Noch wichtiger – gerade in diesen Niedrigzinszeiten - sind aber die meist hohen Ausschüttungen an Aktionäre. Viele Branchenschwergewichte verwöhnen ihre Aktionäre schon traditionell mit einer hohen, meist jährlich steigenden Dividende, Unternehmen wie Exxon, Chevron, ConocoPhillips oder auch der kanadische Ölsandförderer Suncor Energy zahlen seit mindestens 25 Jahren ihre Dividende. Es gelang ihnen sogar, sie in den meisten Jahren zu erhöhen. Durch die gesunkenen Aktienkurse haben sich die Dividendenrenditen nun schon rechnerisch erhöht, bei einigen Ölkonzernen stieg sie zeitweise bis in den zweistelligen Prozentbereich.
Auch nachdem sich der Ölpreis zuletzt wieder erholt und die Verluste seit Jahresbeginn wieder wettmachen konnte, liegen die Ausschüttungen immer noch häufig oberhalb von fünf Prozent (siehe Chartgalerie). Die meisten Ölriesen haben auch in vergangenen Krisen an einer hohen Ausschüttung an die Aktionäre festgehalten und diese teilweise auch nach Gewinneinbrüchen noch erhöht.
Fakten zum Rohölpreis
Die Fachleute unterscheiden zwischen Reserven und Ressourcen. Reserven sind Rohstoffe, die mit heutigen Mitteln wirtschaftlich gefördert werden können, also zum Verbrauch zur Verfügung stehen. Ressourcen sind weitere Vorkommen eines Rohstoffs in der Erdkruste, die aber noch nicht zugänglich sind. Die Ölreserven betragen, je nach Quelle, ungefähr 220 bis 240 Milliarden Tonnen, davon etwa ein Fünftel aus unkonventionellen Quellen wie Schieferöl und Ölsände. Den bisherigen Verbrauch seit Beginn des Ölzeitalters beziffert die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) auf 175 Milliarden Tonnen.
Bei heutigem Verbrauch noch mehr als 50 Jahre. Die Nachfrage und der Verbrauch werden jedoch in den nächsten Jahrzehnten zunehmen. Öl ist mit einem Anteil von einem Drittel der wichtigste Energieträger. Damit hat es zwar relativ an Bedeutung verloren; vor 40 Jahren hat Öl noch fast die Hälfte des weltweiten Energieverbrauchs abgedeckt. Aber der Energieverbrauch steigt weltweit weiter an und damit auch der Ölverbrauch. Nach der Prognose von BP erhöht er sich bis 2035 von heute 90 auf 109 Millionen Barrel pro Tag. Andere Prognosen sind niedriger, die Internationale Energie-Agentur (IEA) rechnet mit 104 Millionen Barrel bis 2040.
Da streiten die Gelehrten. Es gibt zwei Denkschulen. Die Anhänger der Peak-Oil-Theorie gehen davon aus, dass bei konventionellem Öl bereits das Fördermaximum erreicht ist und nur mit teuren unkonventionellen Methoden wie Fracking von Ölschiefer und Förderung von Ölsänden noch Produktionssteigerungen möglich sind. „Nur Nordamerika trug in den Jahren seit 2005 überhaupt zu einer Steigerung der globalen Ölförderung bei. Ohne Berücksichtigung der USA und Kanada ist die Welt bereits seit neun Jahren auf dem Ölfördergipfel“, heißt es auf einer Internet-Seite der Peak-Oil-Fraktion. Sie sieht stark steigende Ölpreise bereits vor 2020 voraus.
Die Peak-Oil-Theorie hat eher an Zustimmung verloren; auch weil ihre Befürworter den Zeitpunkt für den Ölgipfel schon mehrfach verschieben mussten. „Die Dinge stehen nicht still in der Energieindustrie“, sagt Daniel Yergin, einer der weltweit führenden Ölexperten. Durch technische Innovation könnten immer neue Ressourcen entwickelt und zu förderbaren Reserven werden. Für jedes geförderte Fass Öl würden so 1,5 neue Fässer den Reserven hinzugefügt. Yergin erwartet, dass sich die Ölförderung gegen Mitte des Jahrhunderts auf einem Plateau befindet, ehe dann die Förderung und die Nachfrage langsam nachgeben.
