, hohe Renditen und Widerstandskraft gegenüber Ölpreisschwankungen aus. Occidental bietet eine Dividendenrendite von deutlich über drei Prozent und ist dabei, zehn Prozent seiner Aktien zurückzukaufen. EOG hat eine der branchenweit niedrigsten Gewinnschwellen, unter 60 Dollar je Fass. Und Schlumberger könnte bei einer Erholung des Ölpreises Marktanteile dazugewinnen.
Royal Dutch Shell
Die Dividendenrendite von Royal Dutch liegt bei 5,5 Prozent und scheint auch kaum gefährdet, da das Unternehmen in der Bilanz Barbestände von 19 Milliarden Dollar ausweist. Schon das sollte den Anlegern Appetit machen. Der Konzern hat im Oktober erklärt, jeder Rückgang des Ölpreises um zehn Dollar würde den Jahresgewinn im laufenden Jahr um jeweils 3,2 Milliarden Dollar sinken lassen. Das ist nicht wenig, doch für ein Unternehmen, das 2014 21,5 Milliarden Dollar beziehungsweise 7,31 Dollar je Aktie verdienen sollte, nicht gerade ruinös. Mit einem Marktwert von 219 Milliarden Dollar wird Royal Dutch nur von ExxonMobil mit 397 Milliarden Dollar übertrumpft. An denen missfällt uns aber das starke Gasgeschäft – der Gaspreis dürfte noch länger unten bleiben.
Fakten zum Rohölpreis
Die Fachleute unterscheiden zwischen Reserven und Ressourcen. Reserven sind Rohstoffe, die mit heutigen Mitteln wirtschaftlich gefördert werden können, also zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Ressourcen sind weitere Vorkommen eines Rohstoffs in der Erdkruste, die aber noch nicht zugänglich sind. Die Ölreserven betragen, je nach Quelle, ungefähr 220 bis 240 Milliarden Tonnen, davon etwa ein Fünftel aus unkonventionellen Quellen wie Schieferöl und Ölsände. Den bisherigen Verbrauch seit Beginn des Ölzeitalters beziffert die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 175 Milliarden Tonnen.
Bei heutigem Verbrauch noch mehr als 50 Jahre. Die Nachfrage und der Verbrauch werden jedoch in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Öl ist mit einem Anteil von einem Drittel der wichtigste Energieträger. Damit hat es zwar relativ an Bedeutung verloren; vor 40 Jahren hat Öl noch fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs abgedeckt. Aber der Energieverbrauch steigt weltweit weiter an und damit auch der Ölverbrauch. Nach der Prognose von BP erhöht er sich bis 2035 von heute 90 auf 109 Millionen Barrel pro Tag. Andere Prognosen sind niedriger, die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet mit 104 Millionen Barrel bis 2040.
Da streiten die Gelehrten. Es gibt zwei Denkschulen. Die Anhänger der Peak-Oil-Theorie gehen davon aus, dass bei konventionellem Öl bereits das Fördermaximum erreicht ist und nur mit teuren unkonventionellen Methoden wie Fracking von Ölschiefer und Förderung von Ölsänden noch Produktionssteigerungen möglich sind. „Nur Nordamerika trug in den Jahren seit 2005 überhaupt zu einer Steigerung der globalen Ölförderung bei. Ohne Berücksichtigung der USA und Kanada ist die Welt bereits seit neun Jahren auf dem Ölfördergipfel“, heißt es auf einer Internet-Seite der Peak-Oil-Fraktion. Sie sieht stark steigende Ölpreise bereits vor 2020 voraus.
Die Peak-Oil-Theorie hat eher an Zustimmung verloren; auch weil ihre Befürworter den Zeitpunkt für den Ölgipfel schon mehrfach verschieben mussten. „Die Dinge stehen nicht still in der Energieindustrie“, sagt Daniel Yergin, einer der weltweit führenden Ölexperten. Durch technische Innovation könnten immer neue Ressourcen entwickelt und zu förderbaren Reserven werden. Für jedes geförderte Fass Öl würden so 1,5 neue Fässer den Reserven hinzugefügt. Yergin erwartet, dass sich die Ölförderung gegen Mitte des Jahrhunderts auf einem Plateau befindet, ehe dann die Förderung und die Nachfrage langsam nachgeben.
