Die Jahresendrally läuft. Trotz Brexit, Euro-Krise, Syrien-Krieg und Terror steuern die wichtigsten Aktienmärkte neue Höhen an. Schon allein dieser Befund ist für Anleger positiv zu werten – denn wenn die Märkte das Katastrophenjahr 2016 so gut überstanden haben, was soll sie dann noch schrecken?
Mehr noch: Mit ihrem zweiten Zinsschritt hat die Fed nun wohl endgültig die Zinswende eingeleitet. Der jahrzehntelange Abwärtstrend mit zuletzt sogar negativen Zinsen dürfte gestoppt sein. Auch das haben die Aktienmärkte verkraftet.
Und dann noch Trump. Monatelang galt er als Risiko für die Märkte, weil er an den Grundfesten der bisherigen Ordnungen in Wirtschaft und internationaler Politik rüttele und in Amerika sogar die Erfolgsgeschichte der wichtigsten Zukunftsbranchen in Frage stelle. Jetzt gilt Trump mit Liberalisierungsversprechen für die Finanzwirtschaft, Konjunkturprogrammen für Infrastruktur und Industrie sogar als Initiator der neuen Hausse.
Die Prognosen für 2017 sind optimistisch: In WirtschaftsWoche 53 lesen Sie, dass für die deutsche Wirtschaft ein Wachstum zwischen 1,2 und 1,8 Prozent erwartet wird, mit 1,4 bis 1,7 Prozent die Rückkehr der Inflation und im Durchschnitt ein Anstieg des Dax auf 12.000 Punkte.
Mit Trump bleibt die Politik ein Risiko für die Aktienmärkte
Es ist schon Tradition an den Kapitalmärkten, dass zum Ende eines Jahres der Ausblick aufs nächste versöhnlich ausfällt. Überschäumend ist er selten, denn niemand stellt sich gern mit blauäugigen Prognosen bloß, wenn es dann doch nicht so schön kommt. Doch richtig düster sind die Vorhersagen in der Regel nicht.
Dabei gibt es derzeit sehr wohl Risiken, die an den Aktienmärkten ihre Spuren hinterlassen können: Mit Trump hat sich das politische Risiko für die Börsen erhöht. Von überzeugten Börsianern wird gern der Spruch gebraucht, politische Börsen hätten kurze Beine. Das stimmt insofern, weil Börsen ihre eigene Logik haben und nicht parallel zum allgemeinen Krisengefühl auf- und abschwingen – wie sich 2016 wieder gezeigt hat.
Andererseits sind Börsen vom großen politischen Rahmen abhängig. Im vergangenen Jahrhundert kam es zu drei nachhaltigen Hausse-Phasen: In den goldenen Zwanzigerjahren, in den Fünfzigerjahren und ab Anfang der Achtzigerjahre. In allen drei Phasen gab es politisch einen weiten Rahmen, der durch Liberalisierung, Wiederaufbau und großen wirtschaftlichen Freiräumen geprägt war. Wenn diese Voraussetzungen nicht stimmen, kommt es an den Märkten nicht zu einer nachhaltigen Hausse.
Bisher, so die vorherrschende Einschätzung an den Märkten, dreht Trump an den richtigen Stellschrauben. Besonders deutlich zeigt sich das an amerikanischen Bankaktien, die Schlüsselbranche, die besonders von der ins Auge gefassten Liberalisierung profitieren würde.
Doch Trump allein an solchen Versprechen festzumachen, kann schief gehen. Was passiert, wenn mit Trump eine neue Eiszeit gegenüber der wirtschaftlichen und politischen Großmacht China anbricht (die ganz nebenbei der größte Dollar-Investor ist)? Welche Folgen hat die demonstrative Bevorzugung landeseigener Unternehmen und das gleichzeitige Bashing ungeliebter Konkurrenten? Sind das nicht hochpolitische Eingriffe in das Wirtschaftsleben, die sich auf Dauer als kontraproduktiv erweisen können?
