Riedls Dax Radar
Quelle: REUTERS

13.600 Punkte im Dax in Reichweite

Die Konjunktur läuft, die Zinsen bleiben unten. Von einer Überhitzung ist der Dax weit entfernt. Er könnte in diesem Jahr das Allzeithoch um 13.600 Punkte erreichen. Sogar Daimler-Aktien könnten die Wende schaffen.

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Wenn die amerikanischen Notenbanker am 10. Dezember zu ihrem nächsten Treffen zusammenkommen, dürften sie wahrscheinlich dieses Mal nicht an der Zinsschraube drehen. Im Oktober hatte die Fed den Leitzins in die Spanne 1,50/1,75 Prozent gesenkt. Mehrmals hatte Fed-Chef Jerome Powell darauf hingewiesen, die jüngsten Senkungen seien nur eine vorübergehende Maßnahme in einem längeren, nach oben gerichteten Zinszyklus. Die Daten aus dem jüngsten Beige Book der Notenbank zur Analyse der US-Wirtschaft passen zu dieser Grundlinie.

Danach hat die amerikanische Konjunktur zuletzt mit einer Jahresrate von 2,1 Prozent zugelegt. Das ist etwas mehr als in den Monaten davor, und auch mehr, als die meisten Banken erwartet hatten. Motor des Wachstums ist weiterhin der private Konsum, der um 2,9 Prozent zulegt; dazu kommt ein guter Teil des Wachstums aus Staatsausgaben.

Schwächer allerdings sind die Investitionen. Das verwundert nicht, denn hier machen sich die Folgen des Handelskonflikts bemerkbar. Dass die Fed deshalb gleich noch einmal die Zinsen zurücknimmt, ist aber wenig wahrscheinlich. Dafür ist der Duktus der Notenbank zu positiv. Zudem ist der Arbeitsmarkt weiterhin angespannt, viele Unternehmen spüren zudem hohe Kosten. All dies deutet darauf hin, dass die US-Wirtschaft auf moderatem, keineswegs wackligen Wachstumskurs ist.

Die spannendsten Aktien der Woche

An den Kapitalmärkten wurde auf diese Entwicklung seit Monaten gesetzt. Schritt für Schritt sind die Renditen für zehnjährige US-Staatsanleihen gestiegen und haben fast das Niveau um zwei Prozent erreicht. Seit einigen Tagen driften sie wieder leicht ab, derzeit rentieren zehnjährige Treasuries mit 1,76 Prozent. Sie liegen damit deutlich über dem Sommer-Tief, als die Angst vor einer Rezession umging.

Rohstoffmärkte signalisieren mögliche wirtschaftliche Erholung

Das wichtigste Industriemetall, Kupfer, arbeitet in der Preisspanne 5600 bis 6000 Dollar je Tonne an einer Bodenbildung. Aluminium ist noch nicht ganz so weit, allerdings sind auch hier zwischen 1700 und 1850 Dollar klare Zeichen der Stabilisierung zu erkennen. Selbst der Ölpreis (Brent) ist zuletzt nicht mehr weiter gefallen, sondern hat sich in der Spanne 60 bis 65 Dollar eingependelt. Wie der Zinsmarkt signalisiert auch dies einen moderaten, leicht nach oben gerichteten Konjunkturtrend.

Es gibt sogar regelrechte Stärkesignale. Der Philadelphia Semiconductor Index (SOX), in dem die wichtigsten Halbleiteraktien weltweit stecken, rangiert bei einem Stand von mehr als 2000 Punkten auf Top-Niveau. Halbleiter sind – im weiteren Sinne – ein zentraler Rohstoff für die großen Technologietrends: von der Digitalisierung in den Unternehmen über das Internet der Dinge bis zum autonomen Fahren. Halbleiteraktien sind Frühzykliker. Damit steckt in der Stärke des SOX eine positive Indikation für die Märkte.

von Anton Riedl, Frank Doll, Heike Schwerdtfeger

Nicht ganz so breit angelegt, aber für neue Technologien ebenfalls wichtig, ist die jüngste Stärke in der Biotechnologie. Das zeigt sich an internationalen Top-Aktien wie Amgen, an Indizes wie dem Nyse Arca Biotech oder in Europa am Comeback von Branchenwertpapieren wie BB Biotech. Zugleich ist dies auch für die Pharmaaktien ein gutes Signal, da Biotech und Pharma sowohl auf technologischer, als auch unternehmerischer Ebene immer weiter zusammengehen. Wenn Amgen läuft, ist das auch ein positives Signal für den Dax-Wert Merck.

Sogar Bayer kommt langsam wieder. Seit Monaten stabilisiert sich die Aktie, obwohl die Probleme aus der Monsanto-Übernahme nicht vom Tisch sind. Doch ähnlich wie bei Volkswagen nach dem Abgasskandal und E.On oder RWE nach der Energiewende findet die Stabilisierung der Aktien früher statt als die allgemeine Stimmungslage in den Nachrichten suggeriert. Für Bayer heisst das: Wenn jetzt keine Meldungen von neuen juristischen Belastungen kommen, dürfte die Aktie zwischen 60 und 72 Euro einen Boden bilden und könnte dann bei einem Anstieg über 72 Euro ein starkes Kaufsignal geben – als positives Bayer-Szenario für 2020.

Gefallene Engel bewahren den Dax vor der Überhitzung

Wenn ein gefallener Engel wie Bayer, der trotz schwer gesunkener Kurse immer noch 64 Milliarden Euro Börsenwert auf die Waage bringt (vor BASF immerhin der sechsschwerste Titel im Index), ist das für den Dax ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass der Markt weit davon entfernt ist, überhitzt zu sein. Nicht nur die Kurse von Bayer-Aktien sind alles andere als heiß gelaufen, auch andere Klassiker sind langfristig betrachtet eher unten als oben.