Der Wissenschaftler Leonardo Maugeri hat bereits 2012 eine Ölschwemme und fallende Preise ab 2015 vorhergesagt, weil die Kapazitäten zur Ölförderung auf der Angebotsseite erheblich ausgeweitet würden. „Der Schiefergas-Ölboom in den USA ist keine Blase, sondern die wichtigste Revolution im Ölsektor seit Jahrzehnten“, schrieb er in einer Studie. Es gebe enorme Mengen von konventionellem und unkonventionellem Öl, das zum Teil noch gar nicht entdeckt sei. Ein Fördergipfel, ein Peak-Oil, sei nicht in Sicht. So ist es gekommen. Es gibt Öl im Überfluss und die Preise sind verfallen. Das Förderkartell Opec hat sich vorläufig selbst aus dem Spiel genommen und will den Ölhahn nicht mehr zudrehen. Sondern ganz marktwirtschaftlich versuchen, seine Kostenvorteile bei der Förderung auszuspielen.
Kurzfristig ist der Ölpreis einer Vielzahl von verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, von Kriegen oder Krisen über Handelsembargos und Finanzspekulation bis hin zu Naturkatastrophen und Wetterverhältnissen. Diese kurzfristigen Preisschwankungen kann niemand vorhersehen. Mittelfristig erwarten die meisten Experten eine Periode mit eher gemäßigten Preisen und gut versorgten Märkten für mehrere Jahre. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die bereits jetzt Rohöl für deutlich unterbewertet halten und vor einem Preisanstieg warnen, etwas bei den Bankanalysten. Die BGR vertritt einen mittleren Kurs. Erdöl, so die Behörde, sei der einzige Energierohstoff, bei dem sich eine Limitierung abzeichnet.
Royal-Dutch-Boss Ben van Beurden ist bestrebt, Kosten zu senken und den freien Cash-Flow zu erhöhen – selbst auf Kosten des Produktionswachstums. Dieses Jahr hat das Unternehmen Beteiligungen im Wert über elf Milliarden Dollar – inklusive eines Großteils des Schiefergeschäfts in den USA – verkauft und wird somit die Öl- und Gasproduktion dieses Jahr um rund elf Prozent reduzieren. „Als eine der wenigen großen Ölfirmen konnte das Unternehmen dem Abschwung mit einer aufgrund der Restrukturierung starken Dynamik begegnen“, meint Jason Clark von Afam Capital.
Chevron
Auch der US-Riese glänzt mit einer hohen Dividendenrendite – beim gegenwärtigen Kursniveau 3,8 Prozent. Und die Anleger sind zuversichtlich, dass diese Ausschüttung auch nicht versiegen wird. „Die Dividende steigt schon seit Jahrzehnten, und Dividendenkürzungen gibt es bei dieser Firma nicht“, sagt Ledoux von South Texas Money Management.
Anders als Royal Dutch hat Chevron viel Geld in Projekte gesteckt, so zum Beispiel in eine 54 Milliarden Dollar teure Erdgasverflüssigungsanlage in Australien. Die Quittung ist 2015 ein negativer freier Cash-Flow (Mittelzufluss, hier: Abfluss) von 4,7 Milliarden Dollar. Per Oktober war das Projekt allerdings bereits zu 87 Prozent fertiggestellt und sollte Mitte 2015 in Betrieb gehen. 2016 könnte der freie Cash-Flow dann wieder positiv werden.
