Die Daten des BCG-Ranking lassen erkennen, wie nachhaltig der Börsenerfolg einer Aktie ist, und wie wahrscheinlich daher die Fortsetzung ihres Höhenflugs. Nicht alle Wertreiber sind gleich stabil. Als nachhaltigster Treiber für die Aktienkurse hat sich Umsatzwachstum erwiesen: es zeugt bei Unternehmen, die Gewinn machen, zuallererst von einem funktionierenden Geschäftsmodell. Umsatzwachstum ist theoretisch endlos fortsetzbar, es lässt sich oft in Gewinn, Cash-Flow oder Dividenden transformieren; das gilt umgekehrt nicht für die anderen Wertreiber wie Schuldenabbau, Verringerung der Aktienzahl oder Steigern der Gewinnmarge, die per Definition endlich sind. Viel Wertsteigerung aus der Gewinnmarge kann darauf hindeuten, dass dieser Faktor schon ausgereizt ist, weil das Unternehmen Zulieferpreise und Löhne drückt oder mit Investitionen geizt.
Ein unsicherer Kantonist ist der Faktor „Ausweitung der Börsenbewertung“: Steigt er über Jahre schneller an als die anderen Werttreiber, so bedeutet das, dass die Aktie in eine Bewertungsblase hineinzuwachsen droht. „Anleger bezahlen bei diesen Unternehmen für den gleichen Gewinn und Umsatz an der Börse nun mehr, in der Hoffnung auf eine glänzende Zukunft“, erklärt Partner Plaschke. Mit anderen Worten: Sie akzeptierten ein immer höheres Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) und ein Kurs-Umsatz-Verhältnis (KUV).
Langfristig, das zeigen die BCG-Studien, gibt es dann nur zwei Möglichkeiten: Entweder, das Unternehmen wächst in die hohe Erwartungshaltung der Anleger hinein, liefert also mehr Umsatz und Gewinn, oder es kommt zu Kursrückschlägen.
Ein Beispiel aus dem Dax verdeutlicht den Unterschied. Infineon bringt eine jährliche Rendite von 59 Prozent. Davon stammen sechs Prozentpunkte aus einer besseren Gewinnmarge, sieben aus Dividenden, 23 Punkte aus Schuldenabbau. Sieben Punkte machte die Ausgabe neuer Aktien im Gegenzug zunichte; zwei Punkte per anno kosteten die schwindenden Umsätze. Den Löwenanteil brachte die höhere Bewertung an der Börse: im Schnitt zahlten Anleger jedes Jahr 32 Prozentpunkte mehr für Infineons Umsatz und Gewinn. Macht in Summe 32 + 7 + 6+ 23 -2 -7 = 59 – durch Rundung können in Tabellen einzelne Abweichungen entstehen.
Bei BMW (34 Prozent Gesamtertrag pro Jahr) stammt nur ein Prozentpunkt aus der höheren Bewertung, 19 Punkte trug die bessere Gewinnmarge bei und acht das Umsatzwachstum. Laut BCG-Methodik sind bei BMW die Kursgewinne also gut durch fundamentale Treiber wie Gewinnwachstum unterfüttert, während Anleger bei Infineon bereits von einer steigenden Bewertung an der Börse profitierten.
Die zehn wichtigsten Aktien-Regeln
Gegen die größer werdenden Unwägbarkeiten sollte man sich zuallererst mit einer Strategie wappnen: Wer an kräftiges Wachstum in Deutschland glaubt, an einen anhaltenden Boom der Schwellenländer und hohen privaten Konsum, kann weiter am Aktienmarkt investieren. Wer skeptisch ist, sollte seine Bestände hingegen nicht aufstocken.
Eng verbunden mit der ersten Regel: Immer wieder kommt es vor, dass sich Dinge anders entwickeln, als man erwartet hat. Es ist wichtig, sich selbst immer wieder zu hinterfragen und nicht jeder Entwicklung hinterherzulaufen. Eine solche Reaktion zeugt nicht von einem geringen Vertrauen in die eigene Strategie. Es kostet meist auch Geld, weil die Masse schon vorher diese Richtung eingeschlagen und das Gros an Rendite eingefahren hat.
Groß oder klein, spekulativ oder konservativ, liquide oder illiquide, dividendenstark oder dividendenschwach, Substanz oder Wachstum: Bei Aktien ist die Auswahl riesig. Der richtige Mix aus spekulativen und konservativen Titeln hilft, Schwankungen zwischen guten und schlechten Zeiten auszugleichen. Nicht zu unterschätzen sind starke Dividendenzahler, die Jahr für Jahr den Grundstock für eine solide Rendite legen.
