Riedls Dax-Radar
Quelle: dpa

5 Gründe, warum Turbulenzen an den Börsen drohen

Kurz vor der Zinsentscheidung der amerikanischen Notenbank hat sich der Dax festgefahren. Sollten aus Amerika keine neuen Impulse kommen, droht eine mehrwöchige Zitterpartie.

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August, September und Oktober gehören an den Börsen zu den gefährlichen Monaten, in denen es überdurchschnittlich oft zu Korrekturen oder Kursrückschlägen kommt. Auch jetzt hat sich eine brisante Mischung zusammengebraut. Ein Überblick.

1. Die Konjunktur ist schwächer als vielfach erwartet

Der ifo-Index sackt auf den tiefsten Stand seit sechs Jahren. Dass die Nachrichten von konjunktureller Seite seit einiger Zeit pessimistischer werden, ist nicht neu. Doch bisher schwang meist die Hoffnung mit, dass es sich hierbei nur um eine vorübergehende Delle handelt und spätestens 2020 wieder Wachstum in Sicht sei. Diese Hoffnung schwindet.

An den Börsen ist die hartnäckige Talfahrt der Konjunktur bis hin zum Rezessionsrisiko bisher nur zum Teil verarbeitet. Das zeigen die heftigen Kursabschläge nach Veröffentlichung des jüngsten, schwachen ifo-Index genauso wie hohe Kursverluste, wenn Unternehmen wie Daimler die Erwartungen verfehlen.

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In den konjunktursensiblen Branchen (Auto, Maschinenbau, Chemie) gehen die Aufträge zurück. Selbst wenn es früher oder später dann doch wieder zu einer Erholung kommt, wird es zunächst einmal über Monate hinweg schwache Umsatz- und Ergebniszahlen von Unternehmen geben. Für die Börsen ist das ein latentes Risiko.

2. Notenbanken zwischen politischem Druck und Alarmismus

Die EZB senkt die Zinsen vorerst nicht, an der Börse führte das zu einem scharfen Kursrückgang. Offensichtlich herrscht unter Anlegern die Meinung vor, Zinssenkungen seien schon beschlossene Sache.

Für die Notenbanken ist das eine unbequeme Situation. Als Erfüllungsgehilfen von Politik oder Börse wollen sie keinesfalls gelten. Das ist bei der EZB so und auch bei der Fed. Ein gewisses Überraschungsmoment, das die Unabhängigkeit unterstreicht, ist Teil der Macht der Notenbanken.

Bei der EZB ist die aktuelle Zinspolitik schon so großzügig, dass weitere expansive Maßnahmen – etwa Strafzinsen – als regelrechte Alarmzeichen gewertet werden könnten. Soweit will EZB-Chef Draghi derzeit offensichtlich noch nicht gehen. Bereit für neue, expansive Schritte aber ist er, das hat er gerade zu verstehen gegeben.

Die Fed ist in einer komfortableren Lage. Nach neun Zinserhöhungen infolge hat sie Spielraum für Senkungen. Allerdings steckt sie vor der Entscheidung kommender Woche Dienstag und Mittwoch in einer Klemme: Senkt sie die Zinsen um 0,25 Prozent, entspricht sie weitgehend den Erwartungen, liefert also kein Überraschungsmoment. Setzt sie die Fed-Fund-Rate jedoch sogar um 0,50 Prozent herab, könnte das als Zeichen eines konjunkturellen Schocks interpretiert werden. Immerhin galt gerade die US-Wirtschaft bis vor kurzem noch als ausgesprochen robust. Zudem hätte Fed-Chef Jerome Powell dann noch das Problem, in diesem Fall als verlängerter Arm von US-Präsident Donald Trump dazustehen.

So oder so, substanziell wird sich die Wirkung der Zinspolitik ohnehin in diesem Jahr kaum noch auswirken. Auch damit besteht die Gefahr, dass die Märkte bei den faktisch erzielten Umsatz- und Erfolgszahlen eine Durststrecke überstehen müssen.

3. Krisenbranchen belasten besonders den Dax

Die Hälfte der Dax-Aktien besteht aus zyklischen Werten, die besonders abhängig sind von der Konjunktur. Derzeit ist das sichtbar vor allem an den Chemikern im Dax, BASF, Henkel und Covestro, die alle im Grunde keine besonderen strategischen Fehler gemacht haben, dennoch aber von der abflauenden Wirtschaft und Branchenkonjunktur voll erwischt werden.