Sondereffekte drücken den Daimler-Gewinn, Verkaufszahlen auf Rekordniveau

Ganz besonders gilt das für Daimler-Aktien. Mehr als 10.000 Stellen wird Daimler im Zuge seines jüngsten Kostensenkungsprogramms abbauen. Die Zahl klingt absolut gesehen massiv, ist bei einer Gesamtbelegschaft von 300.000 Mitarbeitern aber kein Drama. Es dürfte den Stuttgartern keine Probleme bereiten, bis Ende 2022 diese Stellen wie geplant abzubauen und damit einen wesentlichen Teil der Einsparungen von insgesamt mehr als einer Milliarde Euro vorzunehmen.

Dazu passt, dass die Geschäftszahlen in diesem Jahr deutlich schwächer ausfallen werden – jedenfalls, wenn es um die Gewinne geht. Banken rechnen hier im Durchschnitt mit einem Rückgang von einem Drittel. Allerdings ist keineswegs eine operative Schwäche im Fahrzeuggeschäft der Grund dafür. Verantwortlich für die niedrigeren Daimler-Gewinne in diesem Jahr sind vor allem milliardenschwere Rückstellungen für juristische Risiken aus dem Skandal um Dieselabgase sowie wahrscheinlich nun auch noch Aufwendungen für das beginnende Sparprogramm.

Bei den Verkaufszahlen der Fahrzeuge hingegen rangiert Daimler auf Rekordniveau. Mit 839.326 Fahrzeugen im dritten Quartal erzielte Daimler einen Top-Wert. Der Umsatz legte dabei sogar noch stärker zu. Das ist ein Indikator, dass Daimler für seine Fahrzeuge gute Preise erzielt. Mit anderen Worten: Wenn Daimler sein Abgasproblem in den Griff bekommt und die vorübergehenden Belastungen aus dem Konzernumbau verarbeitet hat, dürfte sich der Jahresnettogewinn von aktuell fünf Milliarden Euro wieder in den Bereich sieben bis acht Milliarden Euro erhöhen.  

Daimler-Aktien sollten sich kurzfristig weiter zwischen 48 und 54 Euro halten. Wenn dem Unternehmen nächstes Jahr die strukturelle Wende gelingt, könnte es dann zu einem Anstieg über 60 Euro hinaus kommen. Das wäre dann sogar ein starkes Kaufsignal

E.On und Henkel mit Nachholbedarf, Vonovia nicht zu bremsen

Im Vergleich zu den Fahrzeugaktien sind die Energieversorger bei ihrer großen Wende schon weiter fortgeschritten. Bei E.On kommt nun wieder Bewegung in den Kurs, weil sich durch die Innogy-Aufteilung in diesem Jahr ein Umsatzschub abzeichnet. Zudem profitiert die Aktie davon, dass E.On die zuletzt schwierige Situation auf dem britischen Energiemarkt mit Nachdruck angeht. Noch in diesem Jahr könnten E.On-Aktien das wichtige Niveau um 10 Euro erreichen.

Bei Henkel sieht es ähnlich aus. Probleme in den USA und Enttäuschungen beim Wachstum haben die Aktie seit Mitte 2017 gedrückt, obwohl Branchenkonkurrenten wie Beiersdorf oder Procter & Gamble davongezogen sind. Ob es in den nächsten Monaten zu einer Übernahme des Coty-Ablegers Wella kommt und Henkel damit sein Haarpflegegeschäft ausbaut, ist noch offen. Kurzfristig wäre es gut, wenn sich die Aktie zwischen 90 und 95 Euro hält. Dann könnte, vielleicht sogar bis Jahresende, ein Anstieg bis auf 105 Euro möglich sein.

Wenn man von Überhitzung im Dax spricht, trifft das besonders auf Vonovia zu. Sowohl auf dem Immobilien- und Mietmarkt, dem Kerngeschäft von Vonovia, gibt es Anzeichen der Überhitzung, als auch im Aktienkurs, der seit mehr als sechs Jahren steil nach oben zeigt. Aktuell hat Vonovia das Niveau des Allzeithochs erreicht. Dass die Aktie dabei trotz kurzfristiger Kursbewegungen im Bereich um 48 Euro kaum nachgibt, ist ein Stärkesignal. Das bedeutet: Die Wahrscheinlichkeit, dass Vonovia-Aktien ihren Aufwärtstrend fortsetzen ist größer als die Gefahr einer Wende.

Fazit für den Dax: Die Weltwirtschaft bleibt mit moderaten Wachstumsraten auf Kurs. Zahlreiche Indikatoren deuten darauf hin, dass es im Laufe des nächsten Jahres sogar zu einer leichten Belebung kommen könnte. In diesem Umfeld gibt es zwar weniger Spielraum für neue, expansive Zinsmaßnahmen. Doch da das Zinsniveau insgesamt sehr niedrig beziehungsweise negativ bleiben wird, ist das Umfeld für die Aktienmärkte gut. Dow Jones, Nasdaq 100, Stoxx 600 und seit kurzem auch M-Dax und Tech-Dax haben gerade erst Rekordniveau erreicht. Der Dax ist noch nicht soweit und dank zahlreicher schwer gefallener Engel weit von einer Überhitzung entfernt. Unabhängig von kurzfristigen Korrekturen (die im Dax maximal bis etwa 12.500 Punkte gehen dürften), könnte der Dax noch in diesem Jahr sein Allzeithoch um 13.600 Punkte anlaufen.

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