Keine Frage, die Börsen haben in den vergangenen zehn Jahren stärker geschwankt als in allen Dekaden zuvor. Das wird so bleiben, mit wachsendem Computerhandel sogar noch zunehmen. Wer sein Risiko minimieren will, baut Barrieren ein – sogenannte Stopps. Gerne werden Stopps bei 20 Prozent über und unterhalb des aktuellen Kurses gewählt. Dann wird automatisch verkauft, wenn diese Grenzen erreicht sind. Kommt eine Phase überraschend steigender Kurse mit anhaltendem Aufwärtstrend, lässt sich die Barriere leicht nach oben verschieben. Wichtig ist dann, auch die Barriere am unteren Ende nachzuziehen.
Wichtig in Phasen überraschender Kurssteigerungen oder -stürze ist es, das Verhalten der Masse zu beobachten. Ist es noch nachvollziehbar oder völlig irrational? Häufig ist es irrational. Dann hilft meist die zweite Regel: Widerstandskraft zeigen. Nach einigen Monaten kehrt die Rationalität von ganz allein zurück. Der Kurssturz aus dem vergangenen Jahr und die jüngste Entwicklung beweisen das gerade wieder.
Sind Aktien wie seit Jahresbeginn schon um 30, 40 oder gar 50 Prozent gestiegen, dann sind Anschlussgewinne in der Regel nur noch schwer zu erzielen. Phrasenverdächtig ist zwar die alte Weisheit: „An Gewinnmitnahmen ist noch niemand zugrunde gegangen.“ Richtig ist sie trotzdem.
Firmenchefs haben einen gewaltigen Vorteil gegenüber normalen Aktionären. Sie wissen weit mehr als jeder Analyst oder Kommentator, wie es in ihrem Unternehmen aussieht. Insider nennt man sie deshalb. Sie melden ihre Orders innerhalb von fünf Handelstagen an die Börsenaufsicht Bafin. Das Handelsblatt veröffentlicht alle zwei Wochen das sogenannte Insider-Barometer, das aus der Summe aller Kauf- und Verkaufsorders Schlüsse für den weiteren Verlauf in Dax & Co. zieht. Jüngste Tendenz: Vorstände und Aufsichtsräte verkaufen mehr als sie kaufen. Vorsicht also!
Terroranschläge und Naturkatastrophen kommen unerwartet. Politische Konflikte wie aktuell zwischen Israel und dem Iran schwelen meist länger. Entscheidende Wahlen wie jüngst in Russland und in diesem Jahr noch in Frankreich und den USA sind vorhersehbar und haben immer Einfluss auf die Börse. Dabei gilt generell: Wahljahre sind gute Börsenjahre.
Mit Optionsscheinen oder Bonus-Zertifikaten lässt sich zwar aus einem Aufwärtstrend ein noch größerer Profit schlagen. Dies sind jedoch in der Regel Wetten ohne realen Hintergrund. Aktien sind reale Werte.
Vor allem Aktien einzelner Branchen unterliegen immer wieder gewissen Moden. Doch die wechseln wie im realen Leben, und manchmal geht das schneller, als man denkt. Das bekommt gerade die einst angesehene Solarenergie-Branche bitter zu spüren.
Zwölf von 15 mit Gewinn
Auch die BCG-Analysen können keine Aktien mit Renditegarantie zutage fördern; aber das Risiko von Enttäuschungen wird minimiert. So konnten von den in WirtschaftsWoche 38/2012 auf Basis der BCG-Analysen empfohlenen 15 Papiere zwölf zulegen; einige haben sich verdoppelt, etwa Shire Pharma oder der US-Schuhhersteller Deckers Outdoor, nur drei enttäuschten. Ähnlich gut die Bilanz der vor drei Jahren empfohlenen Werte wie Apple (inklusive Dividenden 26 Prozent im Plus), Anheuser-Busch AmBev (19), Great Wall China (34) oder Novo Nordisk (27 Prozent seit Empfehlung).
Was bei einzelnen Aktien funktioniert, gilt erst recht für die Börse als Ganzes. So bekamen Anleger aus den BCG-Reports oft früh Hinweise auf Wendepunkte an den Börse. 2013 warnte BCG: „Gefahr droht aus den Schwellenländern (...). Inzwischen sind viele Schwellenländeraktien deutlich höher bewertet als ihre Branchen-Pendants aus westlichen Industrienationen“.