Ein besonderer Fall ist hierzulande die Autoindustrie. Sie steht mitten in der größten Transformation seit mehr als einem Jahrhundert. Daimler hat als zusätzliches Risiko ein umfangreiches Nutzfahrzeuggeschäft. Das galt bisher als aussichtsreich, doch sollte sich die Konjunktur weltweit weiter eintrüben, käme es bei Lastwagen, Transportern und Bussen zu neuen, unerwarteten Abstrichen.

4. Der Währungsvorteil des günstigen Euro wackelt

Seit Anfang 2018 ist der Euro gegenüber dem Dollar von 1,25 auf 1,11 gesunken. Das ist die längste Schwächephase des Euro seit dem Jahreswechsel 2015/16. Der rückläufige Euro war für die Dax-Unternehmen, die ein ausgeprägtes internationales Geschäft haben, in den vergangenen eineinhalb Jahren eine wichtige Stütze.

Das Risiko einer Gegenbewegung wächst. Den Dollar überbewertet hält nicht nur US-Präsident Trump, sondern auch eine neutralere Institution wie der IWF. Sollten sich die US-Regierung im Handelskonflikt mit den Chinesen einigen, könnte sich der Druck der Amerikaner in Richtung Europa sogar noch verstärken. Das gilt umso mehr, da Trump gleichzeitig die Fed zu Zinssenkungen drängt, die ja den Dollar schwächen.

Der Euro muss deshalb nicht durch die Decke gehen. Dafür dürfte schon die designierte EZB-Chefin Christine Lagarde sorgen, die sicherlich nicht für eine Rückkehr zu einer harten, wirtschaftlich orientierten Zinspolitik steht. Dennoch ist es wenig wahrscheinlich, dass sich die latente Stärke des Dollars, die seit knapp zwei Jahren besteht, so wie bisher fortsetzt.

5. Gute Aktien sind meist teuer, billige wenig aussichtsreich

Die US-Aktienindizes rangieren auf Top-Niveau, der europäische Stoxx 600 ist nicht weit von seinem Allzeithoch um 400 Punkte entfernt. Selbst der Dax notiert nur ein Zehntel unter seinen Rekorden. Insgesamt gesehen befinden sich die Aktienmärkte auf hohem Niveau. Dabei verläuft die Entwicklung immer differenzierter: Erfolgreiche Unternehmen (im Dax etwa Beiersdorf oder Adidas), deren Kurse nach wie vor keine Schwächen zeigen, werden von Anlegern immer teurer bezahlt. Wer dagegen eine günstige Bewertung aufweist, birgt oft auch entsprechende Risiken. Im Dax gilt das derzeit besonders für Thyssenkrupp.

Weltweit besteht dieses Bewertungsdilemma. Und das kann sich in den nächsten Monaten noch verstärken, wenn Anleger bis bisher eben ihr Geld lieber in Erfolgsunternehmen wie Nestlé, LVMH oder Microsoft stecken und nicht in kritische Firmen wie General Electric oder IBM.

Fazit für den Dax: Nach sieben Monaten Kursanstieg ist der deutsche Aktienmarkt auf einem kritischen Niveau angekommen. Den Abschwung der zweiten Jahreshälfte 2018 hat er weitgehend ausgeglichen, doch alte oder gar neue Kurshöhen (wie Dow Jones und Nasdaq-Index) hat er bis jetzt nicht erreicht. Das ist ein Schwächezeichen. Neue Impulse könnte eine deutliche Zinssenkung der Fed und eine mögliche weitere Rally-Phase an den US-Märkten geben. Doch sollte es nur zu einer Zinssenkung von 0,25 Prozent kommen, ist hier kaum ein positiver Effekt zu erwarten. Mehr noch: Sollte der Dax nach dem schon erwarteten kleinen Zinsschritt in einer enttäuschenden Reaktion (ähnlich wie nach der jüngsten EZB-Sitzung) sogar unter das Niveau von 12.200 Punkte rutschen, könnte dies eine neue, mehrwöchige Korrektur einleiten.

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