Riedls Dax-Radar
Apple, Tesla, Microsoft: Techaktien entscheiden über den Dax Quelle: imago images

Apple und Tesla werden zum Risiko für den Dax

Schnelle Kursgewinne schüren die Hoffnung auf ein Ende der Baisse. Turbulenzen um Tesla und andere Überflieger aber machen eine nachhaltige Erholung schwierig.

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Die schwersten Aktien der Welt geraten immer mehr ins Rutschen. Apple nimmt die Produktionsaufstockungen für seinen Megaseller iPhone zurück, weil sich offensichtlich angesichts einer bevorstehenden Rezession und im Zuge des abkühlenden Konsumklimas Produkte dieser Preisklasse nicht mehr wie Selbstläufer verkaufen lassen. Apple-Aktien, die sich in der Baisse der vergangenen Monate lange gut gehalten haben, sind nun unter die wichtige Unterstützungszone zwischen 150 bis 160 Dollar gerutscht. Noch werden die für dieses Jahr erwarteten Gewinne von Apple mit dem 24-Fachen bezahlt. Der langjährige Durchschnitt aber liegt nur beim 19-Fachen; zwischen 2012 und 2016 kam Apple sogar nur auf eine Bewertung im Bereich um 15. 

Schon fortgeschritten ist die Kursabstufung bei Microsoft. Das Unternehmen leidet vor allem im internationalen Geschäft unter den Folgen des starken Dollars. Schon Ende 2021 hatten Microsoft-Aktien ein Allzeithoch gebildet und verlieren seitdem im Zuge der Baisse schrittweise an Wert. Der Kampf um die 200-Tagelinie wurde aufgegeben, aktuell schwankt der Kurs um die Unterstützungszone bei 250 Dollar. Mit einem KGV um 26 für das laufende Jahr hat Microsoft die durchschnittliche Bewertung der vergangenen eineinhalb Jahrzehnte erreicht. Der Tiefpunkt muss das aber noch nicht sein, Microsoft hatte auch phasenweise eine 15er-Bewertung. 

Sogar die Hype-Aktie Tesla hat es nun erwischt. Als ob der E-Autopionier von einer anderen Welt wäre, wurde seine Aktie lange Zeit mit dreistelligen KGVs bezahlt. Für 2022 sind es nun immer noch je nach Gewinnschätzungen Werte um 65. Das ist zehnmal so hoch wie die Bewertung klassischer Autohersteller, mit denen Tesla im Tagesgeschäft durchaus konkurriert. Und selbst wenn man Tesla mit den besten Hightechunternehmen der Welt vergleicht – also mit Apple oder Microsoft – so könnte sich die Aktie noch halbieren und wäre immer noch nicht billig. 

Die Aktien von Apple, Microsoft und Tesla stecken mitten in einem umfangreichen Neubewertungsprozess. Der wurde angestoßen durch den säkularen Zinsanstieg, der die in der Hausse weit fortgeschrittenen Multiples der Aktien wieder relativiert. Ein Ende dieses Neubewertungsprozesses ist angesichts der Unsicherheiten um Zinsen, Rezession und geopolitische Spannungen vorerst noch nicht in Sicht.  

Typisches Ende eines solchen Bewertungsprozesses wäre ein massiver Kurseinbruch mit panikartigen Verkäufen und hochgehender Volatilität. Bisher sind die Börsen von einem solchen Szenario verschont geblieben. Ob es bei der aktuellen Baisse dieses Mal anders kommt und die Aktien vielleicht eine sanfte Kurslandung hinbekommen, darf bezweifelt werden. 

Zinserhöhungen von historischem Ausmaß 

Im Schatten der rückläufigen US-Entwicklung geht es auch am deutschen Aktienmarkt kaskadenartig nach unten. Seit Januar kam es zu mehreren Abschwungsphasen, von denen die dritte zuletzt bis unter die Marke von 12.000 Punkte ging. Aktuell stellt sich die Frage, ob die jüngste Kurserholung wieder nur eine Zwischenrally einleitet (wie im März, im Mai und im Juli), ober ob von hier aus eine nachhaltige Wende nach oben möglich ist. 