Der Wissenschaftler Leonardo Maugeri hat bereits 2012 eine Ölschwemme und fallende Preise ab 2015 vorhergesagt, weil die Kapazitäten zur Ölförderung auf der Angebotsseite erheblich ausgeweitet würden. „Der Schiefergas-Ölboom in den USA ist keine Blase, sondern die wichtigste Revolution im Ölsektor seit Jahrzehnten“, schrieb er in einer Studie. Es gebe enorme Mengen von konventionellem und unkonventionellem Öl, das zum Teil noch gar nicht entdeckt sei. Ein Fördergipfel, ein Peak-Oil, sei nicht in Sicht. So ist es gekommen. Es gibt Öl im Überfluss und die Preise sind verfallen. Das Förderkartell Opec hat sich vorläufig selbst aus dem Spiel genommen und will den Ölhahn nicht mehr zudrehen. Sondern ganz marktwirtschaftlich versuchen, seine Kostenvorteile bei der Förderung auszuspielen.
Kurzfristig ist der Ölpreis einer Vielzahl von verschiedenen Einflüssen ausgesetzt, von Kriegen oder Krisen über Handelsembargos und Finanzspekulation bis hin zu Naturkatastrophen und Wetterverhältnissen. Diese kurzfristigen Preisschwankungen kann niemand vorhersehen. Mittelfristig erwarten die meisten Experten eine Periode mit eher gemäßigten Preisen und gut versorgten Märkten für mehrere Jahre. Es gibt allerdings auch Gegenstimmen, die bereits jetzt Rohöl für deutlich unterbewertet halten und vor einem Preisanstieg warnen, etwas bei den Bankanalysten. Die BGR vertritt einen mittleren Kurs. Erdöl, so die Behörde, sei der einzige Energierohstoff, bei dem sich eine Limitierung abzeichnet.
Es kommt für Anleger also darauf, sich die Rosinen herauszupicken und diese Aktien möglichst günstig einzusammeln. Die Chance für Anleger besteht nun gleich in zwei Aspekten:
Bodenbildung beim Ölpreis
Zum einen sind die Kurse der Ölaktien schon deutlich gesunken, viele schlechte Nachrichten und Zahlen aber bereits berücksichtigt. Bildet der Ölpreis einen Boden, sollte das auch den Ölaktien gelingen. Das wäre die beste Voraussetzung für kräftige Kursgewinne, zumal die Ölkonzerne mit ihren Sparmaßnahmen das Ziel verfolgen, selbst bei einem derart niedrigen Ölpreis noch gut verdienen. Sind die Sparmaßnahmen erfolgreich, wirkt ein steigender Ölpreis wie ein Gewinnbeschleuniger und erhöht direkt die Marge der Ölförderer.
Für eine Erholung der Ölbranche spricht auch die Einschätzung von Experten, dass billiges Öl einen starken belebenden Effekt für die Konjunktur hat – etwa, weil für Unternehmen, die auf den Rohstoff Öl angewiesen sind, die Herstellungskosten sinken und mehr Geld für Investitionen bleibt. Autofahrern bleibt angesichts der niedrigen Benzinpreise gleichzeitig mehr Geld für Konsum, der die Konjunktur ebenfalls belebt. Die gesamte Transport- und Logistikbranche sowie Fahrzeughersteller profitieren.
"In einem Jahr rechnen wir mit einem Ölpreis oberhalb von 70 Dollar je Barrel", sagt Eugen Weinberg, Rohstoffexperte bei der Commerzbank. "Die Nachfrage nach Öl wird weiter steigen. Sie tut es bereits jetzt. Der niedrige Ölpreis wird den Absatz von Autos beschleunigen. In den USA stieg die Zahl der zugelassenen Neufahrzeuge im Januar bereits um 14 Prozent. Dabei ist insbesondere der Absatz von Geländewagen gestiegen." Laut Weinberg sei das bereits ein Zeichen dafür, dass die niedrigen Spritpreise in den USA als nachhaltig angesehen werden. Eine ähnliche Markreaktion erwartet er auch für Europa und China.
Was den Ölpreis bestimmt
Der Ölbedarf hängt stark von der Konjunktur ab. Mit zunehmenden Wirtschaftswachstum steigt auch der Ölverbrauch. So ist der Bedarf nach Öl in den boomenden Schwellenländern China, Indien und Russland in den vergangenen Jahren massiv gestiegen und hat diese Länder zu den größten Ölverbrauchern der Welt gemacht. Hinzu kommen saisonale Einflüsse, etwa vor dem Winter mit steigendem Heizölbedarf oder der so genannten „Driving Season“ in den USA, weil dann der Benzinverbrauch sprunghaft steigt.
Der Ölpreis hat kaum Auswirkungen auf die Nachfrage, da der Ölverbrauch bei steigendem Ölpreis nicht einfach so eingeschränkt werden kann – man spricht von einer preisunelastischen Nachfrage.
Der Verbund der Erdöl fördernden Länder spricht sich regelmäßig bezüglich der Fördermenge ab, was natürlich Auswirkungen auf den Ölpreis hat. Sollten sich vor allem die arabischen Länder auf ein Senkung der Fördermenge einigen, verknappt dies das Angebot und treibt den Preis für Rohöl.