Janet Yellen hat kühl auf Trump reagiert, auf ihre Position bis Anfang 2018 gewiesen und darauf, dass sie sofort geldpolitische Konsequenzen ziehen werde, wenn Trumps Politik aus dem Ruder laufe. Und im Grunde ist das absehbar, denn Trump steht unter hohem Erfolgsdruck. Wirtschaftlich bedeutet das für die USA eine deutliche Erhöhung der Schulden. Und zwei Dinge kann Trump dabei überhaupt nicht gebrauchen: Steigende Zinsen und einen zu starken Dollar. Aus dem politischen Risiko Trump wird damit ein konjunkturelles – und damit auch ein Risiko für die Anlagemärkte.
Steigende Zinsen und nachhaltige Aktienhausse passen kaum zusammen
Dabei haben die Börsen ohnehin schwieriges Terrain erreicht. Mehr als drei Jahrzehnte lang sind die Zinsen an den wichtigsten Kapitalmärkten gesunken. Im Gegenzug sind nicht nur Anleihen permanent gestiegen; es kam vor allem an den Aktienbörsen zu einer nachhaltigen Hausse. Geht man vom großen Zinszyklus aus, kann man auch die Aktienmarktentwicklung von 1982 bis heute als große Aufwärtsbewegung betrachten, unterbrochen von der High-Tech-Baisse 2003 und der Finanzkrise 2008.
Die entscheidende Frage für Börsianer ist: Kann diese große Aktienhausse anhalten, obwohl die Zinsen nicht mehr nachhaltig sinken oder womöglich sogar langfristig wieder steigen?
Geht es nach den bisherigen Erfahrungen, wird das schwierig. In den Sechzigerjahren (als die Zinsen in Deutschland etwas anstiegen (und die Umlaufrendite zwischen sechs und knapp acht Prozent pendelte) und vor allem in den Siebzigerjahren (mit Umlaufrenditen zwischen acht und elf Prozent) traten die Aktienmärkte insgesamt auf der Stelle.
Natürlich ist es nicht ausgemachte Sache, dass die Zinsen in einigen Jahren wieder so weit oben stehen. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren derzeit gerade mal mit 0,3 Prozent. Dennoch, in den USA haben die zehnjährigen Treasuries schon 2,6 Prozent erreicht. Kommt es 2017 zum erwarteten Konjunkturanstieg inklusive anziehender Inflation und den von der Fed ins Auge gefassten zwei bis drei Zinserhöhungen, wären am US-Anleihemarkt bis 2018 Renditen von vier Prozent und mehr kein Wunder. Auch in Europa wird dann der Druck auf die EZB und auf die Kapitalmärkte zunehmen. Schon jetzt ist der Zinsabstand von mehr als zwei Prozentpunkten so groß wie noch nie in den vergangenen drei Jahrzehnten.
Viel Optimismus bei den Unternehmensgewinnen
Den wachsenden Druck von der Zinsseite können die Aktienmärkte auf Dauer nur kompensieren, wenn die Unternehmensgewinne deutlich anziehen. Hier sieht es, wenn es nach den durchschnittlichen Analystenschätzungen geht, bisher gut aus: Nachdem es schon 2016 zu einem deutlich zweistelligen Zuwachs kam, liegen die Erwartungen für 2017 im Schnitt bei mehr als 20 Prozent Plus.
Ein solcher Zuwachs würde die laufende Hausse an den Aktienmärkten weiter befeuern. Umgerechnet auf den Dax-Index wären das etwa 800 Euro Gewinn. Bei 11.400 Punkten läge die Bewertung beim 14fachen und damit langfristig im verträglichen Bereich.
Damit die Unternehmensgewinne 2017 so deutlich steigen, müssen die von Trump geschürten Konjunkturhoffnungen aber voll aufgehen. Es darf nicht zu politischen Friktionen (etwa mit China) kommen, nicht zu einem neuen Protektionismus, nicht zu Währungsturbulenzen (etwa einem weiteren Verfall des Euro) und schon gar nicht zu einem Überschießen der Zinsen.
So gesehen stecken in den Gewinnprognosen für 2017 reichliche Hoffnungen. Die können in vielen Fällen aufgehen, bestätigen damit die vorherrschenden Erwartungen. Sie können aber auch enttäuschen, und damit wachsen die Korrekturgefahren.
