Referendum in Italien Kaufen, wenn Rom untergeht?

Scheitert das Referendum in Italien, ist das nicht für alle Investoren ein Weltuntergang. Im Gegenteil: Viele Anleger würden ein „Nein“ als Einstiegschance sehen. Und haben bereits einige Aktien auf ihrem Einkaufszettel.

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Stimmt Italien mit „Nein“ im Referendum, erwarten einige Anleger keinen Absturz der Aktienkurse. Quelle: Reuters

Frankfurt Während die meisten Börsianer vor einem Scheitern des Referendums in Italien bibbern, lassen sich einige Anleger nicht von der allgemeinen Nervosität der Märkte vor der nahenden Abstimmung aus der Ruhe bringen. Für sie wäre eine Ablehnung der Reformen am Sonntag nicht der Untergang Roms. Sie sehen mögliche Kurskapriolen nach einem „Nein“ der Italiener eher als Einstiegschance, auch bei den angeschlagenen Finanzwerten des Landes.

„Man kann Krisen nicht entgehen, sie aber zum eigenen Vorteil nutzen“, betont Umberto Borghesi vom britischen Vermögensverwalter Albemarle. „Die Stimmung wird ein, zwei oder drei Monate umschlagen. Ein Sieg des „No“-Lagers ist aber keine Katastrophe.“ Albemarle will vier Tage vor dem für den 4. Dezember angesetzten Referendum einen neuen Fonds für italienische Aktien auflegen und dafür 60 Millionen Euro einsammeln.

Gilles Guibout, Chef-Anlagestratege des Vermögensverwalters Axa Investment Managers, rät zur Besonnenheit. „Ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone oder ein Banken-Kollaps sind zu große Gefahren, um sie passieren zu lassen.“ Den italienischen Banken bleibe längerfristig nichts anderes übrig, als zu fusionieren und ihre Ertragskraft zu steigern. Daher halte er mit seinem Italien-Fonds an Finanzwerten fest, obwohl diese wohl am stärksten unter einem möglichen Aktien-Ausverkauf leiden würden. „Wir treffen unsere Investitionsentscheidungen mit Blick auf die Entwicklung der kommenden drei Jahre, nicht der kommenden drei Wochen.“

Auch Stephan Heibel, der die wöchentlichen Handelsblatt-Umfrage zur Börsenstimmung auswertet, hat eine andere Meinung als die meisten Börsianer. „Mich würde mich nicht wundern, wenn inzwischen sogar ein chaotisches Italien von den Finanzmärkten begrüßt wird, denn aus dem Chaos kann endlich was Neues entstehen.“ Denn alles was ein „weiter so“ verhindert, wurde in den vergangenen Monaten von den Finanzmärkten begrüßt.


Stimmt Italien mit „Ja“, könnten Kurse stark steigen

Fondsmanager Roberto Lottici von der Banca Ifigest, kauft nach eigenen Angaben sogar Aktien italienischer Firmen mit einer soliden Bilanz und positiven Geschäftsaussichten nach. Zu seinen Favoriten gehöre die Großbank Intesa Sanpaolo.

Italienische Banken sitzen auf einem 360 Milliarden Euro hohen Berg fauler Kredite. Aus diesem Grund benötigen sie dringend frisches Kapital. Bei der Banca Monte dei Paschi di Siena (BMPS), dem ältesten Geldhaus der Welt, sind es rund fünf Milliarden Euro und bei der HVB-Mutter Unicredit sogar bis zu 13 Milliarden Euro. Eine Regierungskrise könnte ihre geplanten Kapitalerhöhungen durchkreuzen, befürchten Börsianer.

Der italienische Bankenindex ist daher seit Jahresbeginn um rund 50 Prozent gefallen, rund vier Mal so stark wie der europäische Finanz-Sektor insgesamt. Aus diesem Grund rechnet Fondsmanager Andreas Thomae von der DekaBank selbst bei einem „No“ nicht mit weiteren großen Kursstürzen. „Wenn Matteo Renzi nicht zurücktritt, könnte es sogar eine Erleichterungsrally geben.“ Bei einem „Si“ seien sogar Kursgewinne von bis zu zehn Prozent drin. „Banken sind der Seismograph für die Entwicklung des Landes.“

Der italienische Ministerpräsident hatte ursprünglich seine politische Zukunft an den Erfolg des Referendums geknüpft, diese Aussagen zuletzt aber nicht mehr wiederholt. Führende italienische Politiker sprechen sich für einen Verbleib Renzis im Amt aus. Die Verfassungsreform soll die Zentralregierung stärken und das politische System stabilisieren.

Für Michael Herzum, leitender Anlagestratege des Vermögensverwalters Union Investment, drohen Kursrisiken aus einer anderen Richtung: „Die anstehende Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Rechtmäßigkeit des italienischen Wahlsystems ist von Bedeutung für die Märkte. Sollte das Referendum scheitern, das neue Wahlsystem aber bestätigt werden, steigt die Chance, dass europakritische Kräfte im Parlament eine dominierende Position gewinnen.“

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