Am kritischen Umfeld für die Börsen hat sich nichts geändert, im Gegenteil: Die Inflation in den Industrieländern pendelt sich hartnäckig im Bereich um zehn Prozent ein. Die Hoffnung, die Notenbanken könnten den gerade erst eingeleiteten Prozess der Geldstraffung frühzeitig wieder rückgängig machen, verkennt die historische Dimension der Zinswende: Nach vier Jahrzehnten Renditerückgang geht es nicht einfach nur um eine vorübergehende Zwischenerhöhung, sondern um eine Neukalibrierung des Finanzsystems. 

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Dass dies mit Schmerzen an den Wertpapiermärkten und in der Wirtschaft ablaufen werde, hat US-Notenbank-Chef Jerome Powell ausdrücklich betont. Eigenständige Aktionen wie zuletzt die Volte der Bank of England oder nur zaghafte Zinserhöhung in Australien sind deshalb nicht Zeichen eines neuen Trends, sondern Versuche, die Reibungen im Zinsstraffungsprozess einigermaßen zu managen. Mit 3,85 Prozent sind die Renditen der zehnjährigen US-Bonds weiterhin mitten in einer großen Aufwärtsentwicklung. Die Renditen für zehnjährige Bundesanleihen sind wieder über das Niveau von zwei Prozent geklettert; so hoch waren sie zuletzt vor zehn Jahren. 

Kurzfristige Kurserholung statt nachhaltiger Aufschwung 

Im Dax wurden von der jüngsten Erholung an den Börsen vor allem die Technologiewerte SAP und Infineon nach oben gezogen. Infineon wird von positiven Kommentaren zum aussichtsreichen Geschäft mit Automotive Chips beflügelt, welches fast die Hälfte des Gesamtumsatzes ausmacht. Für SAP erweist sich zunehmend der starke Dollar als Vorteil, vor allem gegenüber amerikanischen Konkurrenten. Zudem hellen sich die Perspektiven im Cloudgeschäft langsam auf. Um die dynamische Abwärtstendenz der vergangenen Monate zu drehen, müsste die SAP-Aktie wieder über den Kursbereich 95 bis 100 Euro kommen; das dürfte kurzfristig schwierig werden. Infineon sieht etwas stärker aus. Nachdem das Niveau um 22 Euro erfolgreich verteidigt wurde, hat die Aktie erst einmal wieder Spielraum bis in den Bereich um 28 Euro. 

Fazit für den Dax: Die schnelle Erholung des Aktienindex nach dem kurzen Abtaucher unter 12.000 Punkte ist durchaus ein gutes Zeichen. Selbst wenn dahinter eher Eindeckungen massiver Shortpositionen an den US-Börsen ausschlaggebend gewesen sein dürften und weniger breit angelegte Investmentkäufe, könnte dies einen weiteren Stabilisierungsversuch im Dax einleiten. Kurzfristig sollte der Index dabei möglichst nicht mehr unter das Niveau um 12.250 rutschen, dann könnte in den nächsten Wochen eine Erholung bis in den Bereich um 13.000 Punkte möglich sein. 

Das Problem dabei: So wie sich die Inflation als hartnäckig erweist und aktuell durch robuste Ölpreise wieder angefeuert wird, hat sich die Abwärtstendenz an den Aktienmärkten weiter verfestigt. Und dabei hat sie mittlerweile selbst die Überflieger der vergangenen Hausse erreicht, an deren Spitze Apple und Tesla standen. Beide stecken nun, wie andere Topaktien auch (in den USA Amazon, Microsoft oder Alphabet; im Dax vor allem SAP oder Siemens), in einer umfangreichen Neubewertung, die sich noch über Monate hinziehen kann. 

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Erst wenn das Umfeld aus Inflation, Notenbankpolitik, Rezessionsgefahr und geopolitischem Risiko klarer absehbar ist, dürfte dieser Bewertungsprozess abgeschlossen sein. Bis dahin dürften sich die zuletzt immer heftig werdenden Schwankungen an den Märkten fortsetzen. Im Dax könnten die sich abspielen im Bereich zwischen 10.500 (hier verläuft der Aufwärtstrend seit 2003) und knapp 14.000 Punkten, dem Niveau der Kursspitzen aus dem Jahr 2020.

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