Erdöl ist grundsätzlich ein knappes Gut, aber es herrscht auch viel Unsicherheit darüber, wie lange die Vorkommen reichen. Hinzu kommt, dass mit steigendem Ölpreis auch der Abbau nur zu höheren Produktionskosten abbaubarer Ölvorkommen eher lohnt, z.B. die Ölgewinnung aus Ölschiefer, Ölsand oder durch Tiefsee-Bohrungen. Außerdem neigen die großen Raffinerien ebenso wie Staaten dazu, ihre Lagerhaltung auszuweiten, wenn der Ölpreis starken Schwankungen unterliegt. Stocken diese Marktteilnehmer ihre Lagerbestände massiv auf, sorgt die erhöhte Nachfrage kurzfristig für neue Preishochs.
An den Börsen wird Öl in Form von Terminkontrakten gehandelt. Die Marktteilnehmer kaufen also Öl, das erst zu einem späteren Zeitpunkt zum vereinbarten Preis geliefert wird. Vom Spotpreis wird gesprochen, wenn es sich um kurzfristige Terminkontrakte handelt, bei denen das Öl innerhalb von zwei Wochen geliefert wird. Längerfristige Terminkontrakte können auch für Spekulanten attraktiv sein.
Der US-Dollar ist die Standardwährung im Rohstoffmarkt. Eine Änderung des Dollar-Kurse hat somit Einfluss auf die Ertragslage des Erdölexporteurs. Auf Staatenebene spielt dabei eine Rolle, wie viele Güter in der Handelsbilanz stehen, die in Dollar bezahlt werden. Die erdölexportierenden Länder haben daher Interesse daran, bei einem fallenden Dollarkurs die Exportpreise für Erdöl etwa durch Angebotsverknappung anzuheben.
Auf der anderen Seite dürfte das Ölangebot im gleichen Zeitraum sinken oder zumindest gleich bleiben. Vor allem beim Fracking in den USA sinkt die Fördermenge. "Die Strategie der OPEC scheint aufzugehen. Vom Hoch im Herbst ist die Anzahl aktiver Ölbohrungen in den USA bereits um ein Viertel gesunken. Im Grunde ist der Fracking-Boom schon wieder vorbei", konstatiert der Rohstoffexperte.
Aber auch Weinberg glaubt nicht, dass es in den kommenden zwölf Monaten mit dem Ölpreis nur noch aufwärts geht. "Eine kurzfristige Prognose ist aufgrund der starken Schwankungen viel schwieriger. In einem Monat könnte der Ölpreis bereits wieder unter die 50-Dollar-Marke gesunken sein", so Weinberg.
Sparen geht vor Dividendenkürzung
Zum anderen glänzen viele Ölkonzerne wie erwähnt mit üppigen Dividenden. Etliche Ölaktien haben zwar massive Kursverluste erlitten, sich aber nach Veröffentlichung der Quartalsergebnisse schon spürbar erholt, weil die meisten Analysten und Profi-Investoren Schlimmeres befürchtet hatten. Zudem reagierte die Börse positiv auf die angekündigten Sparmaßnahmen, die mittelfristig das Rohölangebot einschränken sollten.
Da die Aktienkurse gesunken sind, sind die Dividendenrenditen schon rechnerisch gestiegen - sofern die erwartete Dividende auch gezahlt wird. Die Dividende aber ist den Konzernlenkern der Ölindustrie besonders wichtig. Shells Vorstandschef Ben van Beurden sagte: „Die Ausschüttung ist bei Shell Teil der Kultur. Ich werde alles tun, um sie zu schützen.“ Auch Chevron zahlt seit 27 Jahren eine Dividende - und hat sie bislang jedes Jahr ein wenig angehoben. Um sie zu halten, hat Chevron Sparmaßnahmen wie etwa Projektverschiebungen angekündigt.
Für Anleger müssen auch nicht zwingend auf Aktien sein. Auch Fonds auf den europäischen Stoxx Oil & Gas oder seinen breiter diversifizierten Stoxx 600 Oil & Gas können für Langfristanleger attraktiv sein. Ebenso können sie direkt auf die Ölpreisentwicklung setzen. „Anleger, die auf eine zukünftige Erholung des Ölpreis setzen, können mit einem Zertifikat auf den Brent Crude Öl Future profitieren“, empfiehlt etwa Frank Krekel von der Vermögensverwaltung Unikat. „Des weiteren können Unternehmen wie Royal Dutch Shell, BP und Total für Anleger mit längerem Atem interessant sein. Sie bilden die ganze Bandbreite der Wertschöpfung ab und zeichnen sich in der Regel durch eine gute Dividendenrendite aus.“