Chevron verfügt über ein komfortables Kapitalpolster, da die Nettoverschuldung nur bei etwa sechs Prozent des Gesamtkapitals liegt. Und den Großteil dieser Schulden könnte Chevron sofort aus seiner Kasse von 14,5 Milliarden Dollar tilgen. Chevron ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von gut 14 auf Basis des für 2015 erwarteten Gewinns unter den ganz großen US-Ölkonzernen am günstigsten. Auch gut: Tankstellen- und Raffineriegeschäft federn Verluste aus der Ölförderung ab.
Occidental Petroleum, EOG und Schlumberger
Occidental Petroleum
Während viele kleinere Öl- und Gasproduzenten riskant erscheinen, war Occidental mit einem Marktwert von 63 Milliarden Dollar für den Abschwung gut gerüstet. Das Unternehmen leidet natürlich unter sinkenden Ölpreisen, verfügt aber über eine der solidesten Bilanzen der ganzen Branche und generierte allein im vergangenen Jahr mehr als genug freien Cash-Flow, um die gesamte Nettoverschuldung abdecken zu können. Die Dividendenrendite beträgt 3,5 Prozent. Tim Rezvan von Sterne Agee meint, der Konzern werde die Dividende selbst während der Ölpreisbaisse weiter anheben können. Außerdem plant das Management den Rückkauf von etwa 9,8 Prozent der Aktien, die derzeit in der Nähe des Zweijahrestiefs notieren.
Zum Autor
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EOG Resources
EOG, einer der erfolgreichsten Produzenten von Schieferöl, scheint nach einem Kurseinbruch von 20 Prozent seit Juni jetzt sehr günstig bewertet zu sein. Das Unternehmen hat seine Fördergebiete sehr sorgfältig ausgewählt und liegt laut Morningstar-Analyst Mark Hanson mit einem durchschnittlichen Break-even-Preis von weniger als 60 Dollar je Fass am unteren Ende der Branche. Die Bilanz stellt mit einem Fremdkapitalanteil von gerade einmal 19 Prozent Mitbewerber wie Continental Resources (über 50 Prozent) in den Schatten.
EOG hat „in Houston das vielleicht beste Managementteam der Branche“, so Jeff Bellman, Analyst bei TIAA-CREF, der EOG zu seinen Favoriten zählt. „EOG hat eines der wenigen Geschäftsmodelle, die mit dem Cash-Flow wachsen können, während manche Schieferölproduzenten jetzt leiden, weil sie zu viel investiert und zu hohe Schulden in der Bilanz stehen haben.“
Der Verfall des Ölpreises kommt beim Verbraucher an
Das liegt im wesentlichen am Preisrutsch für Rohöl. Der Ölpreis hat sich jahrelang weitgehend in einem Preisband zwischen 100 und 115 Dollar für ein Barrel (159 Liter) der Nordsee-Sorte Brent bewegt. Diesen Korridor hat der Preis Anfang September verlassen und ist im Oktober nochmals kräftig abgestürzt, auf nur noch 85 Dollar. Die subjektive Wahrnehmung der Autofahrer, dass Benzin und Diesel immer teurer werden, wird von den Daten seit 2012 nicht mehr gedeckt.
Auf der Angebotsseite ist reichlich Öl vorhanden. „Die Reaktion der Produzenten lässt auf sich warten“, sagt der Hamburger Energieexperte Steffen Bukold. Saudi-Arabien, das innerhalb des Opec-Kartells sonst die Feinsteuerung des Marktes übernommen hat, will nicht allein seine Produktion kürzen. Dahinter steht ein Kampf um Marktanteile in Asien, wo für die Opec-Staaten die einzig wachsenden Absatzmärkte für ihr Öl liegen. Die Nachfrage nach Öl verläuft wegen der verhaltenen Weltkonjunktur zudem flau und kann den Preis nicht stützen.
Das ist mittelfristig denkbar, geht aber nicht so schnell. Manche Förderanlagen könnten unrentabel werden, wenn der Ölpreis noch weiter fällt und dauerhaft niedrig bleibt. Ob es dazu kommt, ist noch nicht absehbar. Zudem bekommen viele Förderländer - auch Russland - bei einem Ölpreis deutlich unter 100 Dollar ein Problem mit der Finanzierung ihres Staatshaushalts. Bislang allerdings liegt der durchschnittliche Ölpreis für 2014 immer noch bei 106 Dollar, nach 109 im Vorjahr. Das ist für die Ölländer noch kein schlechtes Jahr.
