Riedls Dax-Radar
Die Börsenpessimisten - symbolisiert durch den Bären vor der Frankfurter Börse - bekommen Aufwind. Quelle: Fotolia

Absturz auf 10.500 oder hoch bis 13.600?

Trotz Krisen und Handelsstreit rettet sich der Dax über die Marke von 12.000 Punkten. Für den Aktienmarkt ist das ein entscheidender Schritt, mit dem das Börsenjahr 2018 besser laufen könnte als befürchtet. Dax-Szenarien für die nächsten Monate.

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Bisher haben die politischen Krisen vor allem an den Rohstoffmärkten tiefe Spuren hinterlassen. Den heftigsten Ausschlag gab es beim Aluminium. Mit einem Anstieg von 1960 Dollar je Tonne auf 2370 Dollar kam es hier zur größten Kursbewegung seit der Finanzkrise.

Hintergrund sind die Strafmaßnahmen gegen russische Aluminiumproduzenten, die das ohnehin nicht große Angebot auf dem Weltmarkt weiter verknappen. Aluminium gehört einerseits zu den für den Aufschwung besonders wichtigen Metallen, etwa in der Fahrzeugindustrie, in der Luftfahrt und in der Rüstung. Andererseits ist die Produktion energieaufwendig und mit hohen Umweltbelastungen verbunden. Eine kurzfristige Entspannung bei den Alu-Preisen ist nicht zu erwarten.

Stark nach oben zieht der Ölpreis. Dahinter steht nicht nur die Angst vor einer Ausweitung der Krise im Nahen und Mittleren Osten. Dazu kommt auch der Konflikt mit Russland, einem der führenden Öl- und Gasproduzenten.

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Eine Belastung für die Märkte ist der steigende Ölpreis noch nicht. Russland dürfte das früher oder später helfen, die aktuellen Turbulenzen zu überwinden. Auch den großen Förderländern USA und Saudi-Arabien kommen die steigenden Notierungen zugute. Ölpreise zwischen 60 und 80 Dollar je Fass, wie sie in den nächsten Monaten möglich sein könnten, sind für die Wertpapiermärkte durchaus positiv. Steigen die Preise noch weiter, setzt langsam ein Bremseffekt ein, weil kostspieliges Öl in vielen Branchen die Produktion verteuert.

Inflation und Zinsen legen weiter zu

Die Aufwärtstendenz bei Energie- und Metallpreisen wird auch dazu beitragen, die Inflation weiter steigen zu lassen. Dabei sind, wie die jüngsten Zahlen in den USA zeigen, auch die Inflationsdaten ohne Energiepreise auf dem Weg nach oben.

Die Zinsen reagieren sofort: In den USA sind die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen seit Anfang April von 2,73 Prozent auf 2,82 Prozent geklettert. Die von der US-Notenbank Fed für dieses Jahr ins Auge gefassten Zinserhöhungen sind weiterhin realistisch. Wahrscheinlich dauert es nur noch wenige Wochen, bis zehnjährige US-Bonds drei Prozent abwerfen. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe müsste dann, wenn sie den seit einigen Monaten üblichen Abstand von 2,2 bis 2,3 Prozentpunkten hält, mindestens wieder auf 0,7 Prozent klettern. Derzeit liegt sie bei gut 0,5 Prozent. Ein solcher Zinsanstieg würde zu einer Konjunktur passen, die in den Industrieländern etwa mit einer Rate von zwei Prozent zulegt.

Auf der anderen Seite bedeutet der moderate Zinsanstieg, dass die aktuellen politischen Krisen noch nicht als dramatisch eingestuft werden. Zinsmärkte sind ein gutes Barometer für die Bewertung von Krisen, weil der eventuelle Ausfall eines Schuldners sofortige und sehr empfindliche Folgen hat.

Von den klassischen Angstbarometern kommt die Bestätigung. Die Volatilitätskurven V-Dax und V-Stoxx haben vom moderaten Krisenniveau um 20 Prozent wieder in den Bereich um 15 Prozent nachgegeben. Der Goldpreis ist kurz bis an die wichtige Widerstandszone um 1360 Dollar gestiegen, von dort aber gleich wieder abgeprallt.

Fahrplan für die weitere Entwicklung des Dax

Stabile Konjunktur, leicht steigende Zinsen und keine zu ernsten Krisen – mit dieser Mischung könnte sich die jüngste Erholung im Dax noch etwas fortsetzen. Dann aber, schon in wenigen Wochen, dürfte der Trend erneut auf dem Prüfstand stehen.

Das positive Szenario könnte dabei wie folgt aussehen: Mit der Verteidigung des Bereichs um 12.000 Punkte und nach dem jüngsten Anstieg über 12.300 hat der Dax zwei Stärke-Signale gegeben. Das nächste Ziel, das der Dax nun ohne größere Pause anlaufen müsste, wäre die 200-Tage-Linie bei 12.660 Punkten. Hier ist eine kurze Konsolidierung zu erwarten, bevor der Dax dann möglichst noch im Mai bis auf 12.900 Punkte vordringt. Hier lagen die Tiefpunkte der Monate Oktober bis Januar. Danach wäre bis in den Sommer hinein wieder eine moderate Korrektur möglich, die nicht wesentlich unter 12.500/12.600 gehen sollte – das wäre dann die erfolgreiche Verteidigung der 200-Tage-Linie.

