Riedls Dax-Radar
Ampel in Manhattan, New York: Die Warnsignale an der Börse deuten darauf hin, dass der Corona-Crash noch nicht vorbei ist. Quelle: imago images

Corona-Baisse: Fünf Warnsignale vor frühzeitigem Optimismus

Mit einer schnellen Erholung hat der Dax in den vergangenen Tagen wichtigen Boden gut gemacht. Dennoch gibt der Aktienmarkt eine Reihe von Signalen, die vor zu schnellen Käufen warnen. Warum jetzt Vorsicht geboten ist.

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Seitdem der Dax Mitte März den wichtigen Kursbereich um 8200 Punkte verteidigt hat, ist die akute Phase des Corona-Crashs vorbei. Die nachfolgende Erholung hat die Notierungen bisher bis auf das Kursniveau um 10.500 Punkte steigen lassen. Das ist sogar noch etwas höher als der Tiefpunkt, bei dem die Baisse 2018 zum Stehen kam. Dennoch, der Markt selbst gibt mehrere Warnsignale, die gegen eine schnelle Rückkehr zur Normalität sprechen.

Erstes Warnsignal: Die gefährliche Schwäche der Bankaktien

Aktien von Geldinstituten hat es im Corona-Crash besonders heftig erwischt. Nicht nur die ohnehin angeschlagenen Titel wie die Deutsche Bank, Commerzbank oder Banken des Krisenlandes Italien, sondern die gesamte globale Geldelite: In Frankreich BNP, Société Générale oder Credit Agricole, in Britannien HSBC oder Barclays, in den USA Goldman Sachs oder Bank of America – und selbst den langjährigen Überflieger JP Morgan, in den Augen mancher Beobachter eine der besten Banken weltweit.

von Frank Doll, Anton Riedl, Christof Schürmann, Heike Schwerdtfeger

In den meisten Crash- oder Baisse-Bewegungen gehören Banken zu den Leidtragenden, weil sie im Zentrum des wirtschaftlichen und finanziellen Lebens stehen: Zwischen Verbrauchern, Sparern, Investoren, Unternehmen, öffentlichen Körperschaften (von der Gemeinde bis zum Staat) und der Notenbank.

Das aber heißt: Je schwerer die Banken getroffen sind, desto ernsthafter steht das gesamte Wirtschaftssystem unter Druck. In der Finanzkrise waren die Bankaktien diejenigen, die schon 2007 frühzeitig zur Schwäche neigten und dann in der gesamten Abwärtsphase bis 2009 auf der Verliererseite standen. Neben prominenten Pleiten (IKB, Lehman) mussten zahlreiche Institute gestützt werden, vom Staatseinstieg bei der Commerzbank bis hin zur Milliardenhilfe von Warren Buffett für Goldman Sachs.

Die aktuelle Schwäche der Bankaktien spricht dafür, dass die derzeitige Krise sehr tiefgehend ist und trotz der enormen Hilfsaktionen durch Notenbanken und Staaten nicht nach wenigen Wochen abgehakt sein dürfte.

Zweites Warnsignal: Schwere Kurseinbrüche bei bisherigen Favoriten

Während Bankaktien seit längerem angeschlagen sind, waren Versicherungen wie Allianz, Münchener Rück oder Hannover Rück vor dem Corona-Crash echte Favoriten. Doch ausgerechnet hier ist es nun zu besonders heftigen Kurseinbrüchen gekommen. Auch andere Anlegerlieblinge wurden kalt erwischt: Immobilienaktien, Anteile von Energiekonzernen, selbst Rüstungsaktien, die sich seit Jahren im Schatten der Hausse besonders gut entwickelt hatten.

Für diese schlagartige Schwäche gibt es zunächst einen technischen Grund: Viele Assets werden in der Baisse verkauft, nicht weil sie schlecht sind, sondern weil ihre Eigentümer plötzlich Geld brauchen und deshalb wahllos hohe Buchgewinne versilbern.

Wenn das jedoch der einzige Grund wäre, hätten auch die Technologiechampions Apple, Amazon oder Microsoft zusammenbrechen müssen. Das aber war und ist bisher nicht der Fall.

Wie bei den Banken weist die jüngste Schwäche in bisherigen Favoritenbranchen auf eine grundlegende Eintrübung der Lage. Versicherungen sind als riesige Asset-Sammelstellen von der globalen Schrumpfung in fast allen Anlagemedien betroffen. Selbst wenn ihr eigentliches operatives Geschäft auf stabile Nachfrage trifft und sie selbst eine systemrelevante Funktion ausüben, werden sie nun gerade deshalb angehalten, auf substanzielle Gratifikationen an Aktionäre (hohe Dividenden, Aktienrückkäufe) zu verzichten. Für die Bewertung der Aktien macht das eine komplette Neueinschätzung notwendig – auf niedrigerem Niveau.

Das könnte auch Immobilienaktien drohen. Niedrige Zinsen, hoher Bedarf und starke Nachfrage haben hier zu einem jahrelangen, zum Teil atemberaubenden Preisaufschwung geführt. Was aber, wenn die Nachfrage der Käufer angesichts schwacher Wirtschaft, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit zusammenbricht und zugleich große Investoren (auch Versicherungen) kaum noch Spielraum für Investitionen haben?

Bei vielen Energieaktien (vor allem mit hoher staatlicher Beteiligung wie etwa der französischen EDF) sind die heftigen Kursrückgänge ein Signal dafür, wie angespannt die öffentlichen Finanzen mittlerweile sind. Vor allem müssen die Gelder jetzt in die akute Krisenbewältigung fließen und nicht in spezielle Förderungen wie etwa den Umstieg zur Elektromobilität. Auch die auffällige Schwäche der Rüstungsaktien (in Europa Safran oder Saab), die weitgehend von öffentlichen Aufträgen abhängen, ist ein Zeichen dafür, wie angespannt staatlichen Finanzen derzeit sind.

Drittes Warnsignal: Langfristige Topbildungen bei marktführenden Aktien

Bei mehr als einem Drittel der Dax-Aktien sind durch die Verluste der vergangenen Wochen große Top-Bildungen im Kursbild entstanden. Zuletzt besonders ausgeprägt bei BASF, BMW, Henkel, Siemens, HeidelbergCement und der Post. Schon seit längerem bestehen Abwärtswenden bei Continental, Bayer, Covestro, Daimler oder Fresenius. Mit einem Ausmaß, das von zwei bis acht Jahren reicht, sehen diese Kursbilder zum Teil bedrohlicher aus als vor der Finanzkrise.

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