Proxy Voting (K)eine Wahl für Kleinanleger

Quelle: imago images

Wer in einen Aktienfonds investiert, gibt sein Stimmrecht an den Manager weiter. So finden Anleger heraus, ob dieser bei Abstimmungen in Unternehmen in ihrem Sinne votiert.

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Die Hauptversammlungssaison 2022 ist in vollem Gange, und sie könnte die spannendste seit Jahren werden. Es zeichnet sich ab, dass viele Aktionäre dieses Jahr Vorschläge anderer Anteilseigner unterstützen, vor allem solche zu Nachhaltigkeitsfragen. Bei der Hauptversammlung von Jack in the Box Mitte März votierten mehr als 95 Prozent der Aktionäre für einen Vorschlag des Investors Green Century. Der auf Öko-Anlagen spezialisierte Fondsanbieter hatte die US-Fastfoodkette dazu aufgefordert, ihre Bemühungen um umweltfreundliche Verpackungen zu verstärken.

Wer keine Einzelaktien im Depot hat, sondern Anteile an einem Aktienfonds, kann nicht selbst auf Hauptversammlungen sprechen und dort über Anträge abstimmen. Er muss darauf vertrauen, dass die Fondsgesellschaft ihn würdig vertritt. Das ist allerdings nicht immer der Fall. Wie finden Fondsanleger heraus, wie es ihr Fondsanbieter mit der Stimmrechtsvertretung hält? Indem sie Puzzleteile suchen und sie zu einem Gesamtbild zusammensetzen.

Die meisten Fondshäuser legen mittlerweile offen, ob und wie sie ihr Stimmrecht ausüben. Wer auf ihren Homepages nach dem Stichwort Proxy Voting sucht, wird in der Regel fündig. Die Reports zum Thema liefern einen ersten Einblick. Zum Beispiel bei Robeco: Der Fondsanbieter veröffentlicht seine internen Regeln für die Stimmrechtsvertretung und einen jährlichen Proxy-Voting-Bericht. Den Hausregeln zufolge stimmt Robeco etwa für Aktionärsvorschläge, die mehr Transparenz in Nachhaltigkeitsfragen zum Ziel haben oder anstreben, langfristigen Shareholder Value zu schaffen - also einen Wertzuwachs für die Anteilseigner.

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Wer stimmt wo für was – und warum?

Im vergangenen Jahr hat Robeco nach eigenen Angaben an fast 5600 Unternehmensversammlungen teilgenommen und über rund 64.500 Anträge abgestimmt. Bei Anträgen anderer Anteilseigner zu Umweltthemen stimmte das Haus in 83 Prozent der Fälle im Sinne der Antragsteller, bei Anträgen zu sozialen Fragen in 93 Prozent der Fälle. Das ist ein beachtliches Ergebnis. In mehreren Fallbeschreibungen erklärt Robeco zudem, wo seine Fondsmanager wie abgestimmt haben – und warum. Darüber hinaus können Anleger auf der Homepage des Anbieters die Abstimmungshistorie einzelner Fonds nachlesen.

von Georg Buschmann, Philipp Frohn, Martin Gerth, Julia Groth, Heike Schwerdtfeger, Jan-Lukas Schmitt

Die Studie „Voting Matters“ von Share Action hilft dabei, Informationen zum Proxy Voting einzelner Gesellschaften in Relation zu setzen. Schließlich dürfte sich kein Anlagemanager selbst eine schlechte Note für seine Stimmrechtsvertretung ausstellen. In der jährlich erscheinenden Untersuchung fasst die britische Organisation Share Action zusammen, wie Investmentgesellschaften im zurückliegenden Jahr abgestimmt haben, und gibt einen Branchenüberblick.

Platzhirsche ignorieren Empfehlungen

Das Ergebnis der jüngsten „Voting Matters“-Studie vom vergangenen Jahr: Europäische Anlagemanager entscheiden bei Abstimmungen zu Umwelt- und sozialen Fragen deutlich häufiger im Sinne der Antragsteller als US-Häuser. Am kooperativsten zeigte sich im vergangenen Jahr der Londoner Vermögensverwalter Impax Asset Management, gefolgt von BNP Paribas Asset Management und dem niederländischen Haus Achmea Investment Management. Robeco liegt auf Rang vier – und bekommt von Share Action sogar eine noch höhere Zustimmungsrate zu Umwelt- und sozialen Themen bescheinigt als im hauseigenen Proxy-Voting-Bericht.

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Vor allem die Schwergewichte der Fondsbranche wie Blackrock und Vanguard stimmen dagegen vergleichsweise selten für Nachhaltigkeitsanträge anderer Investoren. Sie votierten 2021 sogar seltener mit „ja“, als ihre Stimmrechtsberater empfahlen. Unternehmen wie ISS oder Glass Lewis bieten institutionellen Investoren ihre Dienste als „Proxy Voting Advisors“ an und geben Empfehlungen für das Abstimmungsverhalten – denen aber längst nicht immer Folge geleistet wird.

Was können Anleger tun, wenn ihr Fondsanbieter nicht in ihrem Sinne abstimmt? Nicht viel. Letztlich steht allerdings auch Kleinanlegern eine Art der Abstimmung offen: die Abstimmung mit den Füßen. Übt ein Fondshaus sein Stimmrecht nicht so aus, wie es ein Anleger gern hätte, kann er einfach mit seinem Geld zu einem anderen Anbieter wechseln.

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