Abschluss dieses Szenarios wäre eine erfolgreiche Herbst-Rally, mindestens bis zu den alten Höhen um 13.600 Punkte. Fundamentaler Hintergrund dieses Szenarios wären eine wie bisher anziehende Konjunktur, etwas höhere Zinsen und eine großpolitische Wetterlage, bei der es abgesehen von verbalen Entgleisungen nicht zur großen Eskalation kommt.

Absturzgefahr bis auf 10.500 Punkte

Das negative Szenario, das sich in den vergangenen Wochen mehrmals andeutete, ist aber noch nicht vom Tisch. Gefährlich wären vor allem eine weitere Verschärfung der Konflikte zwischen den USA und Russland. Auf Seiten der USA besteht das Risiko in der Unberechenbarkeit des Präsidenten. Auf russischer Seite steigt das Risiko, wenn sich das Land noch mehr in die Defensive gedrängt fühlt – wozu derzeit auch der Crash an den russischen Aktien- und Währungsmärkten gehört.

Russland ist für die Börsen mit mehr Risiken verbunden als die Rivalität der USA zu China. Das jüngste Einlenken im Handelsstreit hat gezeigt, dass China letztlich nicht auf einen heißen Konflikt mit den USA aus ist.

Gefährlich für die Märkte wäre es zudem, wenn die jüngsten Krisen Konjunktur und Unternehmensgewinne stark in Mitleidenschaft ziehen würden und es trotzdem zu höheren Zinsen käme - etwa wegen der anziehende Inflation. Drittes Gefahrenmoment ist die Entzauberung der großen Technologieunternehmen. Tesla und Facebook haben hier schon den Anfang gemacht.

Im Dax könnte sich damit folgende Entwicklung ergeben: Die Zwischenerholung kommt nur langsam in Richtung 200-Tage-Linie voran, der Anstieg darüber scheitert spätestens an der Widerstandszone 12.900. Ab Frühsommer kommt es dann wieder zu verstärkten Verkäufen, die 200-Tage-Linie kann nicht gehalten werden. Bis Spätsommer fällt der Dax wieder auf das Niveau um 12.000 Punkte zurück. Hier kommt es zum großen Trend-Test – und der geht negativ aus. Auslöser könnten schwache Unternehmenszahlen, eine scharfe Zinserhöhung oder ein politischer Konflikt sein. Ein Rutsch unter 12.000 ergäbe im Dax ein schweres Verkaufssignal mit einem Ziel um 10.500 Punkte.

Welches Szenario wahrscheinlicher ist, lässt sich derzeit kaum entscheiden. Umso wichtiger ist es, dass Anleger die wichtigen Rahmendaten im Blick haben, vom Wirtschaftswachstum über die Zinsentwicklung bis hin zur Frage, ob echte oder verbale Krisen. So oder so dürfte der Dax zunächst noch etwas Spielraum haben. Allein aus den Schwankungen seit Februar lässt sich ein Kurspotenzial bis 12.900 ableiten.

Erholungschancen bei VW, Merck und den Energiewerten

Immer mehr Einzelwerte im Dax tragen die jüngste Erholung. Bei der Deutschen Telekom wächst die Hoffnung auf eine Fusion des amerikanischen Mobilfunkgeschäfts mit dem Konkurrenten Sprint. Die Telekom würde damit zu den Top-Anbietern im US-Mobilfunkmarkt aufsteigen, könnte kräftig Kosten senken und der technische Netzausbau wäre leichter zu schultern. Auf alle Fälle wird die Telekom darauf bedacht sein, bei einem fusionierten Konzern das Sagen zu haben, damit die große Tochter voll im eigenen Abschluss konsolidiert werden kann. Mindestens bis auf 14 Euro dürfen sich Telekom-Aktien in den nächsten Wochen erholen.

Bei VW kündigt sich mit dem Chefwechsel eine Offensive an. Herbert Diess steht für einen Neuanfang und gilt als technisch und unternehmerisch hochkompetent. Zusätzlich kommt VW die Fantasie um einen Börsengang der Nutzfahrzeugsparte zugute. Dabei fährt VW bei den realen Verkäufen schon bisher Rekordwerte ein. Die Bewertung der Aktie ist günstig, nachdem der Kurs die Untergrenze um 155 Euro verteidigt hat, ist erst einmal Luft bis 190 Euro.

Tief gesunken ist in den vergangenen Monaten die Merck-Aktie. Die Darmstädter wurden durch die weltweit schwache Performance der Branche und den nur zähen Unternehmensumbau nach unten gezogen. Bei einem Abschlag auf bis zu 75 Euro hat die Aktie diese Risiken aber reichlich verarbeitet. Allein eine durchschnittliche Bewertung könnte wieder Kurse um 90 Euro möglich machen.

Einen Kurssprung gab es bei Bayer, nachdem die Erlaubnis für die Übernahme von Monsanto eintraf. Allerdings, damit ist weder der finanzielle Aufwand verringert noch die grundsätzlichen Risiken des Zukaufs. Mehr als eine Zwischenerholung ist bei Bayer vorläufig nicht in Sicht.

Weiterhin Stärke zeigen RWE und E.On. Bei beiden honoriert die Börse die Neuorientierung. Vor allem E.On ist mit seiner Entwicklung hin zum Netzkonzern langfristig interessant. Nachdem die Aktie das Niveau um 9 Euro verteidigt hat, liegen die nächsten Kursziele bei 10 und 11 Euro.

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