Technisch ist die Aktienhausse intakt
Das fängt schon im Januar an. Geht es nach den durchschnittlichen Marktschwankungen kommt es oft schon Mitte des Monats zu einer Korrektur des Jahresanfangsoptimismus. Die Gefahr eines Rückschlags ist dabei umso größer, je mehr die Märkte in den Wochen davor einen deutlichen Anstieg absolviert haben. So gesehen wäre es nicht verwunderlich, wenn der Dax nach seinem Sprung auf fast 11.500 Punkte auch dieses Mal eine Pause einlegt.
Aus technischer Sicht ist die Aktienhausse noch voll intakt. 2016 hatte der Dax zwei entscheidende Kaufsignale gegeben: Im August brach er seinen mittelfristigen Abwärtstrend, im Herbst überwand er den wichtigen Widerstand bei 10.800 Punkten. Gleichzeitig dreht seitdem die 200-Tage-Linie nach oben. Technisch ist der Markt in einer stabilen Aufwärtsbewegung, die 2017 mindestens noch einmal bis zum alten Hoch bei knapp 12400 Punkte gehen sollte. Die Untergrenze für dieses positive Szenario liegt weiterhin bei 10.800 Punkten.
Die aktuell starke Verfassung passt durchaus mit den politischen und konjunkturellen Unsicherheiten zusammen. So könnten die Aktienmärkte 2017 zunächst die bisherige Hausse fortsetzen und erst im späteren Jahresverlauf in mehrmonatige Korrekturphasen übergehen.
Fazit für Anleger: Die grundlegenden Trends an den Börsen zeigen nach oben. Die Aktien sind zwar schon weit gelaufen und damit nicht mehr günstig; sie sind aber auch noch nicht so überhitzt, um generell auf die Verkaufsseite zu wechseln. Fundamentale und politische Unsicherheiten sind vorhanden, sie haben derzeit aber vor allem den Effekt, dass es noch genug freie Gelder gibt, die immer wieder neu angelegt werden müssen – und die auch in den Aktienmarkt fließen.
Spekulation um den Wiederaufstieg der Deutschen Bank
Mit 7,2 Milliarden Dollar (an die sieben Milliarden Euro) fällt die Strafe der Deutschen Bank für ihre umstrittenen Hypothekengeschäfte verträglich aus. Sie liegt weit unter den anfangs geforderten 14 Milliarden Dollar und ist fast schon so niedrig, wie wohlwollende Gerüchte zwischenzeitlich vermuteten.
Vor allem ist die Strafe nur so hoch, dass die Bank dies mit ihren Rückstellungen zum großen Teil auffangen kann. Zum anderen wird es 2016 das vierte Quartal zusätzlich mit etwas mehr als einer Milliarde Euro extra belasten. Sowohl eine erzwungene Kapitalerhöhung als auch eine Staatsbeteiligung sind damit vom Tisch. Für die Aktionäre der Deutschen Bank sind das die entscheidenden positiven Nachrichten.
Auch wenn die Deutsche Bank noch zahlreiche andere Rechtsstreitigkeiten am Bein hat, ist dies der größte Brocken, den sie nun finanziell verkraften kann – und der womöglich auch auf andere Vereinbarungen abfärbt.
Entscheidend ist, dass die Deutsche Bank im Grunde erst jetzt ihre operative Erholung richtig angehen kann. Und hier ist der Nachholbedarf enorm. Während in Amerika viele Banken schon wieder in Aufbruchsstimmung sind, in Europa sich immer mehr führende Institute längst stabilisiert haben, hängt die Deutsche Bank weit hinterher.
Im Kern hat sie drei Baustellen: Erstens muss sie im operativen Geschäft erst einmal die Margen der Konkurrenten erreichen; zweitens ihr Kapitalpolster, das zuletzt doch ziemlich dünn geworden ist, wieder verstärken; und drittens überhaupt noch ein neues Geschäftsmodell finden, nachdem sie als reine Investmentbank gescheitert ist und als Bank für die Masse nicht infrage kommt.
An der Börse dürfte der Selbstfindungsprozess dazu führen, dass die Aktie der Deutschen Bank immer wieder größere Kaufschübe erfährt, aber auch Korrekturen, weil die Fortschritte nur langsam eintreten. Bis Frühjahr könnten Kurse um 25 Euro möglich sein - auf diesem Niveau hatte das Kursdesaster Ende 2015 seine finale Phase begonnen.