Riedls Dax-Radar

Absturzgefahr am Aktienmarkt

Die Gefahr weiterer Kursrückschläge im Dax ist so hoch wie seit 2011 nicht mehr. Läuft es schlecht, könnte es bis auf 7000 Punkte runtergehen. Aber noch bleibt etwas Hoffnung.

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Anzeige des Hang-Seng-Index in Hongkong Quelle: dpa

Mit einem Sprung retten US-Aktien am Donnerstag ein ordentliches Plus. Im Dow sind es 1,4 Prozent, im Nasdaq-100-Index mehr als zwei Prozent. Ein solcher Anstieg war nach den schweren Kursverlusten der vergangenen Tage bitter nötig. Das ist zwar noch keine eine Entwarnung, aber damit hat der Markt wenigstens die Chance, nicht gleich in einem Zug abzustürzen.

Immerhin gibt das etwas Luft – für viele Anleger, die nicht mit einem so schwachen Jahresanfang gerechnet haben und die jetzt womöglich umdisponieren. Dabei sind es zwei Kurven, die Anleger derzeit besonders beunruhigen: Die des chinesischen Aktienmarkts und die des Ölpreises.

Kurzfristige Risiken und langer Trend in Shanghai

Nimmt man den Shanghai Composite-Index SSE, so haben chinesische Aktien seit Sommer 2015, als die ersten negativen Wirtschaftsprognosen die Runde machten, mehr als 40 Prozent verloren. Auch wenn das im Vergleich zur Entwicklung in der übrigen Welt eine sehr schwache Performance ist, steht der SSE bei derzeit 2900 Punkten immer noch weit über den Tiefpunkten von 2014.

Und, was noch wichtiger ist, er befindet sich immer noch in der Bandbreite der großen Aufwärtsbewegung der vergangenen Jahre. Mit anderen Worten: Trotz aller extremen Schwankungen ist der langfristige Aufwärtstrend chinesischer Aktien immer noch intakt. Das ist die beruhigende Seite der chinesischen Börse.

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Andererseits: Kurzfristig bestehen weitere Risiken. Der SSE könnte in den nächsten Wochen bis in den Bereich 2100/2200 absinken, und noch immer wäre die große Aufwärtsbewegung in Ordnung. Je nachdem, wie man es sehen mag, besteht noch ein Polster oder ein Risiko von bis zu 30 Prozent.

Für die china-affinen Märkte hierzulande heißt das: Auch in den nächsten Wochen ist mit hektischen Kursschwankungen zu rechnen, die durchaus eine Stufe tiefer gehen können. Erst danach dürfte die Chance überwiegen, dass sich der chinesische Aktienmarkt wieder Tritt fasst.

Der Abwärtstrend im Rohöl könnte in die letzte Phase gehen

Ähnlich wie in China sieht die Entwicklung auf dem Ölmarkt aus. Auch hier hat der Markt schon schwere Verluste hinter sich, kann aber anscheinend keinen Boden mehr finden. Aktuell ist der Preis für ein Fass Brent unter die Marke von 30 Dollar gerutscht.

Bemerkenswert ist, dass die Ausverkaufsstimmung am Ölmarkt schon Züge einer Übertreibung trägt. Im zweiten Halbjahr 2014 fand die erste Phase der Ölpreis-Baisse statt, in der die Brent-Notierungen von 115 auf 49 Dollar absackten. Das waren 57 Prozent Verlust.

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von Daniel Stelter

Dem folgte in den ersten Monaten 2015 eine schulbuchhafte Erholung, die den Ölpreis in zwei kleinen Etappen bis auf 68 Dollar steigen ließ. Danach drehte der Markt wieder nach unten – und seitdem läuft die zweite große Phase der Abwärtsbewegung.

Sollte diese zweite Phase wiederum – was durchaus häufig vorkommt – ein ähnliches Ausmaß annehmen wie die erste Phase, also 57 Prozent Verlust, wäre der Ölpreis bei aktuell 29 Dollar schon in seiner Zielzone angekommen. Dass die jüngsten Preisrückgänge extrem dynamisch ausfallen, passt zum Charakter einer Ausverkaufsphase.

Was Analysten für das Anlagejahr 2016 erwarten
Deutsche Bank Quelle: REUTERS
Deka BankDie Fondsspezialisten der Sparkassen erwarten, dass der Goldpreis im kommenden Jahr deutlich unter die kritische Marke von 1000 Dollar fallen wird. S&P 500: 2000 Punkte Nikkei: 17000 Punkte Gold: 960 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre: 1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,9 Prozent Quelle: dpa
PostbankIm Gegensatz zur Deka Bank ist die Postbank beim Goldpreis etwas optimistischer. Ein möglicher Impuls kommt von der Schmucknachfrage, da die Konjunktur in Indien zuletzt deutlich besser lief als erwartet. S&P 500: 2250 Punkte Nikkei: 21750 Punkte Gold: 1100 Dollar Öl: 57 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10 Jahre: 1,0 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,75 Prozent Quelle: dpa
Berenberg BankDeutschlands älteste Privatbank ist im Vergleich zur Konkurrenz vergleichsweise optimistisch, was den Euro angeht. S&P 500: 2200 Punkte Gold: 1150 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1,15 Dollar Bundesanleihen 10 Jahre Rendite: 1,1 Prozent US-Treasury Rendite 10 Jahre: 2,8 Prozent Quelle: obs
SantanderS&P 500: 2250 Punkte Gold: 1050 Dollar Öl: 55 Dollar Euro/Dollar: 1 Dollar Bundesanleihen Rendite 10-jährige: 0,9 Prozent US-Treasury Rendite 10-jährige: 2,75 Prozent Quelle: AP
Credit Suisse Quelle: REUTERS
Commerzbank Quelle: dpa

Natürlich muss sich eine so komplexe und vor allem politisch beeinflusste Preiskurve wie das Rohöl nicht an statistische Durchschnitte vergangener Kursbewegungen halten. Dennoch lässt sich damit zumindest der aktuelle Standort in etwa bestimmten. Und das heißt: Es gibt zwar noch kein Zeichen dafür, dass der Ölpreis schnell wieder nach oben drehen könnte; doch da er das Potenzial einer Baisse in klassischer Weise ausgeschöpft hat, sind die Restrisiken überschaubar.

In den Rechnungen der Unternehmen ist zwar bis auf weiteres mit einem sehr niedrigen Ölpreisniveau zu kalkulieren, die Preiskurve selbst jedoch könnte in den nächsten Wochen ihr Tief erreichen und dann im weiteren Jahresverlauf wieder anziehen.

Immer mehr Einzelwerte im Dax drehen nach unten

Im Dax tobt, wie angenommen, seit mehreren Tagen der Kampf um die Zone 9800 (auf Schlusskursbasis), beziehungsweise 9700 bis 9800, wenn es um den Tagesverlauf geht. Am Dienstag der abgelaufenen Woche (12. Januar) gab es eine kurze Erholung, die wurde jedoch am Mittwoch sofort und heftig mit Verkäufen quittiert. Die magere Erholungstendenz vom Donnerstag war am Freitag schon wieder verflogen. Für den Gesamtmarkt sind dies Zeichen großer Schwäche.

Das spiegelt sich auch in den Einzelwerten wider: Von 30 Dax-Aktien verlaufen bei 24 die Kurse derzeit deutlich unterhalb der zumeist sinkenden 200-Tage-Linie. Einige dieser Aktien haben zusätzlich erst in den vergangenen Monaten eine obere Wendeformation abgeschlossen und befinden sich nun in einem Abwärtstrend (BASF, Bayer, Commerzbank, Deutsche Bank, Linde). Eine so hohe Quote angeschlagener Aktien (80 Prozent unterhalb der 200-Tage-Linie) kennzeichnet in der Regel einen Markt, der sich in einer intakten Abwärtsbewegung befindet.

