Riedls Dax-Radar
Neue Kursturbulenzen in Sicht: Die Hoffnung auf eine Erholung im Dax ist nach dem jüngsten Kursschock verflogen. Quelle: dpa

Ängste haben die Börse im Griff

Die Hoffnung auf eine Erholung im Dax ist nach dem jüngsten Kursschock verflogen. Jetzt müssen sich die Notierungen erst auspendeln. Welche Sorgen die Unternehmen und die Börsenkurse noch länger belasten dürften. 

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Die jüngste Verschärfung im internationalen Handelsstreit – neue US-Zölle gegen Mexiko, Erhöhung chinesischer Zölle für amerikanische-Waren – trifft die Aktienmärkte in einer brisanten Lage. Mit Mühe hatte der Dax versucht, sich in der Zone 11.800 bis 12.000 Punkte zu stabilisieren. Noch am Donnerstag (30. Mai) gab es einen verhaltenen Erholungsversuch. Doch nun, mit den jüngsten Überraschungen von Donald Trump, geht es deutlich abwärts.

Bisher bestand die Hoffnung, dass es beim G20-Treffen zwischen Trump und Xi Jinping Ende Juni eine mögliche Einigung im Handelsstreit gibt. Diese Hoffnung ist nun in den Hintergrund getreten. Damit bleiben die Märkte erst einmal sich selbst überlassen – und da überwiegen derzeit die Ängste.

Auf den Rohstoffmärkten erhöht sich der Abwärtsdruck. Nach einer kurzen Erholung kippen die Ölpreise wieder ab. Hohe Lagerbestände und die Angst vor einem konjunkturellen Abschwung wirken sich stärker aus als eine mögliche Eskalation im Konflikt zwischen den USA und Iran. Mit 65 Dollar hat Brent den tiefsten Stand seit zwei Monaten erreicht. In den nächsten Wochen könnte es durchaus in die Bereich 62 bis 60 Dollar gehen.

Die spannendsten Aktien der Woche

Kursschwankungen nehmen zu

Die Volatilitätsbarometer V-Dax und V-Stoxx ziehen deutlich an und stehen zur Stunde über 18 Prozent. Im Abschwung Ende vergangenen Jahres hatten sie Werte zwischen 18 bis 25 erreicht. Gold hat sich mit Preisen um 1300 Dollar deutlich von der Untergrenze der vergangenen Wochen um 1270 Dollar entfernt. Das Anleihebarometer Bund-Future markiert mit 168 Prozent ein neues Allzeithoch.

Der sehr robuste Anleihemarkt, der schon den gesamten Mai über stabil nach oben zog, ist für die Aktien ein zwiespältiges Signal. Einerseits zeigt er das Sicherheitsbedürfnis der Anleger aus Angst vor dem Abschwung und neuen Turbulenzen am Aktienmarkt. Andererseits signalisiert er eine außergewöhnlich großzügige Geldversorgung.

In Amerika haben die Renditen für zehnjährige Staatsanleihen mit 2,19 Prozent den seit Januar bestehenden Aufwärtstrend leicht angeknackst. Es wäre keine Überraschung, wenn die US-Renditen in den nächsten Wochen das Tief von Ende 2018 anlaufen würden, das wären 2,0 Prozent. Die Diskussion um die neue Geldpolitik in Amerika und die weiter abdriftende Konjunktur würden dazu passen.

In Deutschland hat die Umlaufrendite mit minus 0,21 Prozent den tiefsten Stand seit zwei Jahren erreicht. Mitte 2016 lag das absolute Tief bisher bei minus 0,29 Prozent. Das kommt jetzt wieder in Reichweite.

Kurzfristig sind stark sinkende und negative Zinsen keine Hilfe für die Aktienmärkte. Eine Stütze dürften sie erst wieder werden, wenn es dazu Signale einer stabileren Konjunktur gibt. Doch hier besteht weiterhin Unsicherheit: Am Rückgang der Erwartungen, der seit Monaten die Prognosen durchzieht, hat sich bisher nichts geändert. Durch die Verschärfung im Zollstreit steigen dafür die Chancen natürlich auch nicht.

Überall Anzeichen von Schwäche

Im Dax geht die jüngste Kursschwäche quer durch den Markt: Bis auf die drei defensiven Klassiker Beiersdorf, Deutsche Telekom und Deutsche Börse sowie dem Niedrigzinsgewinner Vonovia und stehen praktisch alle Aktien schwer im Minus. Allerdings, während sich bei Aktien mit einem stabilen Trend (Allianz, Münchener Rückversicherung oder SAP) nur Korrekturen abspielen, geht es bei den angeschlagenen Werten dynamisch nach unten.

Anleger sollten lieber vorsichtig sein

Besonders heftig erwischt es wegen neuer Klageängste wiederum Bayer. Die Aktie ist auf das Niveau von 2012 zurückgefallen. Die Kursverluste bei Bayer durch die Monsanto-Übernahme sind mittlerweile größer als die während der Finanzkrise. Vom Charakter erreichen sie fast schon die Dimension des Skandals um den Cholesterinsenker Lipobay kurz nach der Jahrtausendwende. Dass sich die Bayer-Aktie mit Monsanto eines Tages wieder erholt, wird an der Börse derzeit als weitgehend unmöglich eingeschätzt. Mit anderen Worten: Nur bei einer radikalen Lösung des Monsanto-Problems ist mit nachhaltig höheren Bayer-Kursen zu rechnen.

Schwer angeschlagen ist Covestro. Die günstigen Bewertungsrelationen verfangen bei Anlegern angesichts der zuletzt zahlreichen Enttäuschungen nicht mehr. Die nächste Chance auf eine Stabilisierung liegt im Bereich um 35 Euro.

Auf Tauchstation geht die Deutsche Lufthansa. Sie ist, wie andere Logistiker auch, ein Verlierer internationaler Spannungen und der wackligen Konjunktur. Schwache Notierungen von Konkurrenten wie Ryanair sind ebenfalls ein Zeichen für die Probleme der Branche. Kurzfristig könnte die Aktie bis auf etwa 15 Euro abdriften.

Auch Infineon kann sich nicht mehr halten. Die hohe Abwärtsdynamik in der weltweiten Chip-Branche ist stärker als die Hoffnung darauf, dass Infineon ein Gewinner der E-Mobilität ist. Wahrscheinlich lohnen sich antizyklische Käufe erst wieder im Bereich 14 bis 15 Euro.



Für den Dax ist der Absacker unter 11.800 Punkte ein Tiefschlag. An den US-Märkten war der Dow Jones schon am Mittwoch (29. Mai) unter die 200-Tage-Linie gerutscht. Bei den indikativen Marktindikatoren hält mittlerweile nicht einmal mehr die 25.000er-Marke.

Fazit: Im Dax ist die Hoffnung auf eine Erholung auf der Basis 11.800 Punkte zunichte gemacht worden. Theoretisch lässt sich aus den Schwankungen von April bis Mai ein Kursabschwung bis 11.300 Punkte ableiten. Spannend wird es im Bereich um 11.600 Punkte. Hier verlaufen derzeit die Durchschnittslinien der vergangenen 200 und 100 Tage – wobei die kürzere die längere sogar von unten nach oben schneidet. Das ist oft sogar ein sehr positives Signal für den längeren Trend. Wie die Unsicherheit auf politischer und konjunktureller Ebene dürfte die gemischte Lage der Signale vorerst für einen ziemlich turbulenten Dax-Verlauf sprechen, bei dem Anleger lieber vorsichtig sein sollten.

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