Nach dem Energiepreis-Monitor der European Climate Foundation sind die Preise für Energierohstoffe währungsbereinigt im September um 1,2 Prozent gefallen und gleichzeitig die Verbraucherpreise für Kraft- und Schmierstoffe um 0,4 Prozent gestiegen. Anders als in Frankreich und Italien. „Ein Teil des Anstiegs ist nur so zu erklären, dass fallende Rohstoffpreise nicht eins zu eins auf Verbraucherebene weitergegeben wurden“, heißt es in der Mitteilung der Stiftung. Die Branche bestreitet das: „Der harte Wettbewerb der Tankstellen in Deutschland sorgt dafür, dass der gesunkene Ölpreis über niedrigere Benzin- und Dieselpreise auch bei den Verbrauchern ankommt“, sagte ein Sprecher des Mineralölwirtschaftsverbandes (MWV) in Berlin.
Das kann niemand sagen. Schon bislang ist der Preisrückgang gebremst worden, weil der Euro gegenüber dem Dollar an Wert verloren hat. Für einen Euro bekommt ein Ölimporteur nur noch 1,28 Dollar, das sind 10 Cent weniger als vor ein paar Monaten. Deshalb braucht er mehr Euro, um die gleiche Menge Dollar für den Ölkauf aufzubringen. Fällt der Euro noch weiter, ist das schlecht für den Autofahrer. Der Ölpreis selbst hat nach unten vielleicht weniger Luft als nach oben. Gibt die Opec bei ihrer nächsten Sitzung im November ein klares Signal, dann kann der Preis auch schnell wieder in den alten Preiskorridor oberhalb von 100 Dollar zurückkehren, meint Ölexperte Bukold.
Zwar ist die Dividendenrendite von EOG für einen Ölproduzenten mager, doch wurde die Dividende 2014 von der finanziell konservativen Firma zwei Mal angehoben. Geplant ist, Dividenden und Investitionen intern zu finanzieren statt über Schulden. Derzeit ist es für EOG sinnvoll, die Gewinne sofort wieder in die Produktion zu reinvestieren, da ihr Schieferölgeschäft selbst bei niedrigen Ölpreisen äußerst lukrativ ist.
Bei Öldienstleistern sind die Investoren vorsichtig. Ihre Kunden, die Ölförderer, bemühen sich derzeit um eine Senkung ihrer Investitionskosten und könnten daher in den kommenden Monaten ihre Budgets für Schieferöl- und Tiefseeförderung zurückfahren. „Insgesamt könnten die Investitionen um 15 bis 20 Prozent gekürzt werden“, meint Tim Parker von T. Rowe Price.
Nachdem es seit Juni steil abwärts ging, wird Schlumberger jetzt zu einem KGV von rund 16 auf Basis zukünftig erwarteter Gewinne gehandelt und damit unter dem langjährigen Durchschnitt von 17.
Die Investoren sind von der Bilanz des Unternehmens und seinen Plänen für eine Kapitalrückführung überzeugt. Allein im vergangenen Quartal hat Schlumberger ein Prozent seiner Aktien zurückgekauft und die Dividende drei Jahre hindurch stetig angehoben. „Sobald sich die Märkte erholen, könnte das Unternehmen in der Lage sein, international bessere Margen und Preise durchzusetzen und seinen Marktanteil auszuweiten“, meint Dimitry Dayen, Analyst bei Clear Bridge Investments.
Sicher: Unter dem Strich ist das Risiko bei Öltiteln immer noch hoch. Wer jetzt als Investor einsteigt, könnte noch mal Rückschläge hinnehmen müssen. Auf Sicht von mehreren Jahren dürften die Spitzenwerte aber gutes Geld abwerfen.