Alle Dax-Aktien im Check für 2016

Mit anderen Worten: Die Gefahr ist groß geworden, dass es in den nächsten Wochen noch deutlich unter die wichtige Auffangzone 9800/9700 gehen kann. Und sollte diese Zone nachhaltig (um mehr als drei Prozent) unterschritten werden, ließe sich aus dem Kursbild der vergangenen zwei bis drei Jahre ein Baisse-Potenzial bis auf etwa 7000 Punkte ableiten.

Fazit: Das Baisse-Risiko im Dax ist aktuell so hoch wie seit 2011 nicht mehr. In dieser Situation ist es ratsam, Pulver trocken zu halten. Sollte sich die Baisse fortsetzen, kann es übrigens auch bisher stabile, defensive Werte treffen – die werden dann von den Investoren verkauft, die Liquidität brauchen oder aufbauen wollen, um später günstiger wieder konjunktursensible Werte einzusammeln.

Brisanter Mix für BASF

Zu den schwer gefallenen Aktien im Dax gehört BASF. Hier mag es Käufern nach mehr als 30 Prozent Kursverlust in neun Monaten in den Fingern jucken. Doch Vorsicht, die Lage bei den Ludwigshafenern ist alles andere als bequem. Der wichtigste Gewinnbringer, die Öl- und Gastochter Wintershall (die früher mehr als ein Drittel der operativen Erträge einfuhr), leidet unter der Öl-Baisse. Weniger als ein Viertel der Gesamtgewinne dürfte sie 2016 holen. Dass Verkäufe von Beteiligungen an norwegischen Ölfeldern vor kurzem scheiterten, zeigt, wie angespannt die Lage in der Branche ist.

Einfluss der Notenbanken auf die Börsen seit 2008*
Entwicklung des US-Aktienindex S&P 500 und Bilanzsumme der US-Notenbank Fed seit dem Höhepunkt der Finanzkrise 2008*reine Kursentwicklung ohne Dividenden; logarithmische Darstellung;Quelle: Bloomberg
Die expansive Geldpolitik Japans im Vergleich zum japanischen Aktienindex Nikkei seit 2008*reine Kursentwicklung ohne Dividenden; logarithmische Darstellung;Quelle: Bloomberg
Der Deutsche Aktienindex Dax im Vergleich zur Bilanzsumme der Europäischen Zentralbank (EZB) seit 2008*reine Kursentwicklung ohne Dividenden; logarithmische Darstellung;Quelle: Bloomberg

Auch in der Basischemie sieht es nicht rosig aus. Der größte Einzelmarkt der Branche ist China – und da ist nicht nur die Nachfrage wacklig, hier hat BASF in den vergangenen Jahren kräftig investiert. Übrigens auch in Brasilien.

Eine weitere Unsicherheit kommt vom Pflanzenschutz. Einst war dies ein ziemlich konjunkturresistentes Geschäft. Nun aber, vor allem mit der geplanten Fusion von Dow Chemical und DuPont, entsteht wahrscheinlich ein großer Konkurrent. Immerhin, BASF könnte vielleicht den einen oder anderen Unternehmensteil zukaufen, der bei der Fusion abgetrennt werden muss.

Bisher gehen Analysten davon aus, dass BASF 2016 einen merklichen Gewinnanstieg erzielt. Das aber dürfte nach dem aktuell schwächeren Geschäftsverlauf schwer werden. Und wenn, wie es geplant ist, wiederum Sparmaßnahmen angesetzt werden, so könnte dies zunächst Geld kosten, bevor es Einsparungen bringt. Auch das ginge zulasten der 2016er-Zahlen.

Kurstechnisch hat sich die BASF-Aktie deutlich verschlechtert. Nicht nur der überdurchschnittlich starke Kursrückgang der vergangenen Monate, also die relative Schwäche, ist ein Warnsignal. Zudem ist die Aktie auch unter die Tiefpunkte von 2013 bis 2015 gesunken. Nur ein schneller Anstieg über das Niveau von 68 bis 70 Euro könnte die Aktie aus der Gefahrenzone bringen.

Fazit: Auch wenn BASF zu den langfristigen Anlageklassikern im Dax zählt (vor allem wegen der Dividende), könnte es noch mehrere Wochen dauern, bis BASF wieder auf interessantem Niveau